Wenn Dynastien Demokratien schlucken
Parteien und Staaten in der Hand von Familien
In Pakistan soll Bilawal Bhutto, der Sohn von Benazir Bhutto, die Führung der Pakistanischen Volkspartei (PPP) übernehmen. Offenbar um den Eindruck einer Dynastischen Nachfolge zu verstärken, änderte Bilwal zur Amtsübernahme seinen Nachnamen von Zardari in Bhutto. Bis der sein Studium in Oxford beendet hat, wird Benazirs Witwer, der aus einer Korruptionsaffäre schwer belastete und wenig beliebte Asif Ali Zardari, die Partei kommissarisch führen. Bhutto selbst war die Tochter von Zulfikar Bhutto, dem PPP-Führer, der Pakistan in den 1970er Jahren regiert hatte und von General Zia ul-Haq gestürzt wurde. Nach seinem Tod übernahm seine Witwe die Partei, später dann seine Tochter.
Auch bei Pakistans östlichem Nachbarn Indien ist die Führung von Parteien teilweise eng an Verwandschaftsverhältnisse gebunden: Als Führer der Kongresspartei folgte dem ersten Premierminister Jawaharlal Nehru mit kürzeren Unterbrechungen die Tochter Indira Gandhi, deren Sohn Rajiv und schließlich dessen Witwe Sonia. Auch weiter östlich geben sich Länder bemerkenswert familiär, wenn es um Politik geht: In Indonesien wurde Megawati Sukarnoputri, die Tochter des Staats- und Parteigründers Achmad Sukarno, der das Land faktisch von 1945 bis 1966 regierte, sofort nach dem Ende eines Militärherrschafts-Intermezzos Präsidentin. Auch nach ihrer Abwahl 2004 blieb sie an der Spitze der PDI-P.
Im gleichen Jahr wurde in Singapur Lee Hsien Loong, der älteste Sohn des langjährigen Staats- und Parteichefs Lee Kuan Yew zum Premierminister des Stadtstaates gewählt. Auf den Philippinen ist seit diesem Jahr Gloria Macaraeg Macapagal-Arroyo an der Macht, die Tochter des ehemaligen Präsidenten Diosdado Macapagal. Ihr Vorgänger, Fidel Ramos, war der Sohn des ehemaligen Marcos-Außenministers Narciso Ramos. Seine Vorgängerin Corazon Aquino hatte die Führerschaft der Liberal Party von ihrem verstorbenen Ehemann Benigno Aquino übernommen. Etwas gradliniger verlief die dynastische Nachfolge in der Demokratischen Volksrepublik Korea, wo 1994 der Sohn Kim Jong-il dem Staatsgründer Kim Il-sung als Generalsekretärs der Partei der Arbeit und als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungskommission nachfolgte.
Die arabische Welt unterscheidet sich davon nur insofern, als sie zum einen wesentlich mehr formelle Monarchien, zum anderen aber auch mehr gewaltsame Regierungswechsel kennt. Fehlt in einem Land beides, wie etwa in Syrien oder im Libanon, dann steigen auch hier die Chancen für Parteidynastien beträchtlich: In Syrien werden Staat und Partei von Baschar al-Assad angeführt, dem Sohn des fast drei Jahrzehnte lang herrschenden Hafiz al-Assad. Im Libanon bestimmte vor allem die Gemayel-Dynastie beziehungsweise deren Mitglieder Amin, Pierre, Bachir, Pierre junior, Maurice, Philip und Solange die Geschicke des Staates.
Eine politische Landschaft, wie sie zu Ende der Kolonialzeit nicht unbedingt erwartet worden war. Spätestens mit dem Versagerkaiser Wilhelm II schien das dynastische Prinzip eigentlich abgewirtschaftet und der theoretische Vorteil einer Vererbung von Führungsfähigkeiten empirisch widerlegt: Die Tyrannei eines Friedrich II konnte man noch durchgehen lassen – aber Tyrannei in Verbindung mit militärischem Versagen, das ging dann doch zu weit. Wahlen versprachen dagegen eine Auswahl nach einem eher meritokratischem Prinzip.
Und so wurden nach der Kolonialzeit eher selten traditionelle Machthaber in Herrscherpositionen gehievt. Stattdessen versuchte man parlamentarische Demokratien zu etablieren. Doch in bemerkenswert vielen Fällen entwickelten sich diese parlamentarischen Demokratien zu Fällen, in denen die Macht in Parteien und Regierungen vom Mann auf die Witwe und auf den Sohn übergeht. In diesen Ländern setzte sich – quasi von Innen heraus – wieder ein dynastisches Prinzip durch.
Und auch in anderen Ländern scheint solch ein dynastisches Prinzip an Bedeutung zu gewinnen: Nicht nur in Griechenland, wo sich die Familien Papandreou und Karamanlis seit Generationen praktisch die Führung der großen Parteien teilen, sondern auch in den USA, wo dem derzeitigen und gleichzeitig Sohn des vorletzten Präsidenten möglicherweise die Ehefrau des letzten Präsidenten nachfolgen wird. Begonnen hatte die Entwicklung politischer Dynastien dort aber schon viel früher: Bereits Prescott Bush, der Großvater der Familie, war ein einflussreicher Politiker – ebenso wie Joseph Kennedy, Vater von John, Robert und Edward. Deren Nichte, Maria Shriver, ist die Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger. Ihr Vater, Sargent Shriver, war 1972 Vizepräsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei.
Manchmal gehen solche dynastischen Ansätze aber auch schief: In Bayern etwa erwiesen sich gleich zwei der biologischen Strauß-Nachkommen als zu unfähig, um die Macht im Staate übernehmen zu können. Besser klappte das in Hessen, wo mit Roland Koch der Sohn des ehemaligen Justizministers Karl-Heinz Koch Ministerpräsident werden konnte.