Wenn die Liquiditätsflut abebbt

San Jose, California. Bild: Michael/CC BY 2.0

Was sind die Gründe für die große Entlassungswelle im Silicon Valley? (Teil 1).

Elon Musk morgens, Elon Musk abends, Elon Musk rund um die Uhr. Seit der Unternehmer Twitter aufgekauft hat, macht die Berichterstattung gefühlt überhaupt keine Pause mehr. Plötzlich zu einem Medienmogul geworden, schüchtert Musk die Belegschaft ein und entlässt Mitarbeiter in großer Zahl.

Er lässt die Twitter-Nutzer darüber abstimmen, ob Donald Trump wieder desinformieren darf und ob er Chef des Ladens bleiben soll. Unterdessen verlangen die Anteileigner von Tesla, dass sich ihr Vorstandsvorsitzender gelegentlich um den E-Auto-Hersteller kümmert.

Dazwischen findet Elon Musk immer noch die Zeit, den Preis für Satelliten-gestütztes Internet in der Ukraine nach oben zu treiben oder anzukündigen, dass seine Firma Neuralink in einem halben Jahr die ersten Computer-Gehirn-Schnittstellen bei Menschen einpflanzen werde. Die Scharade geht weiter.

Dass es sich lohnt, ein Spektakel zu veranstalten, hat Elon Musk im Laufe seiner Karriere verinnerlicht. Die Medien kommentieren jeden seiner Schritte, jede Äußerung, sie lieben ihn, denn er wird niemals langweilig. Früher galt Musk bei vielen als technologischer Visionär.

Der Spiegel nannte ihn gar "ein Universalgenie der Technik … vergleichbar vielleicht mit Leonardo da Vinci oder Thomas Edison", ohne allerdings eine einzige technologische Leistung anzuführen. Seit der chaotischen Übernahme von Twitter berichten die Medien weniger freundlich. Nun wird er dämonisiert, statt idealisiert.

Sie zeichnen ihn als Blender oder Rechtsextremen.

Beides kommt der Wahrheit näher: Musk Aussagen über technische Fortschritte waren immer schon abstrus, und wie viele vermögende Leute findet er Demokratie nicht wirklich sinnvoll. Aber die Persönlichkeit von Elon Musk, sofern sich diese überhaupt aus seinem öffentlichen Auftreten erschließen lässt, erklärt sein unternehmerisches Handeln nicht.

Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode, oder vielmehr: irrational ist all das nicht. Als Unternehmenschef der Technologiebranche tut Elon Musk lediglich, was gegenwärtig angesagt ist.

Mit der einsetzenden Rezession gerät die Branche in eine Krise. Wegen der nachlassenden Nachfrage sinken Umsatz und Gewinn. Teilweise steigen auch die Betriebsausgaben, zum Beispiel wegen der höheren Energiekosten.

Um wieder profitabel zu werden oder wenigstens die Rezession zu überstehen, müssen die Kosten sinken. Das brachiale Geschäftsgebaren von Elon Musk unterscheidet sich nicht wesentlich von dem anderer Unternehmenschefs in dieser Situation, die weniger öffentliche Aufmerksamkeit bekommen.

92.000 Entlassungen

Im Herbst erfasste Silicon Valley eine regelrechte Entlassungswelle. Die bekanntesten Beispiele sind die großen Internet-Plattformen und sozialen Medien. Meta / Facebook kündigte 10.000 Mitarbeitern, Amazon 10.000, Twitter etwa 7.500. Der überwiegende Teil der Entlassungen betrifft aber kleinere und weniger bekannte Internetdienstleister und App-Unternehmen.

Bis Mitte Dezember lag die Zahl der Gekündigten in den Vereinigten Staaten insgesamt bei etwa 92.000 Menschen. Entlassungen gab es auch in Europa und Indien bei den Firmen Lyft, DoorDash, Research Gate, Infarm, Pitch, Gorillas und vielen weiteren mehr.

Wie lässt sich diese Entwicklung erklären? Dass die Zinsen überall auf der Welt gestiegen sind, trifft die börsennotierten Unternehmen hart. Kapital fließt von den Aktienmärkten ab, hin zu Anlagen mit festen Zinssätzen.

Damit verlieren die Unternehmen an Wert. So sinkt übrigens auch die Vergütung der Vorstände, sofern diese an den Aktienkurs gekoppelt ist, wie es beispielsweise bei Tesla der Fall ist. Steigende Zinsen verteuern andererseits den Kredit, deshalb wird es schwerer, sich zu refinanzieren.

Die Krise trifft aber auch die Start-ups und Scale-ups, von denen noch nicht erwartet wird, Gewinne zu erwirtschaften. Seit dem Sommer "treten sie auf die Kostenbremse". Das Springer-Blatt Business Insider zitiert die Berliner Management-Professorin Heike Hölzner von der Hochschule für Technik und Wirtschaft:

Es gibt einfach weniger Kapital im Markt, das bedeutet: Startups, die sehr große Finanzierungsrunden in der Vergangenheit abgeschlossen haben, um möglichst schnell und dynamisch zu wachsen, die haben jetzt Schwierigkeiten.

Heike Hölzner, Business Insider

Das Kalkül

Möglichst schnell zu wachsen, ist für viele Firmen aber unverzichtbar. Sie wetten auf eine zukünftige marktbeherrschende Stellung. Haben sie ein Marktsegment etabliert und Konkurrenten ausgeschaltet, können die Preise für Endkunden und Lieferanten steigen.

Ob dieses Kalkül aufgehen wird, ist allerdings offen. Werden etwa die Lieferdienste der sogenannten Gig-Economy jemals profitabel sein? Bisher lebten sie von der fortgesetzten Finanzierungsbereitschaft der Investoren.

Wegen der steigenden Zinsen haben diese nun eine Alternative, und manche ziehen ihr Kapital ab. Insgesamt dürfte das Risikokapital an relativer Bedeutung verlieren und ein großer Teil der Hoffnungsträger bankrottgehen.

Der konjunkturelle Abschwung setzt auch die etablierten Big-Tech-Unternehmen unter Druck, obwohl sie profitabel sind, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Aus zwei Gründen: Die Konzerne sind erstens überbewertet, während sich zweitens ihre Aussichten auf Profit verschlechtern.

Teil 2: Übertriebene Erwartung.