Wer ist nun der Public Enemy?
Metallica wurde zur bestgehassten Band im Netz, Public Enemy hat alle Internet-Sympathien, doch damit sind die Fragen um Napster & Co.noch lange nicht ausdiskutiert.
Nach Terabytes von illegal ausgetauschten MP3-Files werden die ersten Musiker hellhörig und beginnen, gegen Napster Inc. und dessen User vorzugehen. Metallica haben dabei die undankbare Rolle des Community-Killers übernommen, während Public Enemy auf ihrer Webpage zum Pro-Napster-Remix-Wettbewerb aufrufen. Beide Bands haben völlig unterschiedliche Backgrounds und gute Gründe für ihr Tun, die Sympathien der User liegen aber - welch Überraschung - ganz klar bei "Black CNN".
Die bestgehasste Band im Netz
Was Metallica von den meisten anderen kommerziell erfolgreichen Bands unterscheidet, ist die Tatsache, dass die Metal-Combo die Rechte an ihren Songs exklusiv selbst verwaltet - dazu gehört auch das Unterbinden von Raubkopien. Metallica, denen das illegale Tauschen ihrer Songs offenbar ein Dorn im Auge ist, haben Napster Inc. sowie drei US-Universitäten, die den umstrittenen Dienst - anders als die meisten amerikanischen Hochschulen - nicht abgedreht hatten, verklagt. Mit ihrem Wunsch nach universitärer Zensur trat die Band bei vielen Fans erwartungsgemäß voll ins Fettnäpfchen. Eine eigens eingerichtete News-Homepage von Studenten der Universität von South Carolina hat ihren Inhalt unter das Motto "Students against University Censorship" gestellt, eine andere widmet sich sarkastisch der Verarmung von Metallica:
"PayLars.com gives Metallica fans the chance to make a donation to the band to make up for all the revenue the band thinks it's losing to online MP3 trading."
Ehemalige Fans, die Metallica-CDs verbrennen, Hasstiraden und Flames in Newsgroups scheinen der Band keine rosige Zukunft bescheren zu wollen. Dabei sind Metallica längst nicht die einzigen, die sich um ihr hart verdientes Einkommen betrogen sehen. US-Rapper Dr. Dre verlangt von Napster Inc., dass seine Songs aus der Suchfunktion genommen werden, weitere Musiker werden in den nächsten Tagen ähnliche Ansuchen stellen. Eine solche Sperre käme jedoch gar nicht in Frage, so ein Sprecher der Firma, denn Napster sei lediglich ein Directory-Service für die Mitglieder. Man sei aber sehr wohl bereit, einzelne User-Accounts zu sperren, wenn Copyrightverletzungen vorliegen. Also wurde die Agentur NetPD damit beauftragt, eine Liste von Usern zusammenzustellen, die Metallica-Songs im Napster Network anbieten. Unabhängig davon, dass sich jeder Benutzer sehr leicht ein neues Log-In basteln kann, da die IP-Adressen nicht gesperrt werden, ist dies ein sehr deutliches Signal - und stößt genau deshalb bei den Fans auf wenig Verständnis.
Mistachuck's Rapstation
Eine Aktion der ganz anderen Art haben Public Enemy auf ihrer Website gestartet - www.rapstation.com. Public Enemy sind, was die Abhängigkeit von Plattenfirmen betrifft, ein gebranntes Kind. Erst nach zähen Streitereien mit ihrem Label konnten sich Chuck D, Flavor Flav und Terminator X aus den Fängen der Industrie befreien und fungieren seitdem als die Paradebeispiele von Musikern, die im Internet ein großes Potential erkennen, anstatt um ihr tägliches Brot zu fürchten. Die Online-Ambitionen der Band hatten mit der Veröffentlichung ihres letzten Albums "There's a Poison going on" begonnen, die zahlreichen Widerstände gegen die Veröffentlichung der Songs im Internet motivierte die Aushängeschilder des sozialkritischen Hip Hop zu noch stärkerem Engagement.
Den US-Rappern ging es von Beginn an um das emanzipatorische Potential, das in MP3 steckt. Und genau deshalb haben die Argumente pro Napster, die Chuck D in der New York Times einführt, für Metallica keine Gültigkeit, denn die sind eben nicht die Sklaven einer Plattenfirma, sondern selbst die Mehrer ihres eigenen Vermögens. Beiden Gruppen geht es eigentlich um mehr Kontrolle über den eigenen Output, die Mittel der Wahl unterscheiden sich allerdings gravierend. Während die einen versuchen, rechtliche und ökonomische Druckmittel gegen ihre eigenen Fans einzusetzen, setzen die anderen auf die Power der Community - Diskurs versus Dialog.
Mit Sicherheit größer als der tatsächliche finanzielle Nachteil, den Metallica vielleicht durch das Napster Network erlitten hat, ist die Beschädigung ihres Images. Aber kann man daraus ableiten, dass Musiker am besten Däumchen drehen sollten und zusehen, wie ihre Songs sich über die ganze Welt verbreiten, ohne dass ein einziger Tantiemendollar in die Kassa wandert? Fatalismus stellt wohl ebenso wenig eine gangbare Alternative dar wie die Holzhammermethode.
Geld aus dem Nichts
Nicht nur Public Enemy sind von Metallicas brachialer Vorgangsweise wenig begeistert. Die amerikanische Crossover-Band Limp Bizkit und die Latino-Rapper Cypress Hill lassen sich ihre gesamte Tour von Napster Inc. sponsern, dafür wird bei den zehn Konzerten kein Eintritt verlangt. Sänger Fred Durst präsentiert sich communityfreundlich: "Wir werden den Fans zurückgeben, was sie uns gegeben haben."
Metallica sehen das ganze von der anderen Seite:
"Ich denke, dass wieder einmal die einzigen, denen Limp Bizkit in den Rücken fallen, sie selber sind. Es geht einzig darum, dass wir im Lauf unserer Karriere viele Gratis-Konzerte gespielt gespielt haben. Die sind wirklich gratis, weil wir dafür bezahlen, wir bekommen keine Sponsoren. Wenn Napster für die Tour zahlt, muss man sich fragen, wie viel Geld an Napster geht und wie viel an Limp Bizkit. Ich denke, die ziehen einfach allen eine Augenbinde über. [...] Statt der Kids bezahlt einfach wer anderer."
Wenn Lars Ulrich sich im Chat für den Kreuzzug seiner Band gegen Napster rechtfertigt, dann erklärt er seinen Fans allerdings eine grob vereinfachte Musikwelt. Denn auf den zweiten Blick ist das aktuelle Geschäftsmodell der Crossover-Band eine ziemliche komplexe Kapitalumschichtungsaktion, von der in erster Linie die Band und deren Fans profitieren. Die kolportierten zehn Millionen Dollar, die Napster Inc. für diese Marketingaktion ausgibt, sollen im übrigen nur die Tourkosten abdecken, während die beteiligten Bands von der Promotion profitieren.
Das nachhaltig aus den Fugen geratene Kräfteverhältnis zwischen Plattenfirmen, Musikern und Konsumenten wird die "Bizkit-Methode" allerdings auch nicht wieder herstellen können. Denn Napster kann einerseits schlecht allen Bands, die illegal über den Client getauscht werden, das Touren sponsern, und andererseits muss die Frage erlaubt sein, woher Napster überhaupt irgendwelche Kapitalmittel bezieht. Eine vorsichtige Antwort darauf, in welche Richtung das Geschäftsmodell der kontroversen Firma zielt, gibt artist.napster.com. Über Matching-Mechanismen sollen auch Künstler ohne Plattenvertrag etwas vom Glanz der Stars abbekommen. Dies ist also das jüngste Versprechen, über neue Medien problemlos und effektiv zu Ruhm und Ehre - und in weiterer Folge auch Geld - zu kommen. Sehr vernünftig: Denn auf mittelfristige Sicht dürften sich der virtuellen Tauscheuphorie immer mehr reale Hindernisse in den Weg stellen. Die eingangs zitierte, von NetPD zusammengestellte Liste von Napser-Usern wird nicht der Weisheit letzter Schluss bleiben, und Anonymität im Netz wurde in der Vergangenheit schon oft genug mit Wegschauen verwechselt. Schwer einzuschätzen, welche Entwicklungen auf Gnutella & Co. noch folgen werden, aber das Kätzchen wird nicht mehr lange ungestört der einflussreichen Plattenlobby eine lange Nase zeigen. Und dann wird's an den Usern liegen, ob auch legale Musik von wenig bekannten Usern die Faszination des Songtausches weiter aufrechterhalten kann.