Wie Deutschland China beim Industrieaufbau unfreiwillig half – und jetzt abgehängt wird

Yuan und Euro

China lernte von Deutschland, um seine Industrie zu modernisieren. Nun überholt es uns etlichen Bereichen. Doch wie konnte das passieren?

Chinesische Hersteller sind ebenso wie die chinesische Verwaltung in Deutschland in die Schule gegangen, weil man zu Beginn der chinesischen Industrialisierung ein gewaltiges Defizit in aktueller Wirtschaftsweise und Verwaltung hatte. Man hat dann jedoch vor allem im Bereich der Gesetzgebung viel weniger übernommen, als es die deutsche Entwicklungshilfe erhofft hatte.

Dafür orientiert sich China inzwischen am deutschen dualen Ausbildungssystem und zieht damit die Konsequenzen aus dem Ende seiner Rolle als billige Werkbank der Welt.

Für die Prüfung der Auszubildenden greift man in diesem Zusammenhang konsequenterweise gerne auf entsprechendes Fachpersonal aus Deutschland zurück, die ihren chinesischen Schülern nichts ersparen.

Man hat in China nicht nur gelernt, was man tun sollte, sondern auch, was man besser nicht tun sollte und setzt das Gelernte konsequent um. Da man auf eine vergleichsweise junge industrielle Entwicklung zurückblickt, muss man sich in China nicht mit traditionsreichen verkrusteten industriellen Strukturen herumplagen.

Und manches Mal kam dem Reich der Mitte auch der glückliche Zufall zu Hilfe und ein Chinese, der seine Chance nutzt, wenn sie sich ihm bietet, wie die Geschichte von Wenpo Lee zeigt, der einst aus China über Taiwan nach Deutschland geflohen war und mit seinem Herkunftsland abgeschlossen hatte.

Bis im Jahr 1978 der chinesische Maschinenbauminister samt Delegation unangekündigt vor den Toren des VW-Werks in Wolfsburg auftauchte und Lee, damals als Ingenieur bei VW unter Vertrag, als Übersetzer einspringen musste. Wenpo Lee stieg in der Folge vom übersetzenden Ingenieur zum VW-Manager auf. Die Geschichte ist im Buch "China, mein Vater und ich" seines Sohnes Felix Lee beschrieben.

China investiert gezielt in Zukunftstechnologien

Dass China vor allem Hersteller grüner Technologien massiv subventioniert und dabei die Gelder oftmals sehr gezielt einsetzt, um damit Schlüsseltechnologien zur Marktreife zu bringen, hat man inzwischen auch in der EU erkannt.

China fördert dabei gezielt nicht nur bis zu Marktreife, sondern bis zur erfolgreichen Etablierung von Entwicklungen am Markt. Eine Innovation ist erst dann eine solche, wenn sie sich erfolgreich vermarkten lässt. Alles unterhalb dieser Schwelle ist keine Innovation, sondern lediglich eine Idee.

Aber statt sich das chinesische Vorgehen zum Vorbild zu nehmen, tendiert man hierzulande dazu, die chinesische Politik als unfair zu bekämpfen. Die hiesigen Strukturen sind so gut vernetzt, dass es überhaupt keinen Sinn zu machen scheint, von der bisherigen Linie bei der Industrieförderung abzuweichen.

Wie verwegen der Vorwurf der EU an China ist, dass man etwa Elektroautos zu Dumpingpreisen auf den europäischen Markt werfe, sieht man deutlich an der Tatsache, dass E-Mobile aus China in Europa etwa doppelt so teuer sind wie in ihrem Heimatland.

Und dennoch will man chinesische Fahrzeuge in der EU mit höheren Zöllen belegen. Es wäre kaum verwunderlich, wenn China den Spieß umdreht und die Verbrenner-getrieben Luxusfahrzeuge aus deutscher Produktion mit vergleichbaren Einfuhrzöllen belegen würde.

Der Rahmen für die EU-Industrieförderung ist deutlich enger

Während die chinesische Industrieförderung die Zukunft der Industrie fördern will, fördert man hierzulande die Vergangenheit und wundert sich, warum das nicht funktioniert.

In der Mitteilung der Kommission zum Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation (2014/C 198/01) aus dem Jahre 2014 steht schon unmissverständlich:

Um zu verhindern, dass staatliche Zuwendungen den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinträchtigen, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, sind staatliche Beihilfen nach Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ... im Grundsatz verboten. In bestimmten Fällen können staatliche Beihilfen jedoch auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 2 oder Absatz 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sein.

Damit wird in der EU-Förderkulisse die gezielte Förderung des wirtschaftlichen Erfolgs im Interesse politischer Ziele grundsätzlich untersagt. Das geht in der Praxis so weit, dass Förderanträge gezielt so formuliert werden, dass das dort postulierte Ziel nicht erreicht werden kann. Sonst könnte die Gefahr bestehen, dass man aus dem wirtschaftlichen Erfolg einen Teil der Fördermittel zurückzahlen müsste.

Mit dem Projekt könnte man aber letztlich bei einem im Antrag nicht genannten Ziel einer Vermarktung mithilfe der Fördermittel signifikant näher gekommen sein, was nicht dokumentiert werden müsste.

Nicht selten wurden diese Nebenergebnisse dann zur Umsetzung beispielsweise an asiatische Unternehmen zur wirtschaftlichen Auswertung verkauft. Die dort in der Folge realisierten wirtschaftlichen Erfolge, wurden in Deutschland dann auch nicht mehr nachvollzogen.

Typische Beispiele für die Vermarktung deutscher Entwicklungen im Ausland waren etwa die japanische Realisierung der in Deutschland entwickelten Faxgeräte oder die Vermarktung der in Deutschland entwickelten Technik der MP3-Player. Für beide ist Deutschland nicht einmal die Ehre geblieben und den wirtschaftlichen Erfolg haben in der Hauptsache andere eingestrichen.

In beiden Fällen war die Bedeutung der Produkte eher marginal. Im Falle der Automobilindustrie ist die Verlagerung der industriellen Entwicklung nach Fernost jedoch schmerzhaft. Daher ist es kein Wunder, wenn man China jetzt mit ernsthaften Konsequenzen drohen will, sich damit jedoch selbst ins Knie schießt.