Wie Migration die Kriminalität antreibt
Studie der Malteser weist auf Zunahme von Menschenhandel und Ausbeutung hin. Besonders Frauen gefährdet. Corona verschärft die Lage durch Isolation
In einem umfassenden Bericht zum Thema Migration in Deutschland hat der Malteserorden vor eine Zunahme des Menschenhandels gewarnt. Der inzwischen dritte große Rapport über die Entwicklung der Zuwanderung und die Lage von Migranten geht zudem auf die Auswirkungen des Phänomens auf den Arbeitsmarkt, Kriminalität, gesellschaftliche Teilhabe und die laufende Corona-Pandemie ein - sowie die Wechselwirkung zwischen diesen Phänomenen.
"Menschenhandel ist und bleibt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte der Verantwortliche der Malteser für den Kampf gegen Menschenhandel, Michel Veuthey, am heutigen Dienstag in Köln: "Lassen Sie uns diese moderne Sklaverei gemeinsam beenden."
In dem Bericht heißt es, dass allein im Jahr 2018 rund 167.000 Menschen in Deutschland in moderne Sklaverei gezwungen waren. Das Bundeskriminalamt für 2019 bereits 423 Ermittlungsverfahren mit Bezug zu Menschenhandel abgeschlossen. Auch wenn diese Zahl rückläufig ist, gehen die Autoren von zahlreichen unentdeckten Fällen aus.
"Der Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nahm mit 287 Verfahren (-19,4 Prozent im Vorjahresvergleich) gegenüber den anderen Formen von Menschenhandel den größten Anteil ein", heißt es in der Untersuchung weiter.
Diese Zahl sei ebenfalls rückläufig. Die Experten der Malteser führen das auf die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes zurück. Bordelle würden regelmäßiger überprüft, Verantwortliche sensibilisiert und Vergehen strikter geahndet, heißt es in dem entsprechenden Kapitel.
Illegale Prostitution habe sich aus diesem Grund auch in anonyme Bereiche wie Privatwohnungen verlagert, dies erschwere die Ermittlungen.
Aus den Untersuchungen geht weiterhin hervor, dass der größte Anteil der Opfer sexueller Ausbeutung Frauen sind - sie machen rund 95 Prozent dieser Opfergruppe aus. 78 Prozent der Betroffenen stammen aus dem Ausland; ein Viertel vom asiatischen Kontinent, viele von ihnen aus Thailand.
42 Prozent dieser Opfergruppe ist aus dem europäischen Ausland nach Deutschland gekommen, mehrheitlich wiederum aus Rumänien und Bulgarien, lediglich neun Prozent aus Afrika.
Von den Opfern systematischer sexueller Ausbeutung stammen 22 Prozent aus Deutschland. Dieser hohe Anteil lasse sich dadurch erklären, dass deutsche Opfer besser integriert seien und eher zur Polizei gingen.
Klassische Mechanismen moderner Sklaverei
Migrantinnen und Migranten sind der Analyse zufolge besonders gefährdet, ausgebeutet zu werden; entweder für sexuelle Dienstleistungen oder für anderweitige körperliche Arbeiten.
Die Täter behielten oftmals Ausweisdokumente ein oder verlangten das Abarbeiten von Schulden für die Reise nach Deutschland. Auch bei der Arbeitsausbeutung sei "von einem besonders großen Dunkelfeld auszugehen, da die Opfer zusätzlich zu ihrem unsicheren Aufenthaltsstatus und zu den zuvor genannten Gründen gezwungen werden, Schulden abzuarbeiten".
Dabei würden sie oftmals deutlich unterhalb des Mindestlohns entlohnt, zu gefährlichen Bedingungen beschäftigt oder menschenunwürdig untergebracht.
Die Malteser publizieren ihre Migrationsberichte alle zwei Jahre und wollen "der Politik helfen, sachgerechte Lösungen zu finden und eine Debatte auf sachlicher Grundlage zu führen". Erarbeitet wird die Analyse vom Walter-Eucken-Institut mit Sitz in Freiburg.
Gruppen, die wenig integriert waren und bereits vor der Pandemie ein geringes Deutschniveau und weniger Kontakte in die Mehrheitsgesellschaft aufwiesen, seien besonders von der Corona-Pandemie betroffen, schreiben die Autoren.
Für Frauen mit Kindern oder für ältere Geflüchtete wird es nach der Pandemie in besonderem Maße herausfordernd sein, im Spracherwerb zu den besser integrierten Geflüchteten aufzuschließen.
Dies lässt sich unter anderem daran erkennen, dass der Anteil an geflüchteten Frauen, der nie Zeit mit Deutschen verbringt, im Jahr 2020 kräftig stieg. Bei Frauen mit Kindern unter vier Jahren nahm er sogar um 22 Prozentpunkte zu.