Wer wird dieses Jahr Fußball-Weltmeister?

Zwei britische Simulationen bieten Vorhersagen - und kommen auch zu unterschiedlichen Ergebnissen

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Ein Nebeneffekt von Fußball-Weltmeisterschaften ist das grassierende Wettfieber. Britische Buchmacher erwarten ein Umsatzplus von 200 Millionen Pfund und Fußball-Fans veranstalten Wettgemeinschafen, die sich in den Wochen vor der WM in Büros, Vereinen und Kneipen ausbreiten. Doch angesichts dem mitteleuropäischen Fan vollkommen unbekannter Teams wie China, Costa Rica und dem Senegal kann das Ausfüllen der Wettscheine in ernsthafte Arbeit ausufern.

Hilfe findet der frustrierte Fußball-Fan auf den Webseiten des britischen Radiosenders BBC 5live. Dort befindet sich nämlich Glovers Automated Results Indicator, ein Indikator, der auf der Basis eines neuen statistischen Modells Vorhersagen über den Ausgang der Weltmeisterschaft macht. Diese reichen von Prognosen über den Ausgang einzelner Spiele bis zu der Vorhersage, welche Mannschaft die einzelnen Runden des Turniers überstehen wird.

Entwickelt wurde das Modell von Henry Stott, einem Mathematiker an der University of Warwick. Das Besondere an seinem Modell ist, dass es neben statistischen Analysen und Computersimulationen auch menschliche Intuition mit einbezieht. Die Analysen basieren auf Statistiken der Fifa und den Leistungen der Mannschaften in den Qualifikationsspielen. Berücksichtigt wird dabei auch die Neigung der einzelnen Teams zu "unberechenbarem“ Verhalten. Die menschliche Intuition wurde in Form von Wettquoten britischer Buchmacher, welche die kumulierte Meinung der Glücksspieler zu den Stärken und Schwächen der Mannschaften wiedergeben, in die Berechnungen aufgenommen. Auf der Basis der berechneten Stärken und Schwächen ließ Stott die Teams in virtuellen Spielen gegeneinander antreten. So kann durch die Simulation des ganzen Turniers die Mannschaft mit den besten Chancen auf den Weltmeistertitel ermittelt werden. Gleichzeitig entstanden durch die Simulation Prognosen für jedes einzelne Vorrundenspiel.

Weltmeister wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 16% Argentinien, glaubt man den Berechnungen. Gute Chancen hat auch die bei den Buchmachern unterbewertete brasilianische Mannschaft mit 11%. Die geringsten Chancen auf den Titelgewinn hat die Mannschaft der Volksrepublik China (0,3%). Deutschland soll als Gruppenerster ins Achtelfinale einziehen (53 Prozent) und hat ebenso wie Italien eine Gewinnchance von immerhin 9 Prozent. Von Dauer sind diese Werte allerdings nicht. Die Prognosen werden auf der Basis bisheriger Ergebnisse ständig aktualisiert. Wer meint, die Ergebnisse besser vorhersagen zu können, kann auf der Webseite von BBC "5live“ auch eigene Tipps abgeben. Aber zumindest die chinesische Fußballmannschaft scheint die Einschätzung von Henry Stotts Berechnungen zu teilen. Sie haben ihre Fans in einem offenen Brief bereits vor der Weltmeisterschaft darum gebeten, nicht allzu hohe Ansprüche an ihre Mannschaft zu stellen.

Wie gut der Ausgang einer Weltmeisterschaft vorherzusagen ist, interessiert auch Statistiker und Sportwissenschaftler an der Universität von Ulster. Dort hat man eine Simulation entwickelt, die ebenfalls auf den Statistiken der Fifa beruht. Es wurden aber auch sportwissenschaftliche Erkenntnisse über die von den Athleten für Höchstleistungen benötigten Ruhezeiten berücksichtigt. So wurden die Entfernungen, die zwischen den Spielorten in Süd-Korea und Japan zurückgelegt werden müssen, und die Ruhezeiten zwischen den Spielen mit in die Berechnungen aufgenommen. Das Resultat der Simulation: Brasilien wird im Endspiel gegen Italien als Sieger hervorgehen.

Die Ergebnisse der Analyse sollen mit den Vorhersagen von Fußballkennern aus der Universität verglichen werden. Ein Forschungsbericht soll nach der Weltmeisterschaft entstehen, der die "relativen Vorzüge von qualitativen gegenüber quantitativen Methoden“ untersucht: "Es wird interessant sein zu sehen, wie das Turnier ausgeht und ob das menschliche Gehirn oder der Computer das bessere Werkzeug ist, um solche unvorhersagbaren Wettbewerbe wie eine Weltmeisterschaft zu analysieren“, wird Peter O'Donoghue, ein Dozent der Sportwissenschaften auf der Webseite der University of Ulster zitiert. Vielleicht trifft aber auch das integrative Modell von Henry Stott und BBC "5live“ die besseren Vorhersagen. Ob bereits Wetten darüber angenommen werden, welches Modell die besten Prognosen macht, ist nicht bekannt.