USA und ihre Alliierten können globale Sicherheit nicht gewährleisten
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Militärische Lösungen führen nur zu weiterer Unsicherheit und Eskalation. Doch was passiert, wenn die westliche Politik ihre Strategie nicht ändert? (Teil 2 und Schluss)
Für die, die sehen wollen, ist längst eindeutig, dass die USA weder im Alleingang noch unterstützt durch ihre Alliierten die Fähigkeit und die Mittel haben, weltweit dafür zu sorgen, dass verlässliche Sicherheit entsteht. Da mag sich der deutsche Verteidigungsminister noch so sehr rühmen, dass nun auch ein deutsches Schiff im Roten Meer gegen die Huthi mitschwimmt oder eins im asiatisch-pazifischen Raum den Chinesen die Gelbe Karte zeigen will.
Militärische Mittel: keine Lösung für globale Konflikte
Mit militärischen Mitteln ist nichts mehr lösbar. Das demonstrieren die Ukraine-Ereignisse, die Gaza-Ereignisse. Alles führt ungebremst lediglich zu weiterer Unsicherheit und Eskalation.
Man darf gespannt sein, wann es sich den vielen westlichen Oraklern vom militärischen Siegeszug der Ukraine ins Hirn schleichen wird, dass die Strategie, Russland dauerhaft zu schwächen, wenn nicht gar zu zertrümmern, nicht aufgeht. Sie sind längst mit ihren eigenen Widersprüchen konfrontiert.
Von Oraklern muss man sprechen, denn die westliche Politik operiert schon lange nicht mehr mit gesicherten Einschätzungen zu russischen Interessenlagen und Sichtweisen. So etwas gründet sich in der Regel auf intensive Kontakte auf allen Ebenen und durch die verschiedensten Gesprächskanäle, ob jetzt offen oder verdeckt.
Man muss ein Land verstehen, seine Geschichte, die Kultur, die Sprache. Das ist das Mindeste. Sonst mutmaßt man lediglich, liest aus Teeblättern und entscheidet mithilfe der Wünschelrute. Verstehen zu wollen, ist längst "verboten", vermintes Terrain. So haben wir uns selbst in eine reaktive Wahrnehmungs- und Handlungsfalle eingesperrt, die allenfalls Fantasien erlaubt, ins Unendliche zu wuchern. Nur, auf Luftschlösser lässt sich solide Politik nicht gründen.
Die Gefahr von Fehleinschätzungen: China und Russland
Die Gefahr von folgenschweren Fehleinschätzungen ist riesig. Diejenigen, die glaubten, China und Russland ausreden zu können, aufeinander zu bauen, dürften, falls der Realitätsverlust noch nicht irreparabel geworden ist, den jüngste Putin-Besuch in China mit Entsetzen verfolgt haben: Diese Allianz hält. Sie weiß, was sie will. Die US-Hegemonie gehört nicht dazu. Und sie hat Ressourcen, nicht zu knapp. So war das westlich nie geplant gewesen, nicht wahr?
Blinken schloss aus der Rede von Putin vom 21. 2.2022, das ganze Nato-Gejammere der Russen sei nur ein Vorwand, es ginge in Wahrheit um die Zerschlagung der ukrainischen Staatlichkeit. Der ukrainische Außenminister Kuleba erklärte, die russische Absicht sei klar erkennbar die Vernichtung der Ukraine.
Putins Rede: eine Analyse
Allein, Putins Rede vom 21. Februar 2022 beinhaltete weder explizit noch implizit die Absicht, die Ukraine zu vernichten. Sie enthielt lange Elogen über die russische Wahrnehmung der Ukraine und noch längere Elogen darüber, dass die Ukraine unter westlicher Kontrolle stünde und zum Nato-Aufmarschgebiet gegen Russland werden könnte.
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Sie enthielt ebenfalls klare Aussagen, dass Russland (vergeblich) Hoffnungen auf das Minsk-II-Abkommen setzte. Putin erwähnte auch, dass die Ukraine kein Land hinter dem Mond ist, sondern über die Fähigkeiten verfügt, sich mit Atomwaffen auszustatten. Die Fundamente dafür stammten aus der Zeit der Sowjetunion. Wenn dazu noch technologische Hilfe aus dem Ausland käme, ginge es schneller. Doch wer liest schon nach, wenn berufene Münder kommentieren?
Verändernde Kriegsziele: die Perspektive Russlands
Mit fortschreitendem Krieg verändern sich auch Kriegsziele. Lawrow machte das im erwähnten Interview 2024 selbstbewusst deutlich: Wer aus der Ukraine zur "russischen Welt" gehören will, wird willkommen sein. Die Westukraine zählt nicht dazu. Noch sind die Schicksale von Odessa oder Charkiw, glaubt man Putin, nicht entschieden. Wer das kriegerisch auskämpfen will, beteiligt sich aktiv an der weiteren Amputation der Ukraine.
In gewisser Weise wiederholte Putin im Februar 2022 in Bezug auf die Nato nur, was er schon 2001 in einer Begegnung mit dem US-Präsidenten fragte und was immer unbeantwortet blieb: Warum rückt die Nato mit ihren militärischen Strukturen immer näher an unsere Grenzen?
Der US-Publizist Jonathan Rauch bezog sich darauf in einem Artikel im Atlantic und schlussfolgerte, das Dilemma ließe sich nicht mit Worten lösen, sondern allein durch die Nato-Inklusion Russlands.
Denn eine militärische Allianz ist kein Kaffeekränzchen, sondern funktioniert so, wie das der Bundesverteidigungsminister an der Johns Hopkins University erklärte, nach dem "Worst Case"-Verfahren. Nur das funktioniert spiegelbildlich auf der russischen Seite und inzwischen auf der russisch-chinesischen Seite auch.
Die Bedeutung von Desinformation im Ost-West-Konflikt
Was die politische Ost-West-Gemengelage extrem gefährlich macht, ist das Mantra, dass die Russen (Putin) lügen, wenn sie nur den Mund öffnen. Zudem sei Russland (auch China) ein Hort ständiger Desinformation, mit einer strategischen Absicht: den Westen zu spalten, zu schwächen, zu unterminieren.
Vernünftigerweise müsste man unter solchen Umständen, wären sie real, einfach nur weghören, wenn die russische Politik spricht. Lass sie reden, der Tag ist lang.
Aber das geht auch wieder nicht, denn gleichzeitig soll angeprangert werden, was russischen Mündern entfleucht – im Kampf gegen die russische Desinformation, im Bemühen um Meinungshoheit. Das führt regelrecht in den Irrsinn.
Ist nun Putin, trotz gegenteiliger Erklärungen, verhandlungsunwillig? Was besprachen im Frühling 2022 Scholz und Macron mit Putin, Bennet oder Selenskyj?
Die Gefahr von militärischem Engagement in der Ukraine
Wie soll man damit umgehen, wenn russische Stimmen drohen, Soldaten aus Nato-Staaten, die sich kämpfend in der Ukraine aufhalten sollten, allenfalls im Leichensack zurückzuschicken? Lügen die?
Was ist davon zu halten, wenn die russische Seite deutlich macht, dass Waffen auf russische Ziele, die vom Nato-Territorium aufsteigen sollten, zu nicht angekündigten militärischen Vergeltungsmaßnahmen gegen den betreffenden Staat führen würden?
Wahrheit oder Lüge? Erpressung oder Abschreckung im nuklearen Abschreckungsduell?
Die Idee, die jetzt einigen Bundesabgeordneten aus fast allen Parteien durchs Hirn spukt, man könnte anfliegende russische Raketen über der Ukraine vom Nato-Territorium aus abschießen, genauer gesagt von Rumänien und Polen aus, entstand im April 2024 in Polen.
Dann kam der deutsche Militärfachmann Nico Lange auf dieselbe Idee.
Denn schließlich hat die Nato militärische Möglichkeiten in Rumänien und Polen. Bis dato galten die US-Installationen angeblich der Abwehr einer Bedrohung durch den Iran. Die russischen Verdächtigungen, dass sich alles auch gen Osten umfunktionieren ließe, galten lange, wie könnte es anders sein, als "Hirngespinste", russische Paranoia. Rein geografisch kämen für solche "Unterstützungsmaßnahmen" auch die Slowakei und Ungarn infrage. Aber über die redet keiner. Liegt das nur daran, dass deren aktuelle Russland-Politik nicht auf Nato-Kurs ist?
Sollten F-16 der Nato von Nato-Boden starten, um für die Ukraine zu fliegen, denn wird Russland sie behandeln, als wären sie atomar bestückt. So lautete jedenfalls die russische Ankündigung. Und nun?
Sollten Raketen von Nato-Gebiet gegen russische Marschflugkörper abgefeuert werden, um über der Ukraine russische Angriffe zu vereiteln, würden diese Basen zum russischen Ziel. Militärische Entscheidungszentren ebenfalls. So jedenfalls hört man das aus Russland. Nach dem China-Besuch ließ Putin wissen, dass er nicht über russische Reaktionen spekuliere. Er werde auf der Basis von Realitäten handeln.
Möchten wir also jetzt abzählen, wie das früher mit Gänseblümchen gemacht wurde: Er tut es, er tut es nicht …?
Mit Sicherheit haben die neuen Schnapsideen, etwas mehr im Krieg mitzumischen, mit deutscher oder europäischer Sicherheit nichts tun, und mit dem Friedensgebot des Grundgesetzes ohnehin nicht. Sie demonstrieren lediglich, dass Krieg und Kriegsbereitschaft noch mehr Krieg gebären und militärisches Abenteurertum floriert.
Zugegeben, "forsche" Auftritte, markige Sprüche sind wie eine Handelsmarke und erhöhen den politischen Wiedererkennungswert. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Melnyk, beherrscht das Geschäft in dieser Hinsicht perfekt. Sie sind auch ein Gesundbrunnen für Medien. Immer neue Aufreger-Themen schaffen Nachrichten, Aufmerksamkeit und, wie könnte es anders sein, Einnahmen. Aber in der Welt eines Stellvertreterkriegs, der entarten kann, gibt es ebenfalls reale Auswirkungen, und die können unwiderruflich zerstörerisch sein, mit Strömen von Blut und Tränen. Die Reue darüber kommt immer zu spät.
Mel Gurtov, US-Politologe und ehemaliger RAND-Corporation-Mitarbeiter, erinnerte 2007 an die klassische Definition von Fanatismus, die auch auf falsch verstandene nationale Sicherheit zuträfe. Mit immer mehr Aufwand wird Schimären nachgejagt.
Ist es ein vernünftiges Ziel, der Welt unentwegt zeigen zu wollen, "wer der Boss ist"?
Aber, und das unterscheidet Victoria Nuland von den allermeisten Westeuropäern, und das muss man ihr neidlos lassen, sie ist eine höchst stringente Denkerin. Das teilt sie im Übrigen mit Putin und Xi, die erneut in Beijing zeigten, dass auch ihre Weltsicht kohärent ist. Sie ist allerdings diametral anders als die der Victoria Nuland.
Politisch muss deshalb gewählt werden, wie dieser große Konflikt gelöst wird: "Nur" im Stellvertreterkrieg und in europäischer Eiszeit, durch "heißen" Krieg, der, wenn er beginnt, ins Atomare führt, oder durch politische Verständigung. So wie ich das sehe, teilen die USA, Russland und China zumindest noch auf Führungsebene die Auffassung, dass es keinen direkten "heißen" Krieg geben soll. So lebensmüde ist unter den Dreien (noch) niemand. Darunter ist alles in jede Richtung offen.
Aber Politik ist, wie auch Nuland hervorhob, ein menschliches Geschäft. Personen spielen eine Rolle.
Ergo ist nichts, was Menschenwerk angeht, "idiotensicher".