Wie das Immaterialgüterrecht Anreize zum Anschwindeln setzt
VW konnte seine Abgaswerte auch wegen des unter Bill Clinton verschärften US-Copyrights manipulieren
Am Sonntag gestand der am Mittwoch zurückgetretene VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, dass sein Konzern den Behörden in den USA jahrelang falsche Abgaswerte unterjubelte, weil die in seinen Dieselfahrzeugen verbaute Software Emissionstest erkannte und auf einen speziellen Testbetrieb umschaltete, der sich vom regulären deutlich unterschied. Dass das ging, liegt auch am US-amerikanischen Immaterialgüterrecht, wie die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) zeigt.
Der unter Präsident Bill Clinton verabschiedete Digital Millennium Copyright Act (DMCA) erlaubt die Einblicknahme in Programmcode nämlich nur dann, wenn der Rechteinhaber dies gestattet. Dass erlaubt es Unternehmen nicht nur, Wettbewerb für Reparatur- und Zusatzgeräte zu verhindern - es verhindert auch, dass Sicherheitsmängel öffentlich werden (zum Beispiel plötzliches Beschleunigen ohne Zutun des Fahrers oder die Möglichkeit einer fremden Fernsteuerung) und setzt Anreize dazu, heimliche "Features" zu integrieren, von denen Kunden oder Behörden nichts wissen sollen.
Im letzten Jahr hatte die EFF beim dafür zuständigen Kongressbibliothekschef eine Ausnahmegenehmigung beantragt, die es unabhängigen Forschern und Prüfern erlauben sollte, Fahrzeugsoftware zu untersuchen, ohne dafür eine Strafe fürchten zu müssen. Die Autohersteller opponierten gegen solch eine Ausnahme unter anderem mit der Behauptung, das könne Fahrzeughalter dazu verführen, die Software so zu manipulieren, dass Abgasgrenzwerte überschritten werden.
Das dürfte eine Rolle dabei gespielt haben, dass sich auch die US-Umweltbehörde EPA gegen solch eine Ausnahmeregelung aussprach. Heute weiß man, dass solche Manipulation nicht durch ein paar wenige Fahrer, sondern durch den VW-Konzern erfolgte. In weltweit 11 Millionen Fällen. Hätte es den DMCA nicht gegeben, dann wären diese Manipulationen wahrscheinlich deutlich früher entdeckt worden. Noch wahrscheinlicher ist, dass VW sich ohne das Clinton-Copyright gar nicht getraut hätte, die Manipulationssoftware einzusetzen, weil sie befürchten hätte müssen, dass der Schwindel herauskommt.
Das gilt auch für andere Autohersteller, die inzwischen ebenfalls in den Skandalstrudel geraten sind: Wird ihnen Manipulation nachgewiesen, drohen (abgesehen vom Imageschaden) nicht nur Strafen, sondern auch Privatklagen, die in den USA immense Schadensersatzzahlungen nach sich ziehen können. Bei BMW, Volvo, Opel, Hyundai und Citroen sprach Peter Mock vom International Council on Clean Transportation (ICCT) von "ersten Indizien", die in Laboruntersuchungen auftauchten. Nun sollen weiteren Messungen und Straßentests durchgeführt werden.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.