Wie Emil und Veit einmal einen unpolitischen Film drehen wollten
Seite 5: Deutsche und Juden
Im Juni 1932 (!) nahm der preußische Landtag einen Antrag der NSDAP-Fraktion an, an den Staatstheatern "Verträge mit nichtreichsdeutschen oder nichtdeutschstämmigen Bühnenkünstlern zu kündigen und nicht zu erneuern". Im Herbst 1932 rollte die erste Entlassungswelle an. Nicht, weil sie im ehemaligen Österreich-Ungarn geboren war, sondern weil jetzt zwischen Deutschen und Juden unterschieden wurde, flog die große Schauspielerin Elisabeth Bergner, eine Jüdin, beim Staatstheater raus. Die Geschichte von der Kunst als Rückzugsort vor der Politik der Nazis ist ein Märchen. Wenn man den Apologeten folgt suchten Harlan und Jannings die künstlerische Herausforderung, um sich schließlich schicksalshaft in die Machenschaften des Dr. Goebbels zu verstricken und dann zu Jud Süß (Harlan) und Ohm Krüger (Jannings) gezwungen zu werden. Theatermänner wie sie mussten nicht bis zu im Krieg gedrehten Hetzfilmen, zu den Krieg vorbereitenden Propagandafilmen wie Der Herrscher, mussten nicht einmal bis zur "Machtergreifung" warten, um zu wissen, mit wem sie es zu tun hatten.
Am 7. April 1933 verabschiedete die neue Reichsregierung das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums". Klingt harmlos, war es aber nicht. Das Gesetz war der Hebel zur Gleichschaltung des öffentlichen Dienstes. Der "Arierparagraph" (§ 3) regelte, dass "Beamte nicht arischer Abstammung" zu entlassen oder in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen waren. "Nicht arisch" war man schon, wenn man eine Oma oder einen Opa jüdischen Glaubens hatte. Die Nazis sorgten dafür, dass die Bestimmungen nicht nur auf Beamte angewendet wurden, sondern generell auf Berufe "mit öffentlich-rechtlicher oder öffentlicher Wirksamkeit". Für jüdische Bühnenkünstler bedeutete das, dass sie ihre Engagements verloren und Stück für Stück hinausgedrängt wurden. Erst verschwanden sie von den öffentlich subventionierten Bühnen, dann aus den Privattheatern, so ging die Ausgrenzung immer weiter. Die im Artikel von "Titan" genannte Eleonora von Mendelssohn und ihr Bruder Francesco waren getauft, warteten jedoch nicht erst ab, bis sie durch die Nürnberger Rassegesetze von 1935 zu "Mischlingen 2. Grades" erklärt wurden.
In Reinhardts Inszenierung von Vor Sonnenuntergang spielte Eleonora die Bettina Clausen, eine der beiden Töchter. Bereits im Februar 1933 verließ sie Berlin, weil sie nicht auf der Bühne beklatscht werden wollte, während Deutsche jüdischer Abstammung auf der Straße oder in ihren Geschäften gedemütigt und terrorisiert wurden. Thomas Blubacher zitiert sie mit diesem Satz: "Man kann nicht Mendelssohn heißen und sich nicht auf die jüdische Seite stellen, wenn die Juden in Gefahr sind." Irgendwie frage ich mich schon, was passiert wäre, wenn das auch eine große Zahl von Menschen ohne jüdischen Namen so empfunden und artikuliert hätte. Was wäre gewesen, wenn in Berlin Zehntausende mit "Ich bin Jude"-Plakaten auf die Straße gegangen wären, oder auch mit "Ich bin Kommunist"-Spruchbändern? Eleonora jedenfalls, die Tochter einer Sängerin und eines Bankiers, ging zuerst nach Oberösterreich, wo sie und ihr damaliger Mann ein Schloss am Attersee besaßen, verkaufte 1934 einen El Greco aus ihrer Gemäldesammlung, um Max Reinhardts Europatournee zu finanzieren und verlegte dann ihren Lebensschwerpunkt nach New York, wo sie finanziell schlechter gestellte Emigranten unterstütze.
Sie und ihr Bruder Francesco, der Paradiesvogel der Berliner Schwulenszene, mischten sich schon zu Stummfilmzeiten unter die deutschsprachigen, damals freiwillig nach Amerika gereisten Künstler in Hollywood und waren gern gesehene Gäste auf einigen der Partys, die Jannings gab oder besuchte, als er dort residierte, sein Weltstar-Dasein genoss und noch nicht mit den Tücken des Englischen zu kämpfen hatte, weil der Sprechteil per Titelkarte erledigt wurde. Eleonora war für ihn so wenig eine Unbekannte wie für Harlan, der eng mit ihr und Francesco befreundet (gewesen) war. Thomas Blubacher hat ein schönes Buch über das schillernde Geschwisterpaar geschrieben. Da erfährt man, dass Francesco einer der beiden Trauzeugen war (der andere war Fritz Kortner), als Harlan 1929 seine Schauspielkollegin Hilde Körber heiratete.
Helene Thimig spielte noch bis 1937 Theater in Europa, folgte Max Reinhardt erst im Herbst des Jahres ins amerikanische Exil. Eleonora von Mendelssohn überschritt 1937 zum letzten Mal die deutsche Grenze und war auch nicht aus der Welt. Wie war das also bei der Drehbuchbesprechung am Wolfgangsee, einen Katzensprung vom Attersee entfernt? Unterhielten sich die Filmschaffenden darüber, ob man versuchen sollte, den Herrscher in Österreich zu drehen, weil man dort Schauspieler ohne Ariernachweis beschäftigen und mit Helene und Leonora arbeiten konnte, den Darstellerinnen aus der gefeierten Inszenierung von Max Reinhardt, den die Nazis jetzt als "Jud Goldmann" schmähten, den Hervorbringer einer minderwertigen, dem deutschen Volk von der jüdischen Lügenpresse aufgeschwatzten Kunst? Womöglich als Signal, dass es noch ein anderes, besseres Deutschland gab, dessen Vertreter in die Nachbarländer ausweichen mussten, weil in der Heimat von Schiller, Goethe und Gerhart Hauptmann Menschen, die der Diktator nicht in seiner "Volksgemeinschaft" haben wollte, verfolgt und auch ermordet wurden?
Sprachen die Künstler darüber, was für ein mieses Regime das war, das so viele ihrer Freunde und Kollegen in die Emigration gezwungen hatte (bei den Theaterleuten ungefähr 5000)? Behielten Jannings und Harlan solche Gedanken für sich, weil sie sich sonst hätten fragen müssen, warum sie selbst geblieben waren oder weil sie befürchteten, dass Thea von Harbou, die strickende Hitler-Verehrerin, das bei der Rückkehr nach Berlin an die falschen Leute weitergeben könnte? Meinte jemand: Die Mendelssohn, diese Bankierstochter und getarnte Jüdin, die sind wir glücklich losgeworden, weil sie jetzt in Amerika wohnt und dort gegen uns hetzt, indem sie der Lügenpresse frei erfundene Gemeinheiten über uns erzählt? Sicher nicht. Da wären wir mitten in einem antisemitischen Propagandafilm gelandet, und noch dazu in einem von der unsubtilen Sorte, die Minister Goebbels so gar nicht mochte. Aber was dann?
Freund der Juden
Saß man geschäftsmäßig zusammen, mit Blick auf die schöne Bergkulisse, um kühl einen Haken hinter die Namen der noch zur Verfügung stehenden Darsteller auf Max Reinhardts alter Besetzungsliste zu machen und anschließend zu überlegen, mit wem man die Lücken auffüllen konnte? Sagte Harlan: Meine Freundin Eleonora, mit der ich früher mal was hatte, auf die müssen wir verzichten, weil sie nicht für die Unterhaltungsindustrie eines Landes arbeiten will, das Juden und Andersdenkende ausgrenzt und verfolgt und Goebbels das sowieso verbieten würde? Warum nehmen wir nicht einfach meine Frau, Hilde Körber, als Clausens sexuell frustrierte Tochter? Die macht das sicher gut. Das wäre auch ganz witzig, weil Hilde gerade die Wilhelmine von Bayreuth gespielt hat, die Schwester des alten Fritz, und zwar in Fridericus. Das ist einer von diesen Preußenschinken zu Lob und Preis des Führers, und Hilde ist da, gewissermaßen, auch schon deine Tochter, lieber Emil, der du in Der alte und der junge König Wilhelmines Vater gegeben hast, den strengen Soldatenkönig. Wäre das nicht amüsant? Man kann nicht ewig darüber trauern, dass gewisse Freunde Deutschland verlassen mussten, weil sie Juden sind oder zu deutlich gesagt haben, was sie von Hitler und seiner Mörderbande halten. Das Leben muss weitergehen und wir wären dumm, wenn wir uns jetzt, da wir gerade einen Lauf haben, mit kleinkarierter Bedenkenträgerei aufhalten würden. Die Filmkunst, sie lebe hoch!
War das so? Oder doch ganz anders? Nach dem, was überliefert ist, war weder Harlan noch Jannings ein Anhänger des Nationalsozialismus. Trotzdem drehten sie Filme, die Reklame für die kruden Thesen eines sich aus Hass und Negativität speisenden Regimes machen; Filme, in denen sich andauernd einer für kaputte Ideale vom gesunden Volkskörper, von der Pflichterfüllung und von Deutschlands Größe opfert (oder geopfert wird). Eigentlich müssten beide, ob egomanische Karrieristen oder nicht, innerlich so zerrissen gewesen sein, dass sie an chronischen Schmerzen der Seele litten. Oder funktionierte die Verdrängung so gut, dass sie als Narkotikum wirkte? Bei Noack wie bei Buchloh kommt so etwas viel zu kurz, weil da immer gleich in den Verteidigungsmodus geschaltet wird. Darum sind die Protagonisten dieser Harlan- und Jannings-Biographien auch so blutleer. Privates ist nicht privat, sondern wird instrumentalisiert, um Vorwürfe wegen einer öffentlichen Tätigkeit als Regisseur, Schauspieler oder "künstlerischer Oberleiter" in Goebbels’ Propagandakino zu entkräften.
Buchloh hat akribisch alle praktizierenden, getauften und agnostischen Juden und "Halbjuden" recherchiert, mit denen Harlan befreundet, liiert oder verheiratet war, denen er geholfen hat und die irgendwann etwas Gutes über ihn gesagt oder geschrieben haben. Sie müssen als Zeugen der Verteidigung herhalten. Ich persönlich finde das obszön. Heikel ist es allemal. Das Theater der Weimarer Republik war, wie Thomas Blubacher schreibt, "das wichtigste Medium der kulturellen Integration" gewesen, "die anschauliche Konkretisierung von Bildung, dem zentralen Instrument jüdischer Akkulturation". Auch da war keineswegs alles perfekt. Aber in keinem Bereich der deutschen Gesellschaft war die soziale Gleichstellung so weit vorangeschritten wie hier. Jemand wie Harlan, der seine Karriere in den 1920ern als Bühnenschauspieler begann, konnte gar nicht anders, als jüdische Freunde zu haben. Die große Zahl von Juden, die Buchloh seinem Freundeskreis zurechnet, erscheint nur heute - nach Vertreibung, Verfolgung und Holocaust - so hoch und überdurchschnittlich. Auch überzeugte Antisemiten hatten jüdische Freunde, wenn sie in der Weimarer Republik am Theater arbeiteten.
Wie ist das mit Werner Krauß, der im Gegensatz zu Harlan im Ruf steht, ein solcher Antisemit gewesen zu sein und als multiple Karikatur vom "Juden" (als antisemitisches Konstrukt) in Jud Süß brillierte? Soll man das damit verrechnen (und wie?), dass er sich 1932 - erfolglos - für ein weiteres Engagement Elisabeth Bergners am Berliner Staatstheater einsetzte? Mit Eleonora von Mendelssohn fuhr Krauß mal in den Urlaub. Was heißt das? Reiste er trotz ihrer jüdischen Abstammung mit Eleonora nach Italien, oder weil sie für ihn nach der Taufe keine Jüdin mehr war? Wie viele Entlastungspunkte kriegt einer, der - nach Nazimaßstäben - mit einer Halb- oder Vierteljüdin im Meer planscht, bevor er in Jud Süß mitspielt? Gibt es für eine nicht getaufte "Volljüdin" im Bekanntenkreis mehr oder weniger Punkte? Ist das zynisch? Was sonst? Daran kann man sehen, in welches Fahrwasser man sich da begibt. Bleiben wir bei den Fakten.
Elisabeth Bergner übersiedelte noch im November 1932 nach London. Im Sommer 1933 schickte sie Werner Krauß ihre englische Sprachlehrerin. Auf den Unterricht hatte er bald keine Lust mehr. Krauß, kommentiert Klaus Völker in seinem sehr schönen Buch über Elisabeth Bergner lapidar, "hatte nur die Geduld für die Rolle des Kommerzienrat Clausen in einer Londoner Inszenierung von Hauptmanns Vor Sonnenuntergang. Nach wenigen Wochen wußte er, daß er kein Emigrant sein wollte. Das Arrangement mit den Hitlers fiel ihm leichter […]." Jeder Apologet von Krauß, Jannings, Heinrich George hat die Geschichte vom Vollblutschauspieler im Angebot, der ohne seinen Beruf nicht leben kann und im Nazireich bleiben muss, weil er auf die deutsche Sprache angewiesen ist. Das ist stark vereinfacht.
"Er machte nicht leichtfertig seine Wege"
Im November 1932 ebenfalls von den Entlassungen betroffen war Hans Otto, ein Schulfreund von Erich Kästner, der Rollen in Filmen und Stücken über die Pflichterfüllung im alten Preußen immer abgelehnt hatte, weil das schon in der Weimarer Republik für ihn Nazipropaganda war. Otto, nach dem heute ein Theater in Potsdam benannt ist, war KPD-Mitglied, Obmann der Bühnengenossenschaft und jugendlicher Held am Preußischen Staatstheater (in Faust II stand er neben Gustaf Gründgens und Werner Krauß auf der Bühne). Nach seiner Entlassung blieb er in Deutschland und setzte seine politische Arbeit fort. Im November 1933 wurde er in einem Berliner Café verhaftet, in mehrere Foltergefängnisse der SA und der Gestapo verschleppt und schließlich in die SA-Kaserne in der Voßstrasse gebracht. Dort fiel er aus einem Fenster. Zum Hergang gibt es zwei Versionen: 1. Otto sprang ohne fremdes Zutun aus dem dritten Stock. 2. SA-Männer warfen ihn in die Tiefe, um einen Suizid vorzutäuschen. Letzteres bezeugte nach dem Krieg der Schauspieler Gerhard Hinze, der mit ihm zusammen verhaftet worden war (u. a. in Ein Mann seltener Art. Aussagen über Hans Otto, einem Film des DDR-Fernsehens von 1970). In Theaterkreisen, und besonders am Preußischen Staatstheater, verbreitete sich die Nachricht - in Version 1 oder 2 - wie ein Lauffeuer, obwohl Goebbels versuchte, sie zu unterdrücken.
Der emigrierte Bert Brecht richtete im Dezember 1933 einen offenen Brief an Heinrich George, früher links, inzwischen mit den Machthabern arrangiert und auf der Leinwand, als Vater von Heini Völker in Hitlerjunge Quex, vom Kommunismus zum Nationalsozialismus bekehrt (nach einem Gespräch mit Bannführer Kass alias Claus Clausen, der sich in Der alte und der junge König mit Freuden den Kopf abschlagen lässt, weil Emil Jannings es zum Wohle Preußens so angeordnet hat). "Ihr Kollege Hans Otto wusste, gegen was er ankämpfte", schrieb Brecht an George. "Er machte nicht leichtfertig seine Wege. Er verschmähte nicht unüberlegt seine Engagements. Er ist ein Mann seltener Art, unkäuflich. Wo ist er?" Hans Otto war da schon tot, gestorben in einem Berliner Krankenhaus am 24. November, an den Folgen der Folter und an seinen Verletzungen durch den Sturz aus dem dritten Stock. Die Bestattungskosten übernahm Gustaf Gründgens. Zur Beisetzung erschienen vier Verwandte und kein einziger Kollege von Hans Otto - nicht weil sie nichts davon wussten, sondern weil Goebbels es verboten hatte.
Gustav Hartung, Mitbegründer der Heidelberger Schlossfestspiele, reagierte im Schweizer Exil mit einem offenen Brief an deutsche Theaterschaffende und Kulturfunktionäre, in dem er dagegen protestierte, dass "deutsche Schauspieler unter der Schirmherrschaft des […] Freundverräters, Mordaufwieglers und Mordgesellen Joseph Goebbels auftreten, der einen der ihren […] erschlagen ließ und ihnen […] verbot, dem mißhandelten Leib […] das Geleit zur letzten Ruhe zu geben". Sowohl Noack wie Buchloh erwähnen Ottos Tod. Mir kommt es in beiden Fällen wie das Erbringen eines Beleges dafür vor, dass nichts beschönigt werden soll, dann ist das abgehakt. Aber wie lebte ein Schauspieler oder ein Regisseur damit, wenn jemand aus der eigenen Berufsgruppe ermordet wurde (aus dem Fenster einer SA-Kaserne fiel) und man nicht zu seiner Beerdigung gehen durfte? Was macht das mit einem, wenn man in einer solchen Lage ist?
Maria Koppenhöfer war im Februar 1933 eine von denen gewesen, die gegen Ottos Entlassung protestiert hatten. Dachte sie an ihn, als sie zwei Jahre nach der Beisetzung mit den vier Verwandten in einer Filmszene am Familiengrab der Clausens stand? Ist es zu weit hergeholt, da eine Verbindung zu sehen, weil ein ermordeter Schauspieler nichts mit einer toten (und fiktiven) Industriellengattin zu tun hat, auch wenn der "Schirmherr" Goebbels den Film hinterher abnehmen musste? Wie fühlte sich Harlan, der im Staatstheater mit Otto gemeinsam aufgetreten war? Wurde ihm der Kontrast zur von Spitzeln überwachten Beerdigung seines Freundes bewusst, als er die zu Hauptmanns Stück hinzuerfundene Bestattungsszene mit den dicht gedrängten Darstellern und Statisten inszenierte? Glaubte er der offiziellen Version, in der Otto ohne fremdes Zutun aus dem Fenster gesprungen war? Hatte er die Sache "hinter sich gelassen", wie man jetzt sagt, wenn Leute nicht an die NS-Verbrechen erinnert werden wollen? Ich kann mir denken, warum die Biographen solche Fragen gar nicht erst stellen. Die Antworten sind schrecklich kompliziert. Andererseits wäre das die Chance, von der ermüdenden und stark vereinfachten Diskussion darüber wegzukommen, ob Harlan ein schlimmer Mensch war oder der verkannte, zu Jud Süß gezwungene Künstler.
Meiner Meinung nach kann man nicht über den Herrscher schreiben, ohne von den Opfern des Dritten Reichs zu reden, obwohl in diesem Film weder Juden noch Regimegegner oder vertriebene Schauspieler und Regisseure eine Rolle spielen, zumindest nicht auf den ersten Blick. Wir werden noch einmal darauf zurückkommen müssen, wenn diese Geschichte einer Verstrickung weitergeht. Bis dahin eine Kritik aus der Zeitschrift Die Neue Literatur (Mai 1938), die der zu früh verstorbene Karsten Witte (definitiv kein Harlan-Fan) gefunden hat: "Nun kommt das Merkwürdige: Die Erfüllung des unpolitischen Dramas mit echt politischem Gehalt ist gelungen. Der Herrscher ist ein politischer Film, mehr noch, er ist ein politisches Kunstwerk. Der Film macht aus dem bürgerlichen Verleger einen nationalsozialistischen Wirtschaftsführer. Aus einem Mann, dem nur sein privater Genuß und sein Wohlleben wichtig sind, wird ein sozialistisch denkender, für die Gemeinschaft handelnder Mensch."
Das wirklich Merkwürdige sei, so Witte, "die Gleichsetzung von nationalsozialistisch und sozialistisch. Für diese Usurpation mußte im vierten Jahr des Regimes nicht mehr geworben werden."
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