Wie lange fahren wir noch die alten Dreckschleudern?

Foto: Stau, fotografiert und freigegeben von Alexander Blum, Lizenzfrei

Deutschland ist Dieselland - Ein Kommentar

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Anders als in den USA oder Japan ist fast jedes zweite neu gekaufte Auto hierzulande ein Diesel. Die Deutschen glaubten ihren Autobauern und Politikern, die ihnen den Diesel als umweltfreundlich anpriesen.

VW-Chef Matthias Müller noch im Mai 2017: "Der moderne Diesel ist Teil der Lösung und nicht des Problems." Oder Verkehrsminister Alexander Dobrindt: "Ohne den Diesel bekommen wir große Probleme, unsere Klimaschutzziele einzuhalten". Heute wissen wir: Wir wurden belogen und betrogen.

Jetzt herrscht plötzlich Diesel-Alarm in der ganzen Republik. In 17 Städten drohen Fahrverbote, weil Bürger und Umweltverbände auf Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxide klagen: In Aachen, Berlin, Bonn, Darmstadt, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Köln, Limburg, Mainz, München, Offenbach, Reutlingen, Stuttgart und Wiesbaden.

Konkrete Fahrverbote sind bereits geplant in Stuttgart, Düsseldorf und München. Von 15 Millionen Diesel sind wahrscheinlich drei Millionen betroffen. Doch der Kampf um saubere Luft eskaliert. Ein Auto-Krieg hat begonnen. Millionen Bürger fürchten um ihre Gesundheit. Die Neuzulassungen für Diesel sinken bereits. Die Autos sind immer weniger wert.

Schon wird die Frage diskutiert: Wie lange gibt es überhaupt noch Verbrennungsmotoren? Skandinavische Regierungen haben darauf bereits eine Antwort: Ab 2030 ist Schluss.

Stuttgart, am Neckartor im Frühjahr 2017: Etwa 100 Menschen demonstrieren hier am dreckigsten Platz der Republik gegen Diesel-Verschmutzung. Sie haben mich als Redner eingeladen. Regelmäßig werden hier am Neckartor die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide um ein Mehrfaches überschritten. Eine ältere Demonstrantin, die kein Auto besitzt, fragt ratlos: "Warum sollen wir noch länger unter den Autobesitzern leiden?"

Der Streit um saubere Luft wird ein Wahlkampfthema werden. Auch deshalb, weil an besonders dreckigen Straßen besonders arme Menschen wohnen. Wie gerecht ist das? Wenn Martin Schulz sein Gerechtigkeits-Thema ernst nimmt, dann muss er "Saubere Luft für alle" endlich auch thematisieren. Leider sind die Worte "Umweltschutz und Gesundheit" ihm bisher Fremdworte geblieben.

Der Verkehrsingenieur Thilo Becker von der Uni Dresden: "Arme sind von der Luftverschmutzung stärker betroffen als Reiche. Strengere Abgasstandards sind nicht nur für die Umwelt gut, sondern verbessern auch die Lebensbedingungen einkommensschwacher Schichten." Jedes Jahr gibt es in der EU 460.000 frühzeitige Todesfälle in Folge hoher Luftverschmutzung. Millionen leiden an Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen.

Die Risiken, an Herzerkrankungen, Allergien, Asthma und Lungenkrebs zu erkranken, steigen. Das werden die Wähler nicht mehr allzu lange hinnehmen.

Fachleute schätzen: Von den 15 Millionen Dieselautos in Deutschland werden bald nur noch drei Millionen in die Innenstädte fahren dürfen.

  • Wer aber entschädigt dann die Dieselauto-Fahrer, die der Politik und Industrie geglaubt haben?
  • Wer zahlt die vielleicht mögliche Umrüstung?
  • Gibt es überhaupt Alternativen zum Fahrverbot?
  • Wird der Diesel vielleicht bald ganz verboten?

Es ist absehbar, dass schon mittelfristig der Diesel ganz verboten wird und langfristig alle Verbrennungsmotoren. Das deutsche Diesel-Kartell aus der alten Autowirtschaft und der Politik hat Millionen Käufer in die Irre geführt.

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