Wie ein IMAX-Film direkt vor den Augen
Visionen des amerikanischen Militärs vom Informationssoldaten der Zukunft
Das Pentagon-Projekt "Objective Force Warrior" will im Rahmen des sogenannten "Künftigen Kampfsystems" (FCS) den "Hightech-Soldaten der Zukunft" entwickeln. Realistisch soll dabei bei aller Vision vorgegangen werden, um die Soldaten möglichst noch in diesem Jahrzehnt zu gefährlichen Kampfmaschinen zu machen, die vor Angriffen weitgehend geschützt sein sollen. Wie dieser Wunderkämpfer ausgestattet sein soll, damit wird sich nun auch ein "unabhängiges" Team unter der Leitung des Oak Ridge National Laboratory (ORNL) beschäftigen.
Bescheiden ist man in Zeiten wie diesen gerade nicht, aber in militärischen Kreisen neigt man wohl überhaupt gerne zu Übertreibungen. Arnold Schwarzenegger als der Terminator ist offenbar das Vorbild, zumindest meint man beim ORNL, dass der anvisierte Wunschsoldat des 21. Jahrhunderts ihm in nichts nachstehen werde. Grundlage seiner erweiterten Kapazitäten ist nicht nur, aber vor allem Information. Ziel sei es, den Soldaten wie Cyborgs mit technischen Systemen auszustatten oder ihn in diesen einzuhüllen, um so seine Kapazität um das Zwanzigfache zur derzeitigen letalen Leistungskraft zu vergrößern. Bis 2010 will man die Vision, die die Grenzen des technisch Möglichen erkunden soll, auch umsetzen. Zum Ausmalen der "Kunst des Möglichen" soll ein Team an Futuristen, Systemingenieuren, Biologen, Militärexperten, Spezialisten für den menschlichen Faktor oder Autoren helfen, die möglicherweise noch einen anderen Schuss Science-Fiction einbringen sollen.
"Der Objective Force Warrior (OFW) wird ein schrecklicher Krieger in einem unbesiegbaren Team sein, der als Erster sehen, als Erster verstehen, als Erster handeln und die Aktion zum Abschluss bringen kann."
Was man haben will, ist schon im Groben ausgeführt. Das individuelle Kampfsystem muss so leicht als möglich, so tödlich als möglich und voll integriert sein. Dazu gehören Waffen, ein Ganzkörper-Schutz vor Verletzungen, möglichst weitgehende Kommunikationsmöglichkeiten, leichte Energiespeicher, die einen 72-stündigen autonomen Kampfeinsatz erlauben, so dass der Hightech-Soldat nicht plötzlich ohne Strom dasteht, und natürlich Systeme wie Exoskelette, die seine Leistungsfähigkeit (Ausdauer, Mobilität, Geschwindigkeit, Tragkraft oder Reichweite) steigern. "Innovative Technologien" sollen den Soldaten ermöglichen, den Feind aus größeren Entfernungen mit höherer Präzision und größeren Schäden zu treffen, während er gleichzeitig auf allen Kanälen senden und empfangen kann. Seine Wahrnehmung soll durch Techniken ergänzt, sein Gehirn durch "advanced situational awareness software" gestärkt werden, um nicht nur schnell agieren zu können, sondern auch nicht von der kommenden Informationsflut aus allen mitgeführten und vernetzten Systemen überrollt zu werden.
Die Vision läuft natürlich darauf zu, dass der im künftigen technischen System wie in einem Futteral steckende Mensch nur noch ein vorübergehend notwendiger Restposten ist, der bald den autonomen oder ferngesteuerten Kampfrobotern den Platz räumen wird. Die hätten dann womöglich auch die kognitive Kapazität, gewaltige Mengen an Daten zu verarbeiten, obgleich hier auch so etwas wie der Flaschenhals der Aufmerksamkeit auftreten wird, wenn es darum geht, aus der Analyse der Wahrnehmung heraus schnell das Richtig zu tun. Möglicherweise aber könnten vielleicht die Robotsysteme der Zukunft auch besser Multitasking im Wahrnehmen und Handeln leisten, beispielsweise über die Fähigkeit einer Rundumwahrnehmung mit verschiedenen Sensoren (Licht, Wärmedetektoren, chemische Sensoren etc.) verfügen.
Solange aber noch die biologisch relativ beschränkten Menschen, die in aller Regel nur Eines nach dem Anderen machen können, im System stecken, ist nicht nur die Leistungssteigerung durch Erweiterung der körperlichen und kognitiven Kräfte notwendig, sondern sind auch zusätzlich Schutzsysteme für dessen empfindliche Wetware erwünscht. Die Zeit, in der Massen von Menschen in Schlachten geopfert werden können, ist vorbei, da im 21. Jahrhundert der Trend zu Spezialeinheiten stark zunehmen wird, bei denen die technische Leistungsseigerung die fehlende Menge ersetzt. Die immer leichteren Waffen nehmen an Zerstörungskraft zu und werden überdies nicht nur vom Soldaten bedient, sondern sollen auch mit dem künftigen Kampfsystem direkt oder indirekt synchronisiert sein. Zugeschnitten sollen die Waffen übrigens nach den Erfahrungen in Somalia vornehmlich auf den Einsatz in urbanen Gebieten sein.
Die neuen "Low intensity"-Kriege der Spezialeinheiten mit immer mächtigeren tödlichen und optional auch nicht-tödlichen Waffensystemen können natürlich auch besser geführt werden, wenn die Zahl der eigenen Opfer möglichst gering bleibt. Da gibt es am wenigsten Widerstand an der Heimatfront. Der neue Kampfanzug soll daher natürlich die Soldaten vor Verwundungen schützen, indem beispielsweise das flexible Material sofort undurchdringlich erstarrt, sobald eine Kugel auftrifft, und wenn diese doch durchdringt, dann soll zumindest schnell die Wunde automatisch durch Druck geschlossen werden, um den Blutverlust zu minimieren. Möglicherweise gibt es dann auch gleich automatisch Schmerzmittel und andere Medikamente. Detektoren erkennen gefährliche biologische oder chemische Waffen und, so würde man sich dies wünschen, veranlassen automatisch die Zerstörung dieser Substanzen.
Ein Teilnehmer aus dem Team hat, wie man beim ORNL berichtet, einen Brief geschrieben, wie er von einem Soldaten im Jahr 2017 an seine Eltern - da scheint sich also noch nichts zu ändern - geschrieben werden könnte. In dem Fall wären die Eltern in der Tat ganz nützlich, da sie ja immer Sorge haben, dass ihr Nachwuchs zu sehr den Computerspielen verfallen ist und dabei nicht an den Ernst des Lebens, also an das Lernen, denkt. Alles Unsinn, sagt der Soldat der Zukunft, die Kinder trainieren schon jetzt im Sinne des edutainment oder der Spaßgesellschaft für das, was sie als patriotische Soldaten - oder auch als Hightech-Terroristen - einmal dringend können müssen:
"Erinnert Ihr Euch, wie Ihr mir immer gesagt habt, dass mich das ganze Spielen von Computerspielen im Leben nirgendwo hin bringen wird? Ihr müsst Euch meinen Helm ansehen, um das zu glauben. Es ist wie ein IMAX-Film direkt vor meinen Augen."
Und letztlich wäre es da auch egal, ob der vernetzte und mit zahlreichen On-Board-Systemen beladene Soldat der Zukunft schließlich den Kampfanzug verlässt und diesen gewissermaßen aus der Ferne vor dem Bildschirm oder in einem VR-Helm steuert. Die Grenze zwischen Spiel und Ernst verschwimmt auch hier.