Weniger, aber noch immer viel zu viel
- Weniger, aber noch immer viel zu viel
- Amnestie für Trickser
- Auf einer Seite lesen
Die Energie- und Klimawochenschau: Von verheerenden Waldbränden, Höchsttemperaturen und einer spendablen Berliner Koalition, die das Geld der kleinen Stromverbraucher an Konzerne verschenkt
Das Jahr neigt sich dem Ende und es wird wohl auf dem ganzen Globus kaum jemand geben, der ihm eine Träne nachweint. Nicht nur die Corona-Pandemie hat in Verbindung mit viel Fahrlässigkeit und noch mehr Unvermögen der Mehrzahl der Regierungen vor allem in Europa und den beiden Teilen Amerikas die Menschen schwer gebeutelt. Auch die Klimakrise entfaltet sich immer mehr.
Das macht sich unter anderem in der über den ganzen Globus gemittelten Temperatur bemerkbar. Die zurückliegenden 12 Monate Dezember 2019 bis November 2020 waren zusammen mit der gleichen 12-Monatsperiode 2016 die wärmste dieser Art, wie die Daten des Goddard Instituts for Space Studies der NASA zeigen.
Um etwas mehr als ein Grad Celsius war es wärmer als im Mittel der Jahre 1951 bis 1980 oder um etwas mehr als 1,2 Grad Celsius als am Ende des 19. Jahrhunderts also als in einer Zeit bevor die industrielle Revolution so richtig in Schwung kam.
Katastrophale Wald- und Buschbrände
Entsprechend begann das Jahr mit katastrophalen Wald- und Buschbränden in Australien, die inzwischen als die bisher schwersten in der bekannten Geschichte des Landes eingeschätzt werden. Über eine Millionen Hektar Wald und Buschland wurde zerstört. Das sind mehr als 10.000 Quadratkilometer.
Ein langjähriges Regendefizit, starke Winde, Blitzeinschläge und Rekordtemperaturen von über 50 Grad Celsius hatten eine gefährliche Mixtur ergeben. Für die jugendlichen Klimaschützer der auch down under starken Fridays-for-Future-Bewegung und für Waldbrandexperten bestand kein Zweifel daran, dass die Ursache im Klimawandel zu suchen ist. Entsprechend harsch fiel die Kritik der Jugendlichen an der klimapolitischen Untätigkeit ihrer Regierung aus.
Ein Jahr später meldet das Land den wärmsten je registrierten November und eine Feuersaison, die diesmal bereits im Oktober, das heißt, im zeitigen Frühjahr begann. Einige Waldbrände brennen inzwischen bereits seit zwei Monaten und Wissenschaftler haben den Zusammenhang mit dem Klimwandel weiter untermauert.
Der Klimawandel bedeutet für den besonders betroffenen Südosten des Landes weniger Winterniederschlag und ein trockeneres Frühjahr, zitiert die australische Zeitung Queensland Country Life Brendan Mackey, der an der Griffith University das Forschungsprogramm für Klimawandel-Vermeidung und -Anpassung leitet.
Damit würden die idealen Bedingungen für schwere Waldbrände geschaffen, denn diese hängen vor allem von der Trockenheit des etwaigen Brennmaterials ab.
Bisher habe es extreme Feuer nur an wenigen Tagen pro Jahrzehnt gegeben. Doch die Daten der australischen Meteorologen würden zeigen, dass die Zahl der extremen Hitzeereignisse sich von 1960er bis zu den 2010er Jahren verzehnfacht haben. Waren es seinerzeit nur 14, so seien im zurückliegenden Jahrzehnt 141 registriert worden und 43 davon allein 2019.
Mehr Extremwetter
Eine Ende der Fahnenstange ist nicht absehbar. Nur wenige Monate später erlebte auch der US-Bundesstaat Kalifornien eine neue, katastrophale Waldbrandserie. Ein Jahr zuvor hatte es dort bereits die schlimmste Feuerkatastrophe in der Geschichte des Landes gegeben, doch 2020 waren die Flammen noch gefräßiger.
Auch dort spielt die Kombination aus Hitze, Trockenheit und starken Winden eine große Rolle, während die konkreten Auslöser wie überall vielfältig sein können. Brandstiftung, marode elektrische Leitungen, Fahrlässigkeit, Funkenflug, verursacht von Landmaschinen, Einschläge von Blitzen. Manchmal in sogenannten Trockengewittern bei denen besonders trockene Luft die Regentropfen verdunsten lässt, bevor sie den Boden erreichen.
Das sind Extremfälle, aber Extreme, wie sie mit zunehmender globaler Erwärmung zunehmen werden. Nicht nur in Australien, sondern weltweit. Im September hatte eine Literaturstudie, für die 116 wissenschaftliche Arbeiten zum Thema unter die Lupe genommen wurden, den Zusammenhang zwischen Waldbränden und Klimawandel bestätigt.
Rund um den Globus sei für viele Regionen der Zusammenhang zwischen der Zunahme oder den größeren Ausmaßen der Waldbrände und dem Klimawandel belegt. Änderungen der Waldnutzung reichten alleine nicht als Erklärung. Dabei gehöre der Westen der USA zu den Regionen mit besonders ausgeprägtem Klimawandel.
Raubbau-Soja
Mancherorts werden allerdings auch mutwillig Regenwald und Savannen abgebrannt. So zum Beispiel in Brasilien wo zuletzt die Vernichtung des tropischen Regenwaldes im Amazonasbecken aber auch die Zerstörung der Feuchtsavanne im Pantanal im Südwesten des Landes wieder Fahrt aufgenommen hat.
Die internationale Kampagnenorganisation Mighty Earth wirft in einer per E-Mail verschickten Presseerklärung dem Futter- und Nahrungsmittelimporteur Bunge vor, in Verbindung mit einem Teil der jüngsten Waldvernichtungen zu stehen. Betroffen sei eine Fläche größer als München.
Bunge würde ein Drittel des gesamten aus Brasilien importierten Sojas vertreiben. Beobachtungen vor Ort in Brasilien und die Auswertung von Satellitenbildern der Brände hätten ergeben, dass das Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit den für Waldbrände verantwortlichen Sojafarmern unterhalte.
Das Soja werde hierzulande an Schlachtvieh verfüttert und dessen Fleisch von allen großen Handelsketten vertrieben. Damit würden sich diese nicht an ihr Versprechen halten, die Waldvernichtung aus ihren Lieferketten zu verbannen.
Derweil hat die brasilianische Regierung letzte Woche im Rahmen eines per Videobotschaften ausgetragenen UN-Gipfels ihre bisherige Selbstverpflichtung zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes zurück genommen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.
Die Entwaldung des Amazonas habe 2019 den höchsten Stand seit elf Jahren erreicht und habe im ersten Halbjahr 2020 um weitere 25 Prozent zugenommen, meldet die Agentur unter Berufung auf das brasilianische Institut für Weltraumwissenschaften INPE. An diesem werden die Satellitenmessungen der Region ausgewertet, um den Zustand des Waldes zu dokumentieren.
Weniger Emissionen
Kurz vor besagtem UN-Gipfel, auf der diverse Regierungen, wie bereits in der letzten Wochenschau kurz berichtet, ihre Klimaschutz-Selbstverpflichtungen abgaben, hatte das in Norwegen angesiedelte Global Carbon Project seinen jährlichen Bericht vorgelegt. Das internationale Wissenschaftlerteam, das sich sozusagen der Buchhaltung der Treibhausgasemissionen verschrieben hat, kommt zu dem Schluss, dass diese 2020 um sieben Prozent zurück gegangen sind.
Das wäre in der jüngeren Geschichte einmalig. Selbst Anfang der 1990er Jahre, nach dem Kollaps des Ostblocks, oder 2008ff nach der großen Finanzkrise Westeuropas und Nordamerikas war der Rückgang nicht derart massiv.
Der Bericht stützt sich auf die Analyse der Daten über den weltweiten Verbrauch von fossilen Brennstoffen wie Diesel, Benzin, Erdgas oder Kohle sowie aus einigen indirekten Daten der Zementproduktion, des Welthandels und des internationalen Verkehrs.
Außerdem schätzen sie auch die Menge an CO2 ab, die von der Biosphäre und den Ozeanen aufgenommen wird. Demnach wurden 2020 voraussichtlich 34 Milliarden Tonnen CO2 emittiert oder 2,4 Milliarden Tonnen weniger als im Vorjahr. Weitere 5,9 Milliarden Tonnen CO2 kamen durch Entwaldung hinzu.
Von diesen zusammen knapp 40 Milliarden Tonnen (2019 43 Milliarden Tonnen) blieben wie in jedem Jahr nicht ganz die Hälfte, nämlich 19,4 Milliarden Tonnen, in der Atmosphäre. Der Rest wurde von der Biosphäre und den Ozeanen aufgenommen, in denen das gelöste CO2 zur Kohlensäure wird und für eine zunehmende Versauerung sorgt.
Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist 2020 also Corona-bedingt etwas langsamer als in den Vorjahren gewachsen. Doch weil die Biosphäre 2020 weniger aufgenommen hat, ist die Differenz nur minimal. Die 0,5 Milliarden Tonnen Unterschied zum Vorjahreswachstum sind im Vergleich zur Gesamtmenge des atmosphärischen CO2 (rund 3210 Milliarden Tonnen) so gering, dass sie in den Messdaten der CO2-Konzentration nicht wahrgenommen werden kann.
Oder in anderen Worten: Der sieben Prozent Rückgang der Emissionen ist bisher so unerheblich, dass die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre nahezu unvermindert weiter steigt. Um wirklich einen spürbaren Effekt zu erzielen, müsste die Emissionen jedes Jahr weiter in ähnlicher Weise reduziert werden.
Doch davon kann wohl nicht die Rede sein. Die Wissenschaftler des Global Carbon Projects gehen davon aus, dass der Rückgang nur vorübergehend sein wird. Die täglichen Daten würden zeigen, dass die aktuellen Emissionen sich bereits wieder auf dem Niveau von Ende 2019 bewegen würden. In der zweiten Pandemiewelle seien die Emissionen nicht annähernd so stark zurück gegangen wie in der ersten Welle, schreibt das norwegische Institut in seiner Pressemitteilung.
Ein winzig kleiner Lichtblick ist aber immerhin, dass das weitere Wachstum der globalen Emissionen gebrochen sein könnte. Schon im letzten Jahrzehnt hatte es sich spürbar abgeflacht, weil seit 2014 der verbrauch von Kohle abnimmt. 2019 waren die Emissionen nur noch um 0,1 Prozent gewachsen.
Doch wie geht es weiter? Die hiesige Luftfahrtindustrie rechnet damit, dass das Vor-Corona-Niveau des Flugverkehrs erst in einigen Jahren wieder erreicht werden kann. Und die deutsche Autoindustrie hatte bereits vor Corona unter einem Rückgang ihrer viel zu hohen Absatzzahlen zu klagen.
Die Autoren merken jedoch an, dass es zwei Jahre nach der 2008er Finanzkrise es einen starken Anstieg der globalen Emissionen um fünf Prozent gegeben hat, als der Motor der Weltwirtschaft wieder ansprang. Die Befürchtung sei, dass sich dies 2021 wiederholen könnte.