Wenn unser Wasser knapp wird – Winterdürre trifft Nitratbelastung

Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Grundwasser wird immer wichtiger. Symbolbild: Peter H auf Pixabay (Public Domain)

In Zeiten des Klimawandels sinkt der Grundwasserspiegel. Hinzu kommt Verschmutzung durch Nitrat. Ein Hauptverursacher ist die Landwirtschaft. Die Wasseraufbereitung ist kostspielig.

Ein gewöhnungsbedürftiges Wort macht seit wenigen Tagen die Runde: Winterdürre. Immer häufiger wird in Süd- und Mitteleuropa das Wasser knapp. So hat sich in bestimmten Regionen wegen langer Dürreperioden in den letzten Jahren ein erhebliches Wasserdefizit aufgebaut. In Frankreich und in Italien zum Beispiel grassierte in diesem Winter eine lange extreme Trockenheit.

Die Dürre brauche mehr als ein halbes Jahr mit überdurchschnittlichem Niederschlag, bis sie sich wieder abbauen kann, erklärt Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in einem Interview mit der ARD-tagesschau. Dabei könne das Bodenwasserdefizit so groß werden, dass bis zu 150 Liter pro Quadratmeter zu wenig Wasser im Boden ist. Ein paar Tage Niederschläge reichten nicht aus, um das Defizit wieder aufzufüllen.

Lange Trockenperioden, aber auch Schadstoffbelastung und übermäßiger Verbrauch gefährden die Wasserversorgung auch in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Analyse der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Eine intensive Nutzung der Grundwasserressourcen, kombiniert mit geringer Grundwasserneubildung, führt dazu, dass die Grundwasserpegel fallen. Derzeit werden in nur 13 Bundesländern Wasserentnahmeentgelte erhoben, oft mit zahlreichen Ausnahmen. Bergbau und Landwirtschaft etwa sind häufig von Zahlungen ausgenommen. So fehlen die Anreize für einen effizienten Wasserverbrauch. Vor allem die Industrie sichert sich das benötigte Wasser vertraglich zu sehr geringen Kosten, konstatiert Studienautor Christian von Hirschhausen.

Während die beziehbare Wassermenge von Neukunden gedeckelt wird, ist die Wasserentnahme industrieller Nutzer meist über Langzeitverträge mit hohen Entnahmemengen zu geringen Preisen geregelt. Dabei fehlt es nicht nur an Transparenz und Kontrolle, auch die Preisgestaltung ist willkürlich. Auf diese Weise werden die Bedürfnisse der Wirtschaft auf Kosten der Bürger gedeckt.

Laut DIW-Studie bietet die Region Berlin/Brandenburg gleich mehrere Beispiele industrieller Wasserentnahme:

• Der Chemiekonzern BASF in Schwarzheide entnimmt bis zu 3,3 Millionen Kubikmeter pro Jahr.

• Der LEAG Braunkohletagebau in Jänschwalde beansprucht mehr als 100 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr. Offiziell genehmigt waren 42 Millionen Kubikmeter.

• Der Elektro-PKW-Hersteller Tesla in Grünheide beantragte die Entnahme von jährlich rund 3,8 Millionen Kubikmetern. Zugesagt wurde bisher 1,8 Millionen Kubikmetern durch den ortsansässigen Wasserverband.

Zum Vergleich: Eine 80.000-Einwohner-Stadt verbraucht pro Jahr etwa 3,6 Millionen Kubikmeter Wasser. Tesla hat inzwischen eigens Hydrogeologen beauftragt, die rund um das Werk nach Grundwasservorräten suchen sollen. Vorausgesetzt, die Wasserbehörden genehmigen es, will das Unternehmen Pumpversuche in der Fürstenwalder Region durchführen lassen.

Der Bedarf an Wasser in der Landwirtschaft wächst

In einer Nationalen Wasserstrategie, die das Bundesumweltministerium im November vorlegte, soll die Verteilung von Trinkwasser neu geregelt werden. Unter anderem sieht die Strategie vor, dass "auch in 30 Jahren jederzeit und überall in Deutschland ausreichend qualitativ hochwertiges und bezahlbares Trinkwasser zur Verfügung steht".

Als "reine Absichtserklärungen", kritisiert Campact das Papier. Es fehle eine gesetzliche Regelung, die den Bürgern bei der Trinkwassernutzung den Vorrang geben – und nicht den Unternehmen. Die Bürgerinitiative ruft Umweltministerin Steffi Lemke dazu auf, den Entwurf nachzubessern. Ende Januar wurde ein entsprechender Antrag der CDU/CSU-Fraktion für eine Nationale Wasserstrategie (20/5351) mehrheitlich abgelehnt. Eine Begründung hierfür wird nicht genannt.

Seit 1990 ist der Grundwasserspiegel in Deutschland zum Teil dramatisch gesunken, wie eine Auswertung der Daten von rund 6.700 Messstellen durch das Netzwerk Correctiv zeigt. Besonders in Niedersachsen sank der Grundwasserspiegel an jeder dritten Messstelle. Ergebnis: In den Dürrejahren zwischen 2018 und 2021 sank der Grundwasserspiegel an knapp der Hälfte aller ausgewerteten Orte auf den niedrigsten Stand seit 1990.

Bei den 50 Messstellen mit den am stärksten gesunkenen Wasserspiegeln werden der Bergbau als Ursache genannt. So gab es im vergangenen Sommer einen historischen Tiefststand im Rhein, riesige Waldbrände in Sachsen und Brandenburg, ausgedorrte Felder. Aber auch in Bayern, Thüringen und Nordrhein-Westfalen sinken die Grundwasserspiegel. Auch in Niedersachsen trockneten Flüsse aus, brannten die Wälder und gab es Ernte-Einbußen. Auf einer interaktiven Karte lässt sich mit einem Klick ablesen, wie sich der Grundwasserspiegel vor der eigenen Haustür verändert. Allerdings sind hier nur die Angaben von Messstellen erfasst, die seit 1990 Daten liefern.

Glaubt man offiziellen Angaben, nutzt die Landwirtschaft hierzulande nur zwei Prozent des verfügbaren Wassers. In anderen EU-Ländern wird etwa ein Viertel des Wassers in der Landwirschaft verbraucht, wie Correctiv herausfand. In Dänemark sind es sogar 50 Prozent. Wie viel Wasser hierzulande tatsächlich verbraucht wird, liege im Dunkeln, erklärt Bernd Kirschbaum, Wasserexperte beim Umweltbundesamt. Das liege daran, dass nur größere Mengen gemeldet werden müssen.

Um die Wasservorräte besser zu managen und sie effizient zu verteilen, brauche es dringend sichere Daten. Die sind immer dann relevant, wenn in trockenen Sommern wieder Wasser rationiert werden muss. Nur auf der Grundlage sicherer Daten könne man sagen, welche Anbaufrüchte Sinn machen, wo die Bauern über hitzeresistentere Kulturen nachdenken sollten und welche Bewässerungstechnik besonders wassersparend ist.

Allein in Brandenburg verdreifachte sich das entnommene Grundwasser seit 2003 auf 24 Millionen Kubikmeter. Das entspricht dem jährlichen Trinkwasserbedarf einer Großstadt mit 500.000 Einwohnern. Bundesweit muss heute 36 Prozent mehr Fläche bewässert werden als noch vor zehn Jahren.

Im Ökolandbau wird weniger Nitrat ausgewaschen

Drei Viertel aller belastenden Stickstoffeinträge stammen aus der Landwirtschaft. So ist Ammoniumnitrat in Düngemitteln wie Kalkammonsalpeter enthalten. Der Stickstoff wird im Boden durch biochemische Prozesse in Nitrat umgewandelt. Drei Viertel unseres Trinkwassers, das aus dem Grundwasser stammt, sind inzwischen hoch mit Nitrat belastet.

Glaubt man dem Nitrat-Bericht des Bundesumweltministeriums, so wurden zwischen 2016 bis 2018 zu viel Nitrat und andere Giftstoffe in die Gewässer gespült: An rund 17 Prozent aller Messstellen fanden sich mehr als die erlaubten 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser. In Gebieten mit stark genutzten Ackerflächen, Grünland, Obst- und Gemüseanbau betraf dies 27 Prozent der Messstellen.

Um gesundheitliche Belastungen zu vermeiden, sind Trinkwasserunternehmen dazu verpflichtet, das Wasser aufzubereiten und von Nitrat zu reinigen. Das ist ein aufwändiger Prozess: Das Wasser muss mit unbelastetem Rohwasser vermischt, Brunnen müssen in tiefergelegene Schichten verlagert werden. Darüber hinaus werden technische Separationsverfahren sowie biologische Verfahren angewendet - das treibt die Koste in die Höhe. Die Nitratverschmutzung des Wassers verursacht hohe soziale und ökologische Kosten, resümiert Co-Autorin Claudia Kemfert.

Die Preisgestaltung für Wasser müsse daher auf den Prüfstand gestellt werden - insbesondere für die Industrie, fordert die Leiterin der DIW-Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt. Zudem müssten die Vorgaben zur landwirtschaftlichen Düngung konsequent umgesetzt werden.

Weltweit überschreite die Belastung durch Stickstoff mit am häufigsten die planetaren Grenzen, erklären Wissenschaftler in einer Veröffentlichung von 2021. Die massive Erhöhung an Stickstoffverbindungen verschlechtert die Luft- und Wasserqualität, befeuert den Klimawandel und den Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre. Das wiederum bedroht die menschliche Gesundheit, die biologische Vielfalt und die Lebensgrundlagen der Menschen.

Gleichzeitig sind Stickstoffverbindungen lebenswichtige Bausteine, die wir für die Produktion von Lebensmitteln und Bioenergie benötigen. Eine Halbierung der Stickstoffeinträge bis 2030 würde jährlich 100 Milliarden US-Dollar einsparen, schreiben die Autoren. Eine Schlüsselrolle zur Reduzierung von Stickstoff könnte der Ökolandbau einnehmen.

Denn hier wird das Grundwasser weniger mit Nitrat belastet als im konventionellen Landbau, das ist das Ergebnis einer Analyse des DIW (siehe oben). Demnach geht eine einprozentige Zunahme der ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsfläche mit einer geringeren Nitratkonzentration einher. Damit trägt der Ökolandbau deutlich zur Entlastung des Grundwassers bei.

Archaea - Säuberungsmikroben in Süßgewässern

Seen sind nicht nur wichtig für die Trinkwasserversorgung und Binnenfischerei, sie sind auch wertvolle Naherholungsgebiete. Eine Akkumulation von Ammoniumnitrat würde die Qualtiät der Gewässer extrem verschlechtern: Zu viele Nährstoffe in Süßgewässern regen das Pflanzenwachstum an. Die Folgen sind Algenblüten und Sauerstoffmangel. Die ammoniakoxidierenden Archaeen, eine uralte Mikrobenart, lebt in den Tiefen europäischer Binnenseen, wo sie unter anderem an den Umwandlungsprozessen von Ammoniumnitrat beteiligt ist.

Auf diese Weise entgiften sie nährstoffarme Seen wie etwa den Bodensee und andere voralpine Seen. Wegen ihrer geringen genetischen Diversität sind die Mikroben allerdings stark gefährdet, wie Mikrobiologen des Braunschweiger des Leibniz-Institutes kürzlich herausfanden. Eine aktuelle Studie dazu veröffentlichte das internationale Forschungsteam in der Fachzeitschrift Science Advances.

Die in Binngewässern lebenden Archaea-Populationen stammen von einer einzigen Zelle ab und besitzen nahezu identisches Erbgut. So wiesen die Mikrobiologen im Schnitt nur eins bis maximal fünfzehn Archaea-Arten nach. Archaea sind auf nährstoffarme Gewässer angewiesen und besonders anfällig gegenüber Umweltveränderungen.

Die Archaeen kamen ursprünglich aus dem Meer in die Süßgewässer. Wegen der geringeren Salzkonzentrationen waren sie gezwungen, die Zusammensetzung ihrer Zellen stark zu verändern. Demnach entwickelte sich die in europäischen Seen dominierende Archaea-Art vor ungefähr dreizehn Millionen Jahren. Etwa zeitgleich entstanden die untersuchten Seen. Offenbar hat sich die in Europa und Asien vorherrschende Süßwasser-Art in dieser Zeit kaum verändert.

Die Forscher sehen darin ein seltenes Beispiel von evolutionärem Stillstand über Kontinente hinweg. Die untersuchten Archaea-Populationen seien in einem Zustand geringer genetischer Diversität gefangen. Die niedrigen Temperaturen bis maximal vier Grad in den Tiefen der Seen verhindern, dass die Populationen wachsen oder sich evolutionär weiterentwickeln. Wie die empfindlichen Süßwasser-Archaea auf eine Erwärmung von Süßgewässern infolge des Klimawandels reagieren, ist bisher kaum erforscht. Jedoch ist davon auszugehen, dass sie eine Erwärmung des Wassers weniger gut vertragen.