USA stützen mit Außenpolitik eigene hegemoniale Vormachtstellung
- USA stützen mit Außenpolitik eigene hegemoniale Vormachtstellung
- Deutschland und die Nato: Eine (zu) enge Bindung
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Die Außenpolitik der USA kennt ein Paradigma: America First! Verbündete sichern nur diesen globalen Anspruch ab. Aus Deutschland ist kein Widerspruch zu erwarten. (Teil 1)
Nach ihrem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst der USA sprach Politico mit Victoria Nuland. Man muss Nuland nicht vorstellen. Sie gehörte zu den mächtigsten Frauen in der US-Außenpolitik, und sie war sich ihres Einflusses voll bewusst. Sie war überall dabei, wenn Weltgeschichte geschrieben wurde: im Irak, bei der Nato, im Kampf um die Ukraine. Sie ist eine typische Repräsentantin der US-Hegemonie, ein weiblicher "Falke", im demokratischen und republikanischen Establishment gleichermaßen zu Hause.
Victoria Nuland: Eine mächtige Stimme in der US-Außenpolitik
Uneingeschränkte Bekanntheit erreichte Nuland wegen ihrer eindeutigen Parteinahme für den Maidan und eine neue pro-westliche ukrainische Regierung. Während sie öffentlich Küchlein verteilte, gehörte sie zu den Strippenzieherinnen des Umsturzes.
Mit ihrem Kollegen, dem damaligen US-Botschafter Pyatt, besprach sie Anfang Februar 2014, wer die neue ukrainische Regierung führen sollte (Jazeniuk), und wer nicht ins vorgesehene Team passt (Klitschko). In dem Zusammenhang fiel ihr berühmter Ausspruch von "Fuck the EU".
Nuland’s Karriere: Trotz Kontroversen unbeschadet
Nur weil das öffentlich wurde, maulte man in der EU ein wenig. Nulands Karriere schadete es hingegen nicht. Ein Artikel in Foreign Policy hob 2015 hervor, dass die gleichen Merkmale, die im Fall Nuland in der EU für Irritationen und Skepsis sorgten oder in Moskau auf Ablehnung stießen, in Washington eine Quelle der Begeisterung für "Toria" waren.
"Toria", das Herz auf dem rechten imperialen Fleck, sprachlich brillant, hielt von Diplomatie herzlich wenig und von der EU nicht sehr viel mehr. Die wäre wie einen "Sack Flöhe hüten", wie sie im Kongress erklärte. (Ich lasse dahingestellt, dass dieses Idiom im Englischen mit Katzen bestückt ist.)
Kurzum, man kann sich "Toria", die – laut Foreign Policy 2015 – den italienischen Ministerpräsidenten Renzi auf seinen Platz verwies, durchaus vorstellen wie eine moderne Version eines sowjetischen T 34, (Wikipedia: einfach gebaut, aber robust und kampfüberlegen im Zweiten Weltkrieg), nur in weiblicher Verpackung und mit globalem Aktionsrahmen.
Egal, wie man Nulands Lebensleistung beurteilt, ihr genau zuzuhören, macht nicht dümmer. Dank Politico gelang ein Interview, das man außenpolitisch Interessierten nur wärmstens ans Herz legen kann. Für alle, die in der EU politische oder mediale Verantwortung tragen, würde ich sogar noch weitergehen. Es sollte eine Pflichtlektüre sein, damit sie verstehen, wie das US-Imperium tickt: Es kreist allein um sich selbst. Alliierte sind dafür da, dass die USA nicht alles allein machen müssen, um das sicherzustellen, was den USA nutzt.
Nuland’s Vision: US-Führungsrolle auf so vielen Kontinenten wie möglich
Politico fragte Nuland, was sie rückblickend beruflich bedauere. Nuland antwortete, sie hätte gerne noch so viel mehr gemacht. Sie beschreibt das Ziel ihrer Arbeit: die Absicherung einer starken US-Führungsrolle "auf so vielen Kontinenten wie möglich". Aber immer fehlten Zeit, Ressourcen, und obendrauf kamen auch noch Krisen. Sie liebte, was sie tat.
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Hätten die USA im Frühling 2022 nicht mehr Druck auf die Ukraine ausüben sollen, um zu einem verhandelten Kriegsende zu kommen, fragte Politico. Nein, erwiderte Frau Nuland. Damals sei die Ukraine "zu schwach" für ein gutes Verhandlungsergebnis gewesen. Auch heute wäre sie dafür zu schwach.
Damit haben wir nun eine neue Version der gescheiterten Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland im Frühjahr 2022: eine von Nuland, die überdies behauptete, dass Putin ohnehin keine Verhandlungsergebnisse will ("rope-a-dope-Verhandlungstaktik"), eine von Boris Johnson (Sieg!), eine vieler ukrainischer Stimmen und eine, die den ukrainischen Stimmen recht nahekommt und die Verantwortung für das Scheitern dieser Verhandlungen beim Westen ablädt.
Nuland’s Überzeugung: Die Ukraine wird den Krieg gewinnen
Unerschütterlich vertritt Nuland die Überzeugung, dass die Ukraine den Krieg gewinnen wird. Strategisch hätte Putin schon verloren. Er hätte die Ukraine "platt" machen wollen, was nicht gelungen sei. Die Ukraine kann siegen, stärker, europäischer und unabhängiger aus dem Krieg hervorgehen, so Nuland. Wenn die USA und die Alliierten nur weiter fest an ihrer Seite stehen.
Lediglich bei der Definition eines ukrainischen Sieges geriet sie etwas in Schwimmen. Gehört nun die Rückeroberung der Krim zu den Kriterien eines Sieges der Ukraine? Jedenfalls, so Nuland, müsse die Krim entmilitarisiert werden, damit sie kein "Dolch mehr im Herzen Kiews" sein kann. Die russische Armee müsse sich aus der Ukraine zurückziehen.
Ambitionierte Vorstellung: Nato und Ukraine gegen Russland und China
Nulands ambitionierte Vorstellung ist, dass sich Nato und Ukraine gemeinsam so entwickeln, dass sie Russland und China in jeder Hinsicht, auch kriegswirtschaftlich, übertrumpfen. Strategische Waffenpositionierungen in der Ukraine gehören dazu.
Das klingt nebensächlich, war aber Gegenstand eines Gesprächs zwischen Putin und Biden Ende Dezember 2021. Nein, versicherte Biden, in der Ukraine würden keine strategischen Waffen positioniert werden. Davon war wenig später nie wieder die Rede. Noch später, 2024, beschwerte sich Lawrow über diese westliche Position.
Für die EU-Europäer fand Nuland ebenfalls gute Worte gegenüber Politico. Sie täten schon so viel für die Ukraine, mehr als die USA. Aber sie müssten noch ihre Politik gegenüber China ändern, den USA bei Haiti helfen und in Afrika auch …
Nuland über Russland und China: Gute Absichten, schlechte Ergebnisse
Was hätten die USA falsch gemacht, wenn es um Russland und China ginge, fragte Politico. Nuland berichtet von den guten Absichten der USA, beide Länder in die offene und freie globale Ordnung "einzustricken", die so vorteilhaft ist für die USA.
Dadurch hätten beide Länder Wohlstand erreichen und zu "beitragenden" Mitgliedern dieser Ordnung werden können. Allerdings wollten die das nicht nur nicht, sondern hätten ihren Bevölkerungen eingeredet, dass das nicht ihrem rechtmäßigen Platz in der globalen Ordnung entspräche, der mit territorialen Ambitionen einherginge. Kurzum, die US haben sich möglicherweise mit ihren guten Ambitionen verschätzt.
Diplomatie und Gespräche seien immer wichtig, so Nuland, aber wenn die Ideologie so anders ist, so illiberal und expansionistisch und gegen die Ordnung gerichtet ist, von der die USA profitieren, dann muss man Maßnahmen treffen, um sich und seine Verbündeten zu schützen, einschließlich der Ukraine. Denn die ist nur das erste Ziel des expansiven Russlands.
Nuland’s Ehepartner: Ein anderer Neokonservativer in den USA
Nuland ist die Ehefrau eines anderen Neokonservativen in den USA, Robert Kagan, der 2002 öffentlich darüber philosophierte, dass das Weltbild der USA und der EU so verschieden sei wie Mars und Venus. Die EU glaube an die Kraft des Rechts und internationaler Kooperation, die USA dagegen betrachteten die Welt als chaotischen Platz, was notwendig macht, gelegentlich auch mit schierer militärischer Gewalt zu demonstrieren, "wer der Boss ist". Diese Unterschiede ließen sich nicht wegdiskutieren.
Aber wie präsentierte Kagan damals seinen Befund? Er startete mit den hingebungsvollen Bemühungen des US-Präsidenten, die von ihm beschriebene große Kluft zu überbrücken. Politico wählte es prompt als Unterzeile. Die USA bemühten sich, aber die EU-Europäer … So wirft man erfolgreich imperiale Nebelkerzen. In der modernen Version bemühten sich Nato, EU, USA, EU-Mitgliedstaaten ebenfalls so lange, so treuherzig um Russland, aber wie haben das die bösen Russen vergolten?
Tatsächlich hatten im Jahr 2002, als Kagan einen Dissens konstatierte, die USA die europäischen Nato-Verbündeten längst in ihr Konzept verstrickt, dass die Nato zu mehr berufen war als nur zur transatlantischen Verteidigung. Sie sollte global agieren können, dort, "wo sie gebraucht werde", wolkig umschrieben mit dem "volle(n) Spektrum der Allianzaufgaben, einschließlich der kollektiven Verteidigung". (Vgl. unter anderem Ziffer 5 des Prager Beschlusses.)
In Prag wurde die zweite Nato-Erweiterung beschlossen, die Schnelle Eingreiftruppe geschaffen, und, was häufig übersehen wird, die Nato-Partner ließen der USA die einseitige Kündigung des ABM-Vertrags 2001 kritiklos durchgehen. Ziffer 4 des Prager Dokuments enthält ein allgemeines Bekenntnis zur Wichtigkeit bestehender Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge. Da war der ABM-Vertrag schon Geschichte. So wurde – gänzlich geräuschlos – die erste große Tür zum erneuten Rüstungswettlauf geöffnet.
Das einzige US-Problem damals, wenn auch kein kleines, waren die wankelmütigen Deutschen und Franzosen in Sachen Irak-Krieg. Der damalige Bundesverteidigungsminister Struck erklärte im Deutschlandfunk im Vorfeld des Prager-Gipfels (20.11.2002), die Nato würde gewiss auch ein Bekenntnis zur UN-Resolution 1441 in Sachen Irak abgeben.
Der Gipfel sagte nichts. Die USA hatten andere Pläne und schusterten die "Koalition der Willigen" zusammen. Im erwähnten Struck-Interview des Deutschlandfunks schwang die Sorge des Moderators (Meurer) mit, Deutschland sei (wegen der ablehnenden Haltung zum Irak-Krieg) womöglich ein "schwarzes Schaaf" (so im Manuskript).