Wettlauf weg vom Öl
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Saudi-Arabien sucht nach Investoren für seine Zukunftspläne. Die "Vision 2030" hat Risse bekommen
Zum Schluss gab es Anfang Januar noch eine kurze Mitteilung, die über die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA verbreitet wurde: Ein Gericht verhandele nun gegen elf Personen; ihnen werde vorgeworfen, im Oktober 2018 den Kolumnisten und Journalisten Jamal Khashoggi (auch: Chaschuqdschi) im saudischen Generalkonsulat in Istanbul getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordere für fünf der Angeklagten die Todesstrafe.
"Die unabhängige Justiz wird nun ihre Arbeit tun", sagte kurz darauf ein Kommentator des arabischen Nachrichtensenders al-Arabiya, der sich im Besitz saudischer Investoren befindet, der saudische Thronfolger und de facto-Machthaber Mohammad bin Salman habe bewiesen, dass er "ein starker Führer" sei, " der sein Versprechen der lückenlosen Aufklärung eingehalten hat".
Dabei ist längst nicht klar, was im saudischen Generalkonsulat passiert ist, und warum es passiert ist: Wollte der Kronprinz mit einer spektakulären Aktion eine Warnung an die im Ausland lebenden Kritiker senden, wie saudische Bürgerrechtler befürchten? Viele von ihnen leben im Ausland und wähnten sich deshalb in einiger Sicherheit vor dem saudischen Staat.
Nun geht die Angst vor dem Moment um, an dem der Pass abläuft, Papiere aus der Heimat benötigt werden, denn die saudischen Konsulate bestehen auf persönliches Erscheinen. Oder haben tatsächlich, wie die saudische Regierung behauptet, Geheimdienstler eigenmächtig gehandelt?
Völlig offen ist auch, ob der Prozess tatsächlich stattfindet. Wie alle staatlichen Institutionen ist auch die saudische Justiz extrem verschlossen, wenn es um Strafprozesse geht, während man in Zivilsachen zumindest bis zu einem gewissen Grad um Transparenz bemüht ist; denn ausländische Investoren haben gerne Rechtssicherheit.
Dringend weg von der Abhängigkeit vom Öl
Einigermaßen sicher scheint, dass die saudische Regierung vom Ausmaß der Reaktionen auf die Affäre überrascht wurde, und das zu einer aus saudischer Sicht ausgesprochen ungünstigen Zeit. Denn man will, man muss dringend raus aus der Abhängigkeit vom Öl, dessen Einnahmen derzeit mehr als 90 Prozent des Staatshaushaltes finanzieren.
Zwar sehen die Zahlen auf den ersten Blick ganz gut aus: Anfang Januar hatte man erstmals seit der Verstaatlichung der Ölindustrie Anfang der 1980er Jahre ein vom amerikanischen Beratungsunternehmen DeGolyer and MacNaughton erstelltes Gutachten veröffentlicht, demzufolge die Ölreserven im Königreich Ende 2017 mit 268,5 Milliarden Barrel sogar etwas höher waren als die bislang vom Ölministerium zuvor angegebenen 266,3 Milliarden Barrel.
Nachdem WikiLeaks 2011 ein Schreiben der US-Botschaft in Riad veröffentlicht hatte, in dem gewarnt wird, die saudischen Angaben zu den Ölreserven könnten um bis zu 40 Prozent überhöht sein, hatten sich hartnäckige Zweifel an den Aussagen der saudischen Regierung gehalten.
Vorhersagen, auf die man nicht bauen kann
"Ich sehe den Höhepunkt des Ölbedarfs weder in zehn Jahren noch 2040", sagte Amin Nasser, Präsident des saudischen Ölkonzerns Saudi Aramco, dem Nachrichtensender CNN am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos: "Das letzte Barrel wird aus der Region kommen" - eine Zuversicht, die viele nicht teilen. In Kuwait, in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und in Katar sagen Regierungsvertreter offen, dass man kein Vertrauen in jene Studien hat, die einen gleichbleibenden, gar steigenden weltweiten Ölbedarf in den kommenden Jahrzehnten vorhersagen.
"Es gibt hier schlicht Faktoren, die alle Vorhersagen umstoßen können", sagt Saad Scherida al-Kaabi, Energieminister Katars. Der große Unsicherheitsfaktor sei vor allem die Energiewende, die nun in vielen westlichen Staaten Thema sei: "Ein Auto, das nicht mit Benzin fährt, ist ein Auto, an dem die ölproduzierenden Länder nichts verdienen."
Saudi Aramco-Präsident Nasser baut indes darauf, dass vor allem in Indien, in China der Ölbedarf in den kommenden Jahrzehnten steigen wird. Nur: "Wenn ich die Berichte über Smog-Wolken in Peking sehe, dann kann man sich gut vorstellen, dass es auch in diesen Ländern sehr bald zu einem Umdenken kommen wird", sagte al-Kaabi Anfang Dezember, nachdem er den Austritt Katars aus der Gemeinschaft der erdölproduzierenden Länder (OPEC) zum Jahresbeginn 2019 bekannt gegeben hatte.
Auch Saudi-Arabien setzt auf Flüssigerdgas (LNG)
Man wolle künftig das Öl, das man noch hat, unabhängig von den Vorgaben der OPEC fördern und so gut wie möglich verkaufen, so Kaabi; abgesehen davon werde man sich aber auf die Produktion, den Export und die Vermarktung von Flüssigerdgas (LNG) konzentrieren. Zwar kam es in der Vergangenheit mehrmals zu einer weltweiten Überproduktion von LNG; 2015 war Katar gut ein Drittel seiner Produktion nicht los geworden.
Doch nun hofft man im dortigen Energieministerium, LNG zum Durchbruch als Treibstoff für Schiffe, Autos und Lastwagen verhelfen zu können, indem man auch in Tankstellen-Netze und Gasterminals in den Häfen investiert, das Urteil zu Gunsten der Elekotromobilität sei aus seiner Sicht längst nicht gefallen, so al-Kaabi - ein Glücksspiel, das sich Katar indes leisten kann: Schon seit Langem arbeitet man an der Diversifizierung der einheimischen Wirtschaft und vor allem der Einnahmequellen.