Wie Deutschland bei PISA auf Platz 1 kommen könnte
Oder schafft das Messinstrument endlich ab
Gerade wurden die Ergebnisse der PISA-Studie von 2018 veröffentlicht. Alle drei Jahre wieder rauscht es im Blätterwald und kommentieren Politiker aller Couleur die neuesten Daten. Insoweit im Westen nichts Neues.
Im Folgenden will ich einen zweifachen Versuch wagen: Erst werde ich innerhalb des bestehenden Systems einige Vorschläge machen, wie Deutschland auf einen der Spitzenplätze oder sogar auf den ersten Platz kommen könnte. Danach werde ich aber dafür plädieren, das ganze System abzuschaffen und die freigewordenen Ressourcen zum Nutzen der Betroffenen (also vor allem der Schülerinnen und Schüler sowie des Lehrpersonals) schlicht in bessere Bildung zu investieren.
Rufen wir uns aber erst noch einmal in Erinnerung, dass für PISA die drei Kategorien Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaft untersucht werden. (Darüber gab es keinen demokratischen, nicht einmal einen wissenschaftlichen Abstimmungsprozess, sondern das ist schlicht von der OECD, also einer Wirtschaftsorganisation, so festgelegt.)
2018 lag der Schwerpunkt beim Lesen. Gemäß diesem Kriterium landet Deutschland auf Platz 20 von 79 Ländern. Insgesamt liegen die Ergebnisse knapp über dem OECD-Durchschnitt. Das kommentierte die Bundesbildungsministerin mit der Bemerkung, Mittelmaß sei nicht das Ziel. Was könnte man also tun?
Deutschlands verborgener Goldschatz
Deutschland ist (formal) ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat und (wirtschaftlich) eines der reichsten Länder der Welt. Absolutes Schlusslicht ist das Land aber dabei, wie stark der soziale Hintergrund die Leistung von Schulkindern beeinflusst: Auf einem ähnlich schlechten Niveau befinden sich fast nur Argentinien und Peru (in Westeuropa aber auch Belgien, Frankreich und die Schweiz).
Zur "sozioökonomischen Chancengerechtigkeit", wie es die OECD in Fachsprache nennt, heißt es etwa in der Ländernotiz für Deutschland: "In Deutschland erzielten die Schülerinnen und Schüler mit günstigem sozioökonomischem Hintergrund beim PISA-Lesekompetenztest 2018 im Schnitt 113 Punkte mehr als die sozioökonomisch benach- teiligten Schüler." Die Kinder aus ärmeren Haushalten schneiden im Schnitt also sehr viel schlechter ab als die aus wohlhabenderen Familien.
Die OECD listet die Ergebnisse im Bereich von 300 bis 600 Punkten. Ein Unterschied von 113 Punkten wie hier zwischen wohlhabend und arm entspricht auf der Rangliste in etwa dem Unterschied bei der Lesekompetenz zwischen Deutschland (498 Punkte) und Indonesien (371), dem sechstletzten Land. Mit anderen Worten: Er ist riesig und seit 2009 auch um fast 10% gestiegen.
Von den sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern schaffen es nur etwa 10% in das obere Leistungsviertel. Rund neun von zehn der Top-Performer stammen also aus dem wohlhabenderen Umfeld. Diese Unterschiede sind im PISA-Vergleich in kaum einem anderen Land so extrem wie in Deutschland.
Dieses Muster spiegelt sich auch in den Zukunftsvorstellungen der Schulkinder wieder: Von den Spitzenleistern aus einem wohlhabenden Umfeld sehen sich drei Viertel in der Zukunft in einem Hochschulstudium. Bei denjenigen aus ärmeren Familien ist es gerade einmal ein Drittel. Natürlich kann man nicht nur mit einem Studium Karriere machen. Aber es stellt sehr oft die Weichen.
Tatsächlich bestätigen die Sozialerhebungen der Studienwerke seit vielen Jahrzehnten dieses Muster: An den Hochschulen finden sich vor allem Kinder aus dem höheren Bildungsmilieu. Schaut man etwa auf den Doktorgrad, den höchsten akademischen Abschluss, dann schafft diesen nur eines von 100 Kindern aus Nicht-Akademiker-Familien. (Der Autor dieses Textes ist so eine seltene Ausnahme.) In Akademiker-Familien sind es zehnmal so viele.
In der OECD-Studie kommen zudem erhebliche Mängel bei der Ausstattung der Schulen ans Tageslicht. Dabei betreffen die Probleme - wer hätte es gedacht - wiederum vor allem Schulkinder aus einem ärmeren Umfeld. So heißt es in der Ländernotiz wörtlich:
In Deutschland berichten die Schulleitungen über größere Personal- und Ausstattungsmängel als im OECD-Durchschnitt, und sozioökonomisch benachteiligte Schulen sind offenbar häufiger mit Personalmangel konfrontiert als sozioökonomisch begünstigte Schulen. In Deutschland sind 70% der Schülerinnen und Schüler in benachteiligten Schulen laut Angaben der Schulleitungen zumindest bis zu einem gewissen Grad von Unterrichtsbeeinträchtigungen durch Lehrkräftemangel betroffen. Unter den Schülerinnen und Schülern begünstigter Schulen gilt dies nur für 34%. Im OECD-Durchschnitt belaufen sich die entsprechenden Anteile auf 34% bzw. 18%.
PISA-Ländernotiz für Deutschland
Das ist insgesamt nicht nur für die "Wohlstandsnation" Deutschland sehr bitter. Sondern vor allem eine bittere Pille für die ehemalige Arbeiter- und Volkspartei SPD mit ihrem Kredo "Aufstieg durch Bildung", die immerhin seit 1998 fast ununterbrochen auf Bundesebene mitregiert. Nun sind die Schulen freilich Sache der Länder - aber auch in mehr als der Hälfte der Bundesländer war und ist die SPD an der Regierung beteiligt.
Interessant ist der Vergleich mit der Pressemitteilung der Technischen Universität München (TUM), wo die Professorin Kristina Reiss zu Bildungsvergleichsstudien forscht. Sie leitet auch die PISA-Studie in Deutschland. (Laut Selbstdarstellung beträgt die Frauenquote dort übrigens 91%.) Von dort heißt es zu den Unterschieden im Zusammenhang mit der sozialen Herkunft lapidar:
In Deutschland ist der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Jugendlichen und ihrer Lesekompetenz besonders stark ausgeprägt. Das heißt, dass 15-Jährige aus Familien mit niedrigem Bildungs- und Wohlstandsniveau häufiger eine geringe Lesefähigkeit haben.
TUM-Pressemitteilung vom 3.12.2019
Zusammenfassend lässt sich sagen: Kinder aus benachteiligten Familien sind - jedenfalls aus Sicht der PISA-Studie - der verborgene Goldschatz Deutschlands. Damit das Land in Zukunft besser abschneidet, müsste hier umgehend eingegriffen werden. Das ist der deutlichste Unterschied, an dem sich etwas ändern lässt. Andere Länder schaffen das auch.
Zusätzlich könnte man Kinder mit Migrationshintergrund fördern, die insbesondere bei der Lesekompetenz schlechter abschneiden. Auf demselben Gebiet liegen auch Jungen gegenüber den Mädchen weit zurück. Umgekehrt liegen Mädchen verglichen mit den Jungen in Mathematik (leicht) zurück.
Bei den Naturwissenschaften gibt es keine nennenswerten Unterschiede mehr zwischen den Geschlechtern. Dass sich die Leistungen von Mädchen und Jungen in Mathematik und Naturwissenschaften gegenüber früheren Erhebungen angeglichen haben, liegt laut der PISA-Studie aber an der (leicht) abnehmenden Leistung der Jungen. Das ist wohl kaum ein Grund zum Feiern.
Mal ein konkretes Beispiel: Würde Deutschland aufgrund der Förderung der Schlusslichter in den Schulen insgesamt nur um zehn Punkte zulegen - wir erinnern uns, dass der Unterschied zwischen arm und wohlhabend mit 113 Punkten enorm war -, dann wäre es 2018 ganze neun Plätze höher auf dem 11. Platz gelandet und damit vor, unter anderem, Dänemark, Japan, Schweden, den USA oder dem Vereinigten Königreich.
Oder das Messinstrument einfach abschaffen
Was Deutschland tun könnte, um bei PISA besser abzuschneiden, habe ich gerade dargelegt. Doch warum schafft man PISA nicht endlich wieder ab? Seit dem "PISA-Schock" von 2000 hat es die Schulleitungen, das Lehrpersonal und viele Schülerinnen und Schüler vor allem gestresst. Das ist ein allgemeiner Effekt solcher Standardisierungsmaßnahmen.
Gegen das Messinstrument kann viel gesagt werden. Hier nur ein paar Einwände in aller Kürze: Es ist nicht demokratisch legitimiert. Die Reduktion der Schulleistung auf Lesekompetenz (das ist auch eher Informationsgewinnung als Verständnis im tieferen Sinne), Mathematik und Naturwissenschaften ist willkürlich und bedeutet das Ende des humanistischen Bildungsideals.
Außerdem ist das Auswahlverfahren anfällig für Schummeleien. Und auch fast zwanzig Jahre nach der Einführung von PISA haben führende Journalisten und Politiker immer noch nicht verstanden, wie sie mit den Zahlen umgehen sollen. Die letzten beiden Punkte erkläre ich im Folgenden.
Wie könnte ein Land nun sein Abschneiden bei PISA künstlich beeinflussen? Natürlich wissen wir aus Jahrzehnten sportlicher Wettkämpfe, dass ein Land niemals Schummeleien begünstigen oder sogar fordern würde. Da bei den PISA-Tests die Leistung der Schülerinnen und Schüler erhoben wird, könnte man aber schlicht benachteiligte Schulen oder Gruppen vom Test fernhalten.
Wie das in der Praxis aussehen könnte, erklärte Professor Heiner Barz, Bildungsforscher an der Universität Düsseldorf, im Interview mit der Tagesschau:
In anderen Ländern kann es vorkommen, dass am Tag der PISA-Erhebungen den schlechteren Schülern vielleicht nahegelegt wird, sich krank zu melden. In Deutschland nimmt man auch die Repräsentanz von Schülern aus allen verschiedenen Schulformen sehr ernst, bezieht also nicht nur Gymnasiasten und Gesamtschüler ein, sondern auch Realschüler, Hauptschüler, Sonder- und Förderschüler. Das tun andere Länder nicht immer in der gleichen Weise.
Heiner Barz
Nun nehmen die chinesischen Provinzen beziehungsweise Städte Peking, Shanghai, Jiangsu und Zhejiang, Singapur, Macau und Hongkong die vier Spitzenplätze ein. Diese sind, vorsichtig gesagt, nicht gerade für die Inklusion schwächerer Schülerinnen und Schüler bekannt.
Das Instrument misst also vielleicht gar nicht so sehr den Durchschnitt der Schülerinnen und Schüler in diesen Regionen, sondern schlicht das Abschneiden der Besseren nach einer Vorauswahl. Welcher Schüler würde nicht gerne einmal einen Tag schwänzen, um damit seinem Land etwas Gutes zu tun?
Neben Tricksereien bei der Auswahl gibt es bei solchen Messinstrumenten (zum Beispiel auch bei IQ-Tests) das Problem, dass sie nach dem Erscheinen das, was gemessen wird, beeinflussen. Das ist eben typisch für die Lebens- und insbesondere Humanwissenschaften, dass Menschen auf solche Messungen reagieren und damit das Gemessene verändern. Der Wissenschaftsphilosoph Ian Hacking nannte dies schon vor vielen Jahren den "Looping-Effekt".
Nehmen wir also einmal an, die Auswahl der OECD für die PISA-Studien, nämlich Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften, wäre sinnvoll zur Beurteilung der Bildungsqualität gewesen. Wenn nun das Abschneiden im PISA-Vergleich bildungspolitisches Ziel wird, wie es ja leider in vielen Ländern eingetroffen ist, dann entsteht eben Druck auf Schulleitungen, das Lehrpersonal und in letzter Konsequenz die Schülerinnen und Schüler, sich auf die drei geprüften Gebiete zu konzentrieren.
Damit ändert sich der Schulunterricht und misst PISA-2018 etwas Anderes als PISA-2000, nämlich mitunter den Anpassungserfolg eines Landes an die OECD-Vorgaben. Auch dann überrascht es nicht, dass sich unter den besten Ländern auf der PISA-Rangliste wenige liberale, demokratische und für Deutschland auch relevant: föderale Staaten finden.
Vergleichen wir einmal die besten zehn Nationen laut PISA mit den besten zehn des menschlichen Entwicklungsindex (HDI) der Vereinten Nationen. Für diesen sind unter anderem auch die Lebenserwartung, die Unterrichts- beziehungsweise Ausbildungsjahre und das Pro-Kopf-Einkommen relevant:
Unter den ersten Zehn gibt es gerade einmal drei Übereinstimmungen. Damit will ich nur sagen, dass PISA nicht unbedingt das widerspiegelt, was ein Land aus Sicht des HDI besonders lebenswert macht. Tatsächlich landet der PISA-Anführer China im HDI weit abgeschlagen auf Platz 86.
Das liegt daran, dass Menschen dort im Mittel nicht einmal acht Jahre Unterricht bekommen. In Deutschland sind es mit knapp über 14 fast doppelt so viele. Zudem sind Lebenserwartung und Pro-Kopf-Einkommen in China deutlich niedriger.
Ein anderer interessanter Vergleich ergibt sich, wenn man zwei Messinstrumente aus dem Hause OECD nebeneinanderlegt: Neben PISA bezieht sich nämlich auch der OECD Better Life Index (BLI) auf das Bildungssystem eines Landes. Dort kann der Webseitenbesucher sich sogar seinen eigenen Index zusammenstellen. Wenn man dessen Priorität allein auf Bildung legt ("nach Platzierung" sortieren), ergibt sich folgendes Bild (jetzt nur für die OECD-Länder):
Wieder gibt es nur wenige Übereinstimmungen unter den ersten zehn Ländern. Australien, Nummer 1 laut BLI, kommt bei PISA-2018 erst auf dem 12. Platz. Umgekehrt ist PISA-Anführer Estland im BLI auf Platz 19. Deutschlands Nachbar Polen, bei PISA immerhin auf Platz 6, ist beim BLI erst auf Platz 24. Wenn man die Übereinstimmung auf beiden Listen zusammennimmt, dann hätten Finnland, Kanada, Schweden und die USA die besten Bildungssysteme unter den OECD-Ländern.
Meine Gedanken hier sind natürlich pragmatischer Natur. Aber weder PISA noch BLI messen "die Wahrheit". Der springende Punkt ist, dass sogar verschiedene Instrumente der OECD selbst zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Das zieht deren Gültigkeit in Zweifel. Damit scheint es sogar gefährlich, die Bildungspolitik an solchen Ranglisten auszurichten. Sollen wir schlicht das System wählen, über das in den Medien am meisten kommuniziert wird? So scheint es jedenfalls.
Daher will ich noch auf einen Aspekt dieser Kommunikation eingehen. Die ARD beziehungsweise Tagesschau stellte den Verlauf Deutschlands in den PISA-Studien der letzten Jahre wie folgt dar:
Man sieht die Werte also um die Marke 500 herumschlingern. Nun suggeriert der hier verwendete Maßstab große Veränderungen, beispielsweise für die Lesekompetenz, nämlich von 591 Punkten 2015 auf 483 2018. Das wäre ein Abfall um satte 108 Punkte und entspräche wieder in etwa dem Unterschied zwischen Deutschland und Indonesien. (Bei den ärmeren gegenüber den wohlhabenderen Kindern hatten wir es mit 113 Punkten Unterschied zu tun.)
Tatsächlich fiel die gemessene Lesekompetenz bei den deutschen Schülerinnen und Schülern aber gerade einmal von 509 auf 498, also um schlichte 11 Punkte. Wir sehen, dass diese Darstellung in den Medien die Unterschiede um den Faktor zehn übertreibt. Schaut man sich dieselben Daten in der Skala von 300 bis 600 an, die die OECD in ihrem Ranking selbst wählt, dann erweckt die Grafik einen ganz anderen Eindruck:
So sehen die Veränderungen überhaupt nicht mehr dramatisch aus und es zeichnet sich allenfalls ein erst leicht positiver und jetzt leicht negativer Trend ab. Auf einer Skala von 0 bis 600 schließlich sind so gut wie gar keine Änderungen mehr sichtbar (auf die Darstellung hier verzichte ich).
Je nach Auswahl erscheinen die Unterschiede zwischen den Jahren also mal dramatisch, mal nebensächlich. Ich will hier jetzt keine Absicht bei den Journalisten unterstellen. Unsorgfältig ist dieser Umgang mit den PISA-Daten, die, wie wir wissen, sofort von der Bildungspolitik aufgegriffen werden, aber allemal.
Eine Frage der Interpretation
Die ganze Diskussion erhält noch einmal eine andere Note, wenn man sich die Pressemitteilung der TUM, die ich oben schon einmal erwähnte, genau durchliest. Wie erwähnt hat die dortige Professorin Kristina Reiss die wissenschaftliche Projektleitung von PISA-Deutschland inne. Laut der Pressemitteilung ist nun das Ergebnis von PISA-2018:
15-jährige Schülerinnen und Schüler in Deutschland können gut Texte verstehen, nutzen und bewerten. In der neuen PISA-Studie übertreffen sie mit ihren Lesefähigkeiten den Durchschnitt der Jugendlichen in den OECD-Staaten. Auch in Mathematik und Naturwissenschaften erreichen die deutschen Ergebnisse ein gutes Niveau. Allerdings ist an den nicht gymnasialen Schulen in allen Kompetenzbereichen der Anteil der Jugendlichen mit sehr geringen Fähigkeiten größer geworden.
TUM-Pressemitteilung vom 3.12.2019
Das hört sich auf einmal sehr positiv an. Entscheidend ist, dass hier das Abschneiden der Schulkinder nicht mit dem Vorjahr verglichen wird (509 Punkte), sondern mit dem OECD-Durchschnitt (487 Punkte), über dem Deutschland liegt.
Wählte man stattdessen die vier chinesischen Orte, die die Liste anführen (555 Punkte), dann könnte man vielleicht argumentieren, wie schlecht es um die Lesekompetenz des deutschen Nachwuchses bestimmt ist. Für Mathematik und den Naturwissenschaften sähe es dann übrigens noch viel schwärzer aus.
Dadurch erscheint doch sehr willkürlich, wie man die Daten interpretiert. Kritiker würden hier vielleicht sogar "Framing" vermuten, also interessengeleitete Interpretationen. Das Hauptproblem ist, dass die Zahlen in diesen Beschreibungen keine absolute Bedeutung haben, sondern immer nur im Vergleich zu anderen Messwerten. Hier machen es sich die PISA-Akteure schlicht sehr einfach - mit der Konsequenz, dass das einen endlosen Wettlauf um immer mehr Punkte befördert.
Zusammenfassung
Ich habe hier Maßnahmen erklärt, mit denen es Deutschland in zukünftigen PISA-Studien auf eine Spitzenposition schaffen könnte, vielleicht sogar auf Platz 1. Konkret ging es um:
- Förderung von Schülerinnen und Schülern aus ärmeren Familien;
- Förderung von Schulen in Gebieten, in denen vor allem ärmere Kinder wohnen;
- Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund, insbesondere beim Lesen;
- Förderung von Jungen beim Lesen.
Dies nannte ich den "verborgenen Goldschatz Deutschlands", jedenfalls im Bildungssystem. Wichtig ist, dass diese Liste nicht ideologisch bedingt ist, sondern sich schlicht aus den PISA-Daten ergibt: Hier hat Deutschland die größten Defizite und damit auch das größte Potenzial zum Wachstum.
Ergänzend sollte man aber wieder Grundsatzfragen stellen, nämlich wem (außer der OECD und ein paar angepassten Bildungsforschern) die PISA-Studien überhaupt nutzen. Vordergründung geht es um die Leistungen der Schulkinder. Bei näherer Betrachtung scheint es aber doch eher ein Spiel für die Medien und Bildungspolitik zu sein - wobei diese Akteure die Spielregeln allem Anschein nach noch nicht einmal selbst beherrschen.
Da die PISA-Daten nicht sehr aussagekräftig sind, auch nach bald 20 Jahren zu Missverständnissen führen, stark von Interpretationen abhängig sind und sogar anfällig für Schummeleien sind, zieht man aber am besten gleich den Stecker: PISA, das war's! Mit den Ressourcen, die dadurch frei werden, könnte man gleich einige der Punkte aus meiner Liste angehen.
Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.