"Weniger Brüssel, mehr Nationalstaaten!"

Jarosław Kaczyński und Viktor Orbàn. Bild: Balázs Szecsődi/Ungarische Regierung

Polen und Ungarn - zwei EU-Rebellen mit gewissen Unterschieden

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"Wir - Polen und Ungarn - sprechen gemeinsam: Weniger Brüssel, mehr Nationalstaaten!" Der ungarische Premierminister Viktor Orban hat am Freitag in Warschau die Opposition beider Länder innerhalb der EU untermauert. Doch wird diese Front länger bestehen bleiben?

Orban traf die polnische Premierministerin Beata Szydlo, Präsident Andrzej Duda sowie Abgeordnete der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) im Sejm, darunter den einflussreichen Parteichef Jaroslaw Kaczynski. Vor allem das Thema Migration stand im Vordergrund. Beide Länder hatten kürzlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ihre Klage verloren - sie weigern sich aus den Lagern in Griechenland und Italien Flüchtlinge aufzunehmen und müssen nun mit Geldstrafen rechnen.

Orbans Vorschlag zur Lösung dieses Konflikts: Die EU sei geteilt in zwei Lager, die sich gegenseitig respektieren sollten. Auf der einen Seite die westeuropäischen Länder (sie werden nicht näher benannt), die ihr demografisches Problem durch Migration lösten. Damit unterstellt Orban, dass die Aufnahme von Asylsuchenden von diesen Ländern benötigt werde. Auf der anderen Seite fordert er, man sollte endlich zwischen Einwanderern und Flüchtlingen unterscheiden.

"Wir wollen nicht so sein wie sie", grenzte sich Orban allgemein von den westeuropäischen Mitgliedern ab. Polen und Ungarn hätten hingegen eine Verantwortung für ihre Enkel, der Konservative warnte darum vor einer "Vermischung der Zivilisationen" und der Schwächung der christlichen Kultur.

Das Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU-Kommission gegen Polen aufgrund von Eingriffen in das Justizwesen nannte der konservative Ungar "ohne Grundlage" und verglich die EU-Behörde mit der "Inquisition". Die Beziehungen zwischen Polen und Ungarn gelten als eng. Traditionell heißt es seit dem 18. Jahrhundert in beiden Ländern: "Pole, Ungar - zwei Brüderlein". Vor allem Jaroslaw Kaczynski begeistert sich für das autoritäre ungarische Modell. Schon bei der verlorenen Wahl 2011 kündigte der Stratege an, in vier Jahren "aus Warschau Budapest zu machen".

Im vergangenen September wurde auf dem Wirtschaftsforum für Osteuropa im südpolnischen Krynica dann Freund Orban zum "Mensch des Jahres" gewählt. Kaczynski, eher ein Praktiker einer andeutenden, denn einer klaren Sprache, huldigte Orban: "Für uns ist der Herr Premier jemand, der in Europa zeigte, dass man kann, das ist für uns eine wichtige Lehre." Doch was bedeutet dieses "können"?

Kampf gegen kritische Medien

Orban regierte 1998 bis 2002 und verlor gegen den linksliberalen Konkurrenten und Finanzexperten Peter Medgessey, der von einem Gros der hiesigen Medien unterstützt wurde. Als Orban 2010 wieder gewählt wurde, ging er rigoros gegen die für ihn oppositionellen Sender und Zeitungen vor. Mittlerweile und vor der nächsten Wahl im Frühjahr 2018 ist Regierungskritisches nur noch im Netz zu erfahren. Der liberale Westen, einst sein Vorbild, gilt ihm nun als Feind, und in seiner Partei "Fidesz" haben die Mitglieder ihm mit absoluter Loyalität zu folgen.

Auch Jaroslaw Kaczynski verlor als Premier 2007 gegenüber dem eloquenten Donald Tusk und erlangte im Herbst 2015 wieder die Macht. Auch er will die Medien nun unter seine Kontrolle bekommen. Ursprünglich sollten sie "repolonisiert" werden, das bedeutet vor allem, Verlage mit deutschem Kapital wie Ringier-Springer, Bauer, Passauer Verlagsgruppe aus dem Printmarkt zu verdrängen. Nun ist die Rede von einer "Dekonzentrierung", um den Ärger mit Brüssel kleiner zu halten. Auch wurde die Reform vom Herbst auf den Winter geschoben, dann braucht es mehr Wille unter den Regierungsgegnern, um auf die Straße zu gehen und in der Kälte vor dem Sejm zu skandieren.