Kennedy-Attentat auf Urdu
Wer steckt hinter dem Anschlag auf Benazir Bhutto?
Die pakistanische Oppositionsführerin starb am Donnerstag kurz nach 18 Uhr Ortszeit auf einer Wahlkampfveranstaltung. Angeblich soll sie in Hals, Brust und Rücken von Kugeln getroffen sein. Unklar ist, ob alle Schüsse von dem Motorradfahrer stammen, der sich unmittelbar darauf in die Luft sprengte und zwanzig Menschen mit in den Tod riss.
Am Freitagmorgen meldete die Zeitung Asia Times, dass sich der für Afghanistan zuständige al-Qaida-Kommandant Mustafa Abu al-Yazid im Namen seiner Organisation telefonisch zu dem Anschlag bekannt habe. Dabei soll al-Yazid Bhutto als "wertvollsten amerikanischen Aktivposten im Kampf gegen die Mudschaheddin" bezeichnet haben. Konkret ausgeführt haben soll den Anschlag die antischiitische panjabische Gruppe Lashkar-i-Jhangvi, die al-Yazid zufolge unter al-Qaida-Kommando operierte.
Bereits im Oktober, unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus dem Exil, war die Tochter von Zulfikar Bhutto, der Pakistan in den 1970er Jahren regierte, nur knapp einem Attentat entgangen. Dafür kamen 139 andere Menschen ums Leben. Damals erklärte sie auf einer Pressekonferenz, dass sie Zugang zu Geheimdienstinformationen hätte, wonach wenigstens vier Terrorgruppen Attentäter auf sie angesetzt hätten. Zudem würden ihr auch mehrere einflussreiche Persönlichkeiten nach dem Leben trachten, darunter der ehemalige Geheimdienstchef Hamid Gul und Generalleutnant Khalid Maqboolder, der Gouverneur des Panjab – dem Bundesstaat, in dem sie schließlich ermordet wurde. Auch in ihrer eigenen Partei, der PPP, hatte Bhutto erbitterte Gegner.
Dass der ehemaligen Premierministerin gute Beziehungen zu Pervez Ashfaq Kiani nachgesagt werden, der bis vor kurzem Chef des Geheimdiensts ISI war, schließt keineswegs aus, dass nicht auch geheimdienstliche Strukturen in der einen oder anderen Weise an dem Anschlag beteiligt gewesen sein könnten. So ist unter anderem unklar, wie viel Einfluss Hamid Gul, der während des Krieges gegen die Sowjetunion den islamistischen Widerstand in Afghanistan aufbaute, im ISI-Apparat noch hat. Ende August 2003 sagte Gul der pakistanischen Zeitung Daily Times, dass Allah die USA "zerstören" werde. Im Jahr darauf bezeichnete er sich offen als "Islamisten". Nachdem er 2007 auch offen gegen Musharraf opponierte, wurde er am 4. November inhaftiert.
Nach dem Tode Bhuttos steht die Oppositionspartei PPP ohne Führerfigur da – was nicht nur in stark traditionell geprägten Gesellschaften ein Problem ist. Der Ehemann Bhuttos, Asif Zardari, der in ihrer Korruptionsaffäre in den 1990ern eine Schlüsselrolle spielte und längere Zeit inhaftiert war, lebte bis gestern im Exil im Dubai. Ob er sehr viel länger als bis zur Beerdingung seiner Frau in Pakistan bleibt, ist ebenso fraglich wie seine zukünftige Rolle in der Politik. Der als Hoffnung der PPP gehandelte Anwaltsführer Aitzaz Ahsan wurde von Musharraf unter Hausarrest gestellt, eine Teilnahme an den Wahlen ist ihm verboten. Ein Kaltstellen, das Bhutto möglicherweise nicht ganz ungelegen kam – zumindest hielt sich ihr Protest dagegen auffällig in Grenzen.
Aus diesem Grunde gilt Nawaz Sharif, der Führer der Moslemliga, als einer der potentiell größten Profiteure des Anschlags auf Bhutto. Dem entsprechend legte er demonstrative Wut und Trauer an den Tag und ließ – angeblich mit Tränen in den Augen - verlautbaren: "Bhutto war auch meine Schwester. Ich werde mit euch sein, Rache zu nehmen für ihren Tod." Außerdem rief er Präsident Musharraf zum Rücktritt auf und kündigte einen Boykott der Wahlen am 8. Januar an. Angesichts der überschaubaren Wahrscheinlichkeit, mit der diese tatsächlich stattfinden werden, ein berechenbarer und für ihn wenig schädlicher Verzicht, der ihm beim nächsten Termin die Stimmen von PPP-Wählern sichern könnte. Allerdings wurde auch auf das Leben Sharifs am Donnerstag ein Anschlag versucht. Er überlebte, aber mehrere seiner Anhänger starben.
Dass das pakistanische Mobiltelefonnetz nach dem Anschlag auf Bhutto nicht mehr funktionierte, wertet der Journalist Ahmed Rashid, der sich im Westen als Talibanexperte einen Namen machte, als "klares Zeichen dafür, dass bald wieder das Kriegsrecht verhängt wird". Bisher ist der Ausnahmezustand allerdings noch als Staatstrauer verkleidet, wegen der Schulen, Banken, Läden, Büros und Fabriken drei Tage lang geschlossen sind. Zu Krawallen kam es trotzdem: Im Sindh starben nach Auskunft des pakistanischen Innenministeriums acht Menschen, im Panjab zwei. Die Verteilung der Todesopfer gibt relativ gut die Verteilung der Anhängerschaft Bhuttos wieder: Im Sindh, aus dem Bhutto stammte, nahmen sie und ihre PPP eine klare Führungsrolle ein, im Panjab war die Partei weniger stark und in der Nordwestprovinz, Belutschistan und den Stammesgebieten spielte sie kaum eine Rolle.