Wie ein israelisches Spionagetool Menschenrechte zu verletzen hilft

"Pegasus"-Software des Entwicklers NSO wird von autoritären Staaten genutzt - und deutschen Geheimdiensten. Doch die Bedenken wachsen

Der Krieg in der Ukraine und das Coronavirus verdrängen andere Nachrichten. Vielleicht aber erinnern sich doch noch einige an die Meldungen über den Einsatz der israelischen Spionagesoftware Pegasus der NSO Group, der von mehr als 80 Medienschaffenden in zehn Ländern – beteiligt war unter anderem die Süddeutsche Zeitung, NDR, WDR, Die Zeit, der Guardian und die Washington Post – in langer Recherchearbeit aufgedeckt wurde.

Ein internationales Pegasus-Recherche-Projekt hatte im Juli 2021 enthüllt, wie Staaten die NSO-Spähsoftware weltweit gegen Menschenrechtsaktivist:innen, Journalist:innen und Oppositionelle einsetzen. Auch der Mord an Jamal Ahmad Khashoggi 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul wurde mit NSO-Instrumentarien in Verbindung gebracht.

Amnesty International erhielt damals eine Liste mit über 50.000 Zielpersonen der NSO Group. Darunter befand sich neben dem französischen Regierungschef Emmanuel Macron auch der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michelle.

Amnesty International warnt schon lange vor den Gefahren für die Menschenrechte, die von der Überwachungsindustrie und von unrechtmäßiger gezielter Überwachung ausgehen und betont, dass Staaten durch internationale Menschenrechtsverträge rechtlich verpflichtet sind, Menschenrechte vor Missbrauch durch Dritte zu schützen:

Dies schließt auch den Missbrauch durch private Unternehmen mit ein, die außerhalb ihrer Landesgrenzen aktiv sind. Gemäß internationalen Rechtsstandards kann ein Unternehmen an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig sein, wenn es zwei Hauptkriterien erfüllt: Es muss durch seine Geschäftsaktivitäten zur Begehung der Verletzung beigetragen haben und wusste oder hätte wissen müssen, dass seine Handlungen zur Förderung der Verletzung beitragen würden.

Angesichts des Ausmaßes der Bespitzelung fordert Amnesty International eine wirksame Kontrolle der Spionagesoftware-Industrie und "ein sofortiges Moratorium für den Export, den Verkauf, den Transfer und den Einsatz von Überwachungstechnologie, bis ein menschenrechtskonformer Rechtsrahmen geschaffen wurde".

Diese Forderung ist bislang ein frommer Wunsch geblieben.

Menschenrechtler von der Spionagesoftware Pegasus ausgespäht

Im Oktober 2021 brandmarkte der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz sechs international bekannte palästinensische Menschenrechtsorganisationen als "Terrororganisationen", was zahlreiche Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland heftig kritisierten. Die Begründung für die Bezeichnung "Terrororganisation": Diese Organisationen würden mit der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) zusammenarbeiten, Beweise für diese Behauptungen wurden nicht geliefert.

Die sechs Menschenrechtsorganisationen wurden von der Spionagesoftware Pegasus der israelischen NSO Group überwacht. Auf den Handys mehrerer Mitglieder wurden Spuren des Pegasus-Trojaners gefunden. Gegenüber der New York Times bestritten das Büro des israelischen Premierministers und das Verteidigungsministerium jedoch, die Pegasus-Software eingesetzt zu haben.

Die Software ermöglicht Zugriffe auf Kamera und Mikrofon eines Smartphones und kann den Standort, Kalendereinträge und Adressen abfragen. "Da die Software direkt "im Handy" und damit an der "Quelle" sitzt, können auch Nachrichten, die über Messenger-Apps mit Ende-zu-Ende Verschlüsselung versendet werden, noch vor der Verschlüsselung im Klartext abgefangen und ausgelesen werden. Das ermöglicht ein "live" mitlesen".1

BKA und BND nutzen Spähsoftware Pegasus

Obwohl die Spionagesoftware heftig kritisiert wird und neben Amnesty International viele Organisationen einen internationalen Exportstopp für die Überwachungssoftware der Firma NSO fordern, hat auch das Bundeskriminalamt (BKA) die Spähsoftware Pegasus erworben und nutzt sie seit 2021 für das Ausspionieren von Verdächtigen. Laut BKA werden in "einer mittleren einstelligen Zahl von Ermittlungsverfahren Personen mithilfe von Pegasus überwacht."

Im Oktober 2021 wurde bekannt, dass auch der Bundesnachrichtendienst (BND) Pegasus einsetzt, um damit im Ausland zu spionieren.

Besonders brisant an dieser Überwachungsmethode ist, dass die Kunden, also auch BKA und BND, die Software nicht autonom bedienen können. Sie sind auf die Mithilfe der NSO Group angewiesen und liefern diesen die zur Durchführung der jeweiligen Abhörmaßnahmen notwendigen Informationen, etwa die zu überwachende Telefonnummer.

Das heißt, staatliche Behörden und Geheimdienste, die Pegasus benutzen, können das nur in Kooperation mit der israelischen Firma NSO, die damit über alle Einsätze ihrer Überwachungssoftware informiert ist. Schon allein diese Tatsache müsste ausreichen, BKA und BND die Nutzung zu verbieten, da die Weitergabe von durch Pegasus gesammelten Informationen möglich ist und dies einen gravierenden Verstoß gegen die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik darstellt.