Wenn Zeitungsverbote versagen, kommt die ökonomische Keule
Obwohl die baskische Zeitung Egin illegal verboten wurde, soll die Zeitung Gara als "ideologischer Nachfolger" die Millionenschulden zahlen
Dass man in Spanien von Seiten der Justiz erfindungsreich ist, um unliebsame Medien und Politiker aus dem Verkehr zu ziehen, ist keine Neuigkeit mehr. Ein deutliches Zeichen dafür ist, dass vermutlich am 12. Februar in Madrid der Prozess gegen katalanische Politiker und Aktivisten in Madrid beginnen wird, die sich angeblich einer Rebellion schuldig gemacht haben sollen, weil sie ein Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 durchgeführt hatten. Ein Referendum durchzuführen ist in Spanien kein Delikt, doch es wurde aber vom Verfassungsgericht zunächst "vorläufig" verboten, definitiv aber erst nach seiner Durchführung.
Neun politische Gefangene werden deshalb heute aus katalanischen Gefängnissen nach Madrid gebracht, obwohl der Prozesstermin noch immer nicht feststeht. Dass in Deutschland, Belgien, Großbritannien und der Schweiz den Spaniern niemand ihre erfundene Rebellion abnimmt, bleibt die Zahl der Angeklagten überschaubar. Zentrale Akteure, wie der ehemalige Regierungschef Carles Puigdemont wurden aus ihren Exilländern nicht ausgeliefert, da auch deutsche Richter weder eine Rebellion noch einen Aufstand erkennen konnten, was die Unionisten brüskiert hatte.
Während in diesem Fall die Urteile noch ausstehen, die Gefangenen aber mit einem Urteil und mit Haftstrafen von bis zu 30 Jahren rechnen, sollten die Katalanen die Vorgänge im Baskenland genau studieren, in dem ebenfalls das Wörtchen "vorläufig" eine bedeutsame Rolle für ein massives Unrecht spielt. Der Umgang mit einer baskischen Tageszeitung zeigt, dass man sogar hochgradig beschädigt aus einem Vorgang hervorgehen kann, obwohl man gar nicht angeklagt war. Dazu kommt, dass der angebliche "Vorgänger", durch spanische Gerichte bestätigt, sogar illegal geschlossen wurde. Trotz allem soll der "ideologische Nachfolger" für die Schulden der Zeitung aufkommen.
Mit der "vorläufigen" Schließung in den Ruin getrieben
Gehen wir fast 21 Jahre zurück. Am 14. Juli 1998 stürmte die paramilitärische Guardia Civil, die auch bei der Unterdrückung des Referendums in Katalonien eine brutale Rolle spielte, die Redaktionsräume und Druckerei der baskischen Tageszeitung Egin. Da die angeblich im Dienst der baskischen Untergrundorganisation ETA gestanden haben soll, wie damals der Ermittlungsrichter Baltasar Garzón fabulierte, wurden Zeitung, Verlag und ein zugehöriges Radio "vorläufig" geschlossen und darüber definitiv ruiniert. Es dauerte 11 Jahre (!) bis der Oberste Gerichtshof in Madrid das Verbot aufhob. Zwischenzeitlich verrotteten die Anlagen, die Ausrüstung und das Archiv, da der Richter keinerlei Sicherungs- und Wartungsmaßnahmen anordnete, die Schulden wuchsen derweil weiter an.
Obwohl verschiedene Gerichte zum Ergebnis gekommen waren, dass es keinerlei Betriebsübergang vom Egin zum Gara gab, die als Reaktion Ende Januar 1999 gegründet wurde, behauptete Garzón eine "ideologische Nachfolge". Kompetente Richter im Baskenland und in Navarra für solche Fragen hatten allerdings festgestellt, dass es keinen "Betriebsübergang" geben konnte, da die Arbeitsverträge beendet worden waren und dass dies durch die zuständigen Autoritäten auch "genehmigt" worden war. Zudem konnte die neue Zeitung nie auf die Besitztümer des Egin zurückgreifen, da sie sich unter Zwangsverwaltung des Richters befanden. Deshalb mussten neue Räume gefunden, eine neue Struktur, ein Computernetzwerk und Archiv aufgebaut werden. Im Gara fand auch nur etwa die Hälfte der Egin-Belegschaft eine neue Stelle.
Doch der Rachegedanke setzte sich auch hier durch. Letztlich forderte die spanische Sozialversicherung, die gegen das Autonomiestatut auch 40 Jahre nach Verabschiedung nicht an die Basken übertragen ist, ab 2003 vom "Nachfolger" die Schulden ein, die damals schon auf 5,1 Millionen Euro angewachsen waren. Zitiert wurde darin der Beschluss des Ermittlungsrichters Garzón, der in solchen Fragen aber nicht kompetent war. Dass dieser später wegen Rechtsbeugung geschasst und zu 11 Jahren Amtsverbot verurteilt wurde, sei nur am Rande erwähnt.
2003 war auch das Jahr, als die "Euskaldunon Egunkaria" (Baskische Tageszeitung) ebenfalls verfassungswidrig unter dem gleichen Vorwand geschlossen wurde. Deren Journalisten wurden diesmal sogar gefoltert. Mit der "vorläufigen" Schließung und dem definitiven Ruin der einzigen Zeitung, die ausschließlich in baskischer Sprache herausgegeben worden, wurde definitiv geklärt, dass unabhängige baskische Medien im Zielfernrohr Madrids standen.
Kampf gegen unabhängige Medien
Dass die Schließung illegal war und sogar gegen die spanische Verfassung verstieß, änderte nichts an der Situation des Gara. Und deshalb stand die Tageszeitung Gara nun am 20. Geburtstag am Mittwoch vor der Entscheidung, sich entweder auf einen Deal mit der Sozialversicherung einzulassen oder zwangsweise abgewickelt zu werden. Drei Millionen Euro muss sie nun zahlen, um die Abwicklung und den Angriff auf die Pressefreiheit abzuwenden. Der Gara-Direktor Iñaki Soto machte deutlich, dass nun alle sechs Monate eine halbe Million Euro aufgebracht werden muss, um die Schließung abzuwenden.
Es handele sich in sechs Monaten um mehr Geld, als die Zeitung im gesamten Jahr für Löhne und Honorare ausgibt, erklärte Soto und machte damit die enorme Schwierigkeit deutlich, diese Summe in den nächsten drei Jahren halbjährlich aufzubringen. "Es ist ein schwerer Schlag", erklärte der Gara-Direktor und bat die Gesellschaft, die Organisationen und die Parteien im Land um "Schutz".
In einem neuen Rundschreiben an die Abonnenten, das Telepolis vorliegt, schreibt die Zeitung, dass der damalige Ministerpräsident "José María Aznar und Baltasar Garzón eine Politik des Ausnahmezustands ausgearbeitet und umgesetzt haben, um die unabhängigen baskischen Medien zu vernichten". Festgestellt wird, dass das Ziel misslungen sei, denn auch die Schließung des Egunkaria wurde mit der Neugründung des Berria wettgemacht. "Wir sind weiter am Leben", heißt es in dem Text, in dem festgestellt wird: "Wir können jetzt nicht aufgeben."
Geworben wird um Unterstützung. Und es ist keine Frage, dass die Solidarität der Basken auch diesen Angriff abwehren wird und man erneut, nun mit Unterstützung aus Katalonien, auch diese Millionen aufbringen wird, nachdem eine deutlich höhere Summe in den Aufbau des Gara und Berria geflossen sind. Doch das ändert nichts daran, dass man es erneut mit einem Vorgang aus Absurdistan zu tun hat, der mit Rechtstaatlichkeit nichts zu tun hat.