Wettlauf weg vom Öl

Seite 2: Der Konkurrent Katar ist um Längen weiter

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Man ist an Banken, an Fußballclubs, Hotelketten beteiligt - und damit um Längen weiter als der große Nachbar Saudi-Arabien, der im Juni 2017 zusammen mit den VAE und Bahrain eine weitestgehend wirkungslose Blockade über Katar verhängt hat. Man wirft dem Emirat vor, den weltweiten Terror zu unterstützen; gemeint ist damit aber nicht nur, dass man es Organisationen wie der Hamas lange Zeit erlaubte, Büros in Doha zu unterhalten; nach saudischer Lesart ruft auch der Fernsehsender al-Dschasira zum Terror auf, indem saudischen Oppositionellen Sendezeit eingeräumt wird.

Besonders ist der saudischen Regierung aber ein Dorn im Auge, dass man in Doha nun versucht, durch Wirtschaftsabkommen mit Brasilien oder den Philippinen eigene Ölpreise festzusetzen, und gleichzeitig bemüht ist, die Energiewende mit zu gestalten, während man selbst mit dem Umbau der Wirtschaft nicht vorankommt.

So wurde nun der Börsengang von Saudi Aramco erneut verschoben, wahrscheinlich ist er gar ganz gescheitert - und damit auch eine Reihe von aufsehenerregenden Giga-Projekten, die unter dem Titel "Vision 2030" den Staatshaushalt vom Öl entwöhnen sollten.

Mindestens 100 Milliarden US-Dollar sollte die Teilprivatisierung des Ölkonzerns in die Kassen spülen, und das, obwohl nur fünf Prozent der Anteile an die Börsen gebracht werden sollten. Doch das Vorhaben stand von Anfang an unter keinem guten Stern.

In Saudi-Arabien selbst wurde dem Kronprinzen vorgeworfen, er wolle das Tafelsilber verkaufen; wie in vielen anderen Ländern ist auch in Saudi-Arabien eine Privatisierung der Ölindustrie ein emotionales Thema; in den ersten Jahrzehnten nach den Ölfunden floss ein Großteil der Profite ins Ausland ab.

Saudi Aramco

Saudi Aramco selbst befand sich seit 1948 unter dem Namen Aramco im Besitz von vier amerikanischen Ölkonzernen, und wurde dann zwischen 1972 und 1980 verstaatlicht. Seit 1988 heißt der Konzern Saudi Aramco. Die Kritiker des Börsengangs wurden im Sommer vergangenen Jahres im Zuge von Massenfestnahmen mundtot gemacht; gleichzeitig traten neue Probleme auf.

Man hatte Probleme, aufsichtsrechtliche Bestimmungen wie die Offenlegung von Daten über die vorhandenen Ölreserven zu erfüllen; einen Versuch der Londoner Börse, die Bestimmungen einfach ändern zu lassen, blockte die britische Regierung ab. Und in den USA kündigten Angehörige von Opfern der Anschläge am 11. September 2001 Schadensersatzklagen an, sollte Saudi Aramco dort an der Börse notiert werden.

Zudem gaben sich die potentiellen Investoren schon lange vor den Ereignissen um Jamal Khashoggi zurückhaltend bis ablehnend; denn je mehr Zahlen öffentlich wurden, desto deutlich wurde: Saudi Aramco ist zwar sehr viel Geld wert, aber keinesfalls die zwei Billionen Dollar, die die saudische Regierung als Gesamtwert nennt.

Hinzu kam die politische Unsicherheit: Nach der Aufhebung eines Großteils der Sanktionen gegen den Iran nach der Unterzeichnung des Atomabkommens hatte Saudi-Arabien den Ölpreis künstlich gedrückt, um den Iran daran zu hindern, seine Kassen durch Ölexporte zu füllen. Sichtbarstes Resultat waren Milliardendefizite im Staatshaushalt, die ersten überhaupt seit vielen Jahrzehnten - aber eben auch Mindereinnahmen bei Saudi Aramco selbst.

Nun soll ein Kurswechsel Abhilfe schaffen. Statt an die Börse zu gehen, soll der Ölkonzern zunächst einmal zu einem gigantischen Energie-Multi heranwachsen. Durch eine Fusion mit dem saudischen Chemiekonzern Sabic sollen Ölproduktion und -verarbeitung gebündelt werden. Sabic befindet sich derzeit zu zwei Dritteln im Besitz eines Staatsfonds, der nun seine Anteile an Saudi Aramco verkaufen soll.

Schon Ende Dezember hatten die Saudis zudem die Anteile des Kölner Chemiekonzerns Lanxess am Kautschukproduzenten Arlanxeo übernommen; das Unternehmen, dessen Produkte unter anderem in der Reifenherstellung sowie der Bauindustrie verwendet werden, war 2016 als Joint Venture von Lanxess und Saudi Aramco gegründet worden.

"Vision 2030": Es fehlt Geld

Damit dürfte auch ein Kernpunkt der "Vision 2030" auf Eis liegen: An der Grenze zu Jordanien sollte eine neue Stadt namens Neom entstehen, die ihren Energiebedarf komplett aus Wind- und Sonnenkraft beziehen und zur Heimat von elf neuen Wirtschaftszweigen werden sollte. Auf diese Weise sollte künftig der Ölanteil am Bruttoinlandsprodukt und damit auch am Staatshaushalt, auf mindestens die Hälfte reduziert werden.

Doch der saudischen Regieurng fehlt das Geld für das offiziell auf 500 Milliarden US-Dollar bezifferte Projekt; ein Großteil des Geldes hatte aus dem Börsengang Saudi Aramcos kommen sollen.

Stattdessen soll die "Vision 2030" nun durch eine Vielzahl von Einzelprojekten in den Bereichen Infrastruktur, erneuerbare Energien, Bergbau, Rüstung und Luftfahrt realisiert werden; einer Mitteilung der saudischen Nachrichtenagentur SPA zufolge soll das Ganze insgesamt 425 Milliarden US-Dollar kosten, die über ausländische Investoren finanziert werden sollen.

Bestätigt sehen sich die Saudis durch das Weltwirtschaftsforum in Davos: Dort war man mit einer ausgesprochen großen, ausgesprochen hochrangigen Delegation angereist und wurde von Wirtschaftsbossen und Politikern gleichermaßen hofiert. Dass der Fall Khashoggi noch einmal Thema wurde, lag am Schweizer Präsidenten Ueli Maurer, der gegenüber Journalisten erklärte, die Angelegenheit sei "schon lange abgehakt".