Whose Black Lives Matter?

Seite 2: Ein Rückzug der Staatsgewalt nach BLM-Protesten führte zum Ansteigen der Mordrate

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Eine Bewegung, die unter dem Motto Black Lives Matter antritt, hätte sich strenggenommen mit aller Energie gegen die Gangs und ihre Umtriebe in den eigenen Communities zu stellen. Stattdessen fokussieren sie sich nahezu ausschließlich auf Verfehlungen der Polizei, die im Verhältnis für einen fast verschwindend geringen Anteil der schwarzen Todesopfer verantwortlich ist.

Der Chicagoer Polizeichef wies darauf hin, dass es nach BLM-Protesten zu einem rasanten Anstieg der Mordrate in den jeweiligen Städten käme, die er auf die Verunsicherung und das darauf erfolgende sinkende Engagement der Polizisten zurückführte. So wird auf praktische Weise eine der Forderungen der BLM-Bewegung, nämlich der Rückzug der Staatsgewalt, erfüllt und offenbart sogleich die barbarische Konsequenz. Das durchschnittliche Ansteigen der Mordrate um zirka 17% hat mittlerweile den Namen Ferguson Effect erhalten.

Sicher: Racial Profiling ist ein Unding. Ebenso ein Unding ist jedoch vor allem die Notwendigkeit, welche zu solchen Praktiken führt, und die sich nicht einfach wegleugnen lässt. Im laufenden Jahr 2016 wurden bereits 31 Polizisten durch Schusswaffen getötet.

Zusammenhang von Polizeigewalt und Anti-Polizei-Gewalt

Auch hier wäre konsequenterweise zu ergründen, wie hoch denn deren Gesamtanteil an der Bevölkerung ist. Es dürfte sich dabei ein sehr gehöriges Missverhältnis zeigen. Aus diesem Bewusstsein auf Polizeiseite gibt es seit Langem ein recht rigoroses Auftreten der US-amerikanischen Polizeibeamten, das sich wahrlich nicht nur gegen Schwarze richtet, sondern für bundesdeutsche Maßstäbe allgemein recht ungewohnt erscheint. Deshalb findet sich in fast jedem Reiseführer für die USA ein Extrakapitel, das auf die Besonderheiten von beispielsweise Verkehrskontrollen hinweist, da diese sonst schnell etwas "ungemütlich" enden können.

Es wäre also der Zusammenhang von Polizeigewalt und Anti-Polizei-Gewalt zu ergründen. Auch hier sprechen Statistiken eine recht deutliche Sprache: "Schwarze töten eher Polizisten, als von Polizisten getötet zu werden. Nach FBI-Angaben sind 40 Prozent der Polizistenmörder Schwarze. So wird ein Polizeibeamter 18,5 mal eher von einem Schwarzen getötet, als das ein Polizist einen unbewaffneten Schwarzen tötet."

Selbstverständlich hat dies Konsequenzen für die praktische Polizeiarbeit. Eine neue Studie stellte nun fest, dass Schwarze zwar sehr wohl einem härteren Umgang vonseiten der Polizei unterliegen (Handschellen, auf den Boden legen, an die Wand drücken u.Ä.), dass aber gerade in Bezug auf tödliche Schüsse keinerlei rassistische Auffälligkeiten zu vermerken seien.

Der scheinbar tief sitzende Rassismus insbesondere aufseiten weißer Polizeibeamter wurde von einer anderen Untersuchung widerlegt, die 2015 vom Department of Justice im Philadelphia Police Department durchgeführt wurde. Hierzu heißt es, "dass schwarze und hispanische Polizeibeamte eher auf Schwarze schießen als weiße Beamte."

Gestützt wird diese These durch eine Studie eines Kriminalisten der Universität Pennsylvania aus demselben Jahr. Demnach würden schwarze Polizisten mit einer mehr als dreifach höheren Wahrscheinlichkeit an einem Tatort die Schusswaffe aktiv einsetzen als andere Polizeibeamte. Es wird schnell vergessen, dass die von Polizisten Erschossenen in der großen Mehrzahl bewaffnet waren, und über die Hälfte vorher das Feuer auf Polizisten eröffnete, worauf hier bei Telepolis schon hingewiesen wurde (vgl. USA: 491 Menschen wurden 2016 bereits von Polizisten getötet). Der Polizeialltag wird nicht in solch persönlicher, dramatischer und emotionaler Form dargestellt.

Die aktivistischen Statistikübungen müssten jedem Erstsemesterstudenten der Soziologie die Haare zu Berge stehen lassen

Kein Artikel kann all diese Zahlen und Fakten in einen durchweg konsistenten Zusammenhang bringen, dafür braucht es einen etwas sehr viel größeren Umfang der Diskussion, aber die aktivistischen Statistikübungen müssten jedem Erstsemesterstudenten der Soziologie die Haare zu Berge stehen lassen. Ganz allgemein wies darauf auch Adolf Gallwitz, deutscher Polizeipsychologe und Profiler an der Polizeihochschule Villingen-Schwennigen, hin. Er antwortete auf die Frage nach einem vermeintlichen Rassismus der US-amerikanischen Polizeibehörden:

Man muss natürlich auch schauen, wie groß die Beteiligung an Straftaten ist oder die Auffälligkeit gegenüber der Polizei. Dann muss man schauen, ob es wirklich so ist, dass Menschen, die auffällig werden je nach Hautfarbe unterschiedlich behandelt werden. (…) Wenn eine Gruppe davon häufiger auffällig ist oder unter dem Verdacht steht, häufiger Straftaten zu begehen, dann ist klar, dass diese Gruppe auch mehr Polizeikontakte hat. (…) Aber ich wehre mich dagegen, nur nach den Verletzungen zu urteilen - und nicht auch nach dem Tatverdachtsaufkommen.

Deroy Murdock kritisierte die BLM-Proteste in aller Schärfe: "Die Vorstellung, dass Amerikas Polizisten einfach unschuldige Schwarze niederschießen, ist eine der größten und tödlichsten Lügen heutzutage."

Selbst wenn man nur davon ausgeht, dass es sich hier um ein Ei-Huhn-Problem oder einen Teufelskreis handelt - was die Autorin nicht tut-, müsste die BLM-Bewegung zumindest im gleichen Maße ein Abrüsten der Gangs fordern. Wenigstens darauf wäre sie ihrem eigenen Motto folgend zu verpflichten. New York beispielsweise versucht eben diese Abrüstung zu erreichen, indem es illegale Waffen von Gangmitgliedern, denen Straffreiheit für diese Transaktion gewährt wird, zurückkauft - der Erfolg ist bisher als höchstens mäßig zu betrachten.

Von aktivistischer Seite hingegen gibt es kaum bis gar keine Proteste gegen Gangstrukturen und -gewalt, wie in Deutschland, wo es die angeblich "radikale" Linke nicht vermag, sich gegen kriminelle Clans zu stellen, die eigentlich alles verkörpern, was ihnen zuwider sein müsste. Dass es hingegen durchaus möglich ist, gegen organisierte Kriminalität und Gangs anzugehen, zeigen die italienischen Anti-Schutzgeld und Mafia-Proteste.

Der selbst afroamerikanische Footballspieler Richard Sherman verknüpfte seine Kritik der Black Lives Matter-Bewegung mit einer persönlichen Erfahrung, die als recht repräsentant zu betrachten ist:

Mein bester Freund wurde ermordet, und zwar von zwei 35-jährigen, schwarzen Männern. Es war kein Polizist involviert, es war überhaupt niemand anderes involviert, und damals habe ich niemanden gehört, der 'black lives matter' gerufen hätte.

Statt solche Sätze endlich ernst zu nehmen, wird mittlerweile nach dem Vorbild des Arabischen Frühlings gar vom Black Spring gesprochen - ohne zu bemerken, dass dieser, wenn man mal in dieser Metaphorik verbleibt, auch nur ein weiterer arabischer Herbst war.