Wie Israel in die Hamas-Falle tappte
Seite 2: Nahostkrieg: Welche Rolle haben die Religionen?
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Bei den bisherigen Friedensbemühungen im Nahen Osten ist die Rolle der Religionen bei diesem Konflikt meist verdrängt oder vernachlässigt worden. Die palästinensischen Angreifer haben "Gott ist groß" bei ihrem Massaker an israelischen Zivilisten gerufen und Teile der israelischen Regierung beruft sich mit den Siedlern im Westjordanland auf das Alte Testament. Mehr Gotteslästerung geht gar nicht.
Auch die "christlichen" Kreuzzüge waren nicht im Sinne des Bergpredigers. Alle drei abrahamischen Religionen sind wesentlich mit Schuld am jetzt hundertjährigen Schlamassel, am Chaos und der Gewalt im Nahen Osten.
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Religiöse Fundamentalisten mögen rechtgläubig sein, menschlich sind sie nicht. Dabei könnten Religionen mit ihrer Grund-Botschaft von Frieden, Liebe, Versöhnung und Mitgefühl einen wesentlichen Beitrag zur Versöhnung leisten.
Auch hier gilt: Wann, wenn nicht jetzt wäre es notwendig, sich aus der Hamas-Falle zu befreien?
Ein Hoffnungsschimmer auch jetzt: Nach dem Jom-Kippur-Krieg gab es das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel. Nach der ersten Intifada gab es die Friedensabkommen von Oslo und nach der zweiten Intifada den israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen.
Die Lehre von Frankreich und Deutschland
Wenn nach 1945 Frieden zwischen Deutschland und Frankreich möglich war, dann ist auch Frieden zwischen Israel und den Palästinensern möglich. Vielleicht mithilfe der UNO und mutigen Religionsführern gerade jetzt. Sonst könnte Jerusalem noch der beste Ort sein, um Atheist zu werden.
Vielleicht könnten dann im besten Fall beide Seiten erkennen: Das Land reicht für beide! Welch eine Chance für ökonomische Kooperation, für Wohlstand, für Frieden und für eine nahöstliche wirtschaftliche Union nach dem Vorbild der Europäischen Union. Das war vor 80 Jahren in Europa so undenkbar wie heute in Nahost. Doch auch diese Vision wurde Realität.
Gerade wir Deutsche könnten dabei helfen, auf beide Seiten des Konflikts zu schauen. Wir sind mit dem Trauma der Gewalt Im Nahen Osten verbunden. Die Traumata der Gewalt durch die Shoa und durch die Nakba (Vertreibung der Palästinenser nach der Gründung Israels) lässt sich nur durch ein klares Votum für Gewaltfreiheit von außen stoppen.
Dabei brauchen wir zunächst eine politische Sprache, die das Existenzrecht beider Völker anerkennt. Dann wird es vielleicht eines Tages auch möglich, dass beide Konfliktparteien lernen, das Leid des anderen zu verstehen, nachzuempfinden und anzuerkennen.
Ein nachhaltiger und ehrenhafter Frieden wird möglich durch eine Revolution des Mitgefühls. Dafür ist es höchste Zeit. Eine Überwindung der Spirale der Gewalt ist nur mithilfe der arabischen Staaten möglich.
Naher Osten: Das unmöglich Scheinende möglich machen
Das Ziel muss ein gleichberechtigtes Zusammenleben der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung sein. Deutschland sollte sich für die Gründung einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO) einsetzen.
Ich höre immer wieder, dass dieser Konflikt unlösbar sei. Das hörte ich auch vor dem Fall der Berliner Mauer und vor der deutschen Wiedervereinigung. Dennoch ist die Mauer gefallen und Deutschland ist vereinigt.
Die heutige Lage in Nahost ist so unerträglich, dass versucht werden muss, das unmöglich Scheinende möglich zu machen. Nur eine politische Lösung kann den Krieg überwinden. Der erste Schritt hierzu: Israel hält sich im Gaza ans Völkerrecht. Wer in der Politik nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.
Spätestens jetzt im Atomzeitalter müssen wir Politik neu denken: Frieden ist nötig und möglich. Nicht weniger als unsere Menschlichkeit steht jetzt auf dem Spiel. Für viele ist Frieden heute noch ein Traum. Doch ohne einen Traum vom Frieden wird es auch morgen keinen Frieden geben.
Bei dem Text handelt es sich um einen leicht gekürzten und bearbeiteten Kommentar von Franz Alt. Telepolis sieht aus Gründen der journalistischen Distanz von selektiven und wertenden Bezeichnungen wie "Terroristen" ab.
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