Wie ich lernte, die Fake-News zu lieben

Foto: Sebastian Koppehel. Lizenz: CC BY 4.0

Spitzenpolitiker stürzen sich auf das Thema der sogenannten "Fake-News", doch die vermeintliche Besorgnis wirkt aufgesetzt und verlogen - Teil 1: Viel Lärm um ... was?

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"Wenn du über Pfannkuchen reden willst, schau, ob dein Gegenüber ein Berliner ist", sagte mir vor etlichen Jahren ein Koch - und fand dies höchst amüsant. Weniger kulinarisch ausgedrückt: Wenn du über etwas diskutieren willst, dann stell sicher, dass erst einmal klar ist, worüber gesprochen wird. Oder, um Paul Henckels zu zitieren, wie er einst in dem Film "Die Feuerzangenbowle" seine Erläuterungen zum Thema Dampfmaschine begann: "Da stelle mer uns mal janz dumm."

Deshalb sollte (gerade dann, wenn Politiker sich unisono für ein Verbot von etwas, einen "Kampf" gegen etwas, ein stärkeres Vorgehen gegen etwas aussprechen) die erste Frage lauten: Worüber wird hier gesprochen? Die Antwort wird oft genug aus Pauschalaussagen, bösen Attacken, der Unterstellung vermeintlicher Dummheit oder Naivität, des Dummstellens oder der Ablenkung bestehen - doch wenn der Gesprächspartner tatsächlich über das Gleiche spricht, über das man selbst spricht, dann sind solche Anfeindungen nicht notwendig; stattdessen sollte eine klare Aussage erfolgen, die die Diskussion auf eine gemeinsame sachliche Basis stellt. Wird eine solche Aussage verweigert, so ist eine solche Basis nicht vorhanden, die Diskussion kann sich daher nicht fruchtbar entwickeln.

Große Unterschiede zwischen den einzelnen Begriffsdefinitionen

Beim Thema Fake-News ist eine solche Aussage bisher nicht getätigt worden - und Diskussionen in Foren (wie auch die diversen Forderungen der Politiker) zeigen, dass zwischen den einzelnen Begriffsdefinitionen große Unterschiede bestehen. Der englischsprachige Sammelbegriff ist hier gut gewählt, denn er wirkt nicht nur so als würde er ein neues Phänomen behandeln - er ermöglicht es, verschiedene Sachverhalte zu einem Begriff zu vermengen, was es schwieriger macht, bei Diskussionen überhaupt negative Aspekte zu erläutern.

Wer sich gegen ein rigides Vorgehen gegen Fake-News ausspricht, kann, so diese vage Definition aufrechterhalten wird, wahlweise als jemand angesehen werden, der Verleumdung gutheißt, der "Hetze" oder Aufwiegelung nicht bekämpft sehen will, der in Wahlmanipulationen kein Problem sieht oder "hetzerische" politische Kampagnen nicht als Problem betrachtet. Möglich wird dieser Generalangriff dadurch, dass der Begriff Fake-News so unbestimmt ist: Wer sich die Artikel zum Thema genau durchliest, stellt fest, dass das, was sich hinter den Fake-News verbirgt, immer wieder neu definiert wird.

Ansgar Heveling von der CDU beispielsweise hält eine Strafverschärfung für sinnvoll, wenn es um einen gezielten Kampagnencharakter geht und bezieht sich dabei vornehmlich auf Facebook. Patrick Sensburg, ebenfalls von der CDU, meint, dass gezielte Desinformation zur Destabilisierung eines Staates unter Strafe gestellt werden solle, auch er geht eher auf Facebook ein. Ansgar Heveling geht dabei noch weiter und sieht die Russen in der Rolle von Meinungsmanipulatoren, die die Bundestagswahl 2017 beeinflussen wollen.

Sigmar Gabriel (SPD) bläst in das gleiche Horn und sieht die Bekämpfung der Fake-News als eine Aufgabe an, bei der die Demokraten den Schulterschluss üben sollten, bezieht dies auch konkret auf die bevorstehende Bundestagswahl und die Art und Weise, wie der Wahlkampf geführt werden sollte. Bundesjustizminister Heiko Maas fordert, den gesetzlichen Rahmen für Ahndungen bei Fake-News auszuschöpfen und spricht dabei von Verleumdung und übler Nachrede. Es besteht also derzeit nicht einmal bei den Verfechtern eines härteren Vorgehens gegen die sogenannten Fake-News Einigkeit darüber, über was eigentlich gesprochen wird.

Fragen an das Bundesjustizministerium

Wird der Bundesjustizminister direkt danach gefragt, so ist die Reaktion seines Ressorts ein Musterbeispiel dafür, wie konkrete Fragen ignoriert und durch das Herunterleiern bereits bekannter Phrasen "beantwortet" werden. Hadmut Danisch hat dem Ministerium eine Liste mit Fragen übersandt, die sich gerade auch auf die Kernfrage beziehen: Über was reden wir?


* Welche konkreten Fälle von "Fake News" sind dem Bundesjustizministerium bekannt bzw. dort aktenkundig?
* Welche konkreten Nachweise von Unwahrheit liegen dem Ministerium vor?
* Auf welchen konkreten Fällen von "Fake News" beruht diese Forderung?
* Die Pressemeldungen sind widersprüchlich. Einerseits ist da die Rede von Verleumdung und übler Nachrede, andererseits aber bezieht sich die Forderung auf politische Manipulationen. Was genau versteht das Bundesjustizministerium unter "Fake News" und worauf genau bezieht sich die Forderung? Geht es nur um herabsetzende Behauptungen gegen konkrete Personen oder auch um andere Unwahrheiten (beispielsweise nicht personenbezogene Behauptungen oder personenbezogene, aber positive Behauptungen)? Bezieht sich die Forderung nur auf strafbare Behauptungen oder geht sie darüber hinaus?

(Hadmut Danisch an das Bundesjustizministerium)

Sein Fragenkatalog geht noch weiter, doch nichts davon wird explizit beantwortet. Die nichtssagende Antwort wird dafür mit einem Satz garniert, den Danisch angesichts dieses Verhaltens zu Recht als feinste Ironie ansieht: "Wenn 'Fake-News' nachprüfbare Quellen ersetzen, besteht die Gefahr der Manipulation."

Die Kampagne wird gegen etwas gefahren, das nicht einmal von den Kampagnenführern näher bestimmt wird. Es fehlt insofern jede nachprüfbare Quelle, was und warum nun eigentlich die große Gefahr darstellt, während eben dieses Nichtvorhandensein von nachprüfbaren Quellen als Kennzeichen der Gefahr bezeichnet wird.

Weitere Nachfragen beim Ministerium, wann es sich um eine Fake-News handelt, sind obsolet. So wurde beispielsweise gefragt, ob die Meldung von ZDF-Heute, dass ein polnischer LKW-Fahrer in den Weihnachtsmarkt in Berlin gerast sei, als Fake-News gelte. Der Sprecher des Ministeriums teilte mit: "Ich muss Ihnen allerdings mitteilen, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz keine Prüfung oder Bewertung von Einzelfällen vornimmt. Zu dem von Ihnen genannten Fall kann ich mich daher nicht äußern."

Was eine Fake-News ist, ist also unklar. Damit ist die gesamte Diskussion unmöglich geworden. Oder (um auf den Kommentar des Koches, der am Anfang dieses Artikels zitiert wurde, zurückzukommen): Wenn ich nicht weiß, ob wir von Pfannkuchen oder Berlinern sprechen, fehlt es an einer Grundvoraussetzung für eine sachliche Diskussion: dem gemeinsamen Basiswissen.

In Teil 2: Von Angst getrieben.

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