Wie weit ist der Weg vom Christen zum Coronaleugner?
Seite 2: Was finden Christen bei Coronaleugnern oder "Querdenkern"?
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- Was finden Coronaleugner an Christen?
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Diese freikirchlichen Beispiele stehen exemplarisch für den unterschiedlichen Umgang Evangelikaler mit Corona. Einerseits gab es von Anfang an Gottesdienste, die zum Cluster für Ansteckungen wurden. Andererseits wird geimpft.
Gemeinsam ist beiden Richtungen ein missionarisches bzw. evangelistisches Interesse: Die einen halten Gottesdienste für alle offen, die anderen wollen mit so einer Impfaktion Menschen einladen. So schreibt idea über die Impfaktion der FeG Haiger: "Während der Wartezeiten hätten sich viele Gespräche mit Besuchern ergeben. Einige seien spontan zum Gottesdienst des Kairos-Projekts am Samstagnachmittag geblieben."
Außerdem hätten sich Politiker eingefunden – die so auch in idea erwähnt wurden, und die dem Ganzen auch einen seriösen Anstrich gegeben haben dürften, eine Win-win-Situation.
Viele konservative Christen mischen sich beim Thema Corona ein: Das Medienmagazin pro wandte sich am 6. Januar dieses Jahres in seinem Newsletter gegen eine allgemeine, aber für eine eingeschränkte Impfpflicht ab 50. Mit Verweis auf die Risikostatistiken.
Besonders offensiv ist beim Thema Corona der schon erwähnte Arbeitskreis Christliche Coronahilfe, ACCH. Er begann seine öffentliche Arbeit mit einem Aufruf zum gemeinsamen Gebet. Am Sonntag, dem 30. Januar 2022, sollten Christen und Gemeinden im deutschsprachigen Raum, gemeinsam in besonderer Weise etwa um Trost für Leidende beten:
Viele Geschwister befinden sich aufgrund der derzeitigen Krise in großen Nöten, sei es aufgrund Krankheit und Tod, sei es aufgrund staatlicher Maßnahmen, wie etwa dem bevorstehenden Verlust des Arbeitsplatzes.
Man solle für die medizinische Situation beten, aber auch dafür, "dass es zu keinen weiteren Verschärfungen der Maßnahmen kommt, insbesondere dass das politische Vorhaben zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht nicht durchgesetzt wird. Ebenso, dass die bereits beschlossene Impfpflicht für den medizinischen und sozialen Bereich wieder zurückgenommen wird.
Lasst uns auch besonders für die Geschwister in Österreich eintreten, wo eine allgemeine Impfpflicht ab 1. Februar 2022 gelten soll." Der letzte Punkt in der Liste ist das Gebet für die "Erweckung für unsere Gemeinden und Mitmenschen".
Lasst uns beten, dass Gott diese Krise gebrauchen möge, um viele Menschen aufzurütteln und zur Umkehr zum einzigen Retter Jesus Christus zu führen, aber auch, um viele Christen und Gemeinden zu einer neuen Hingabe, Wachheit und Ernsthaftigkeit in der treuen Nachfolge zu leiten."
Diese Aktion sei, so idea auf breite Resonanz gestoßen. Innerhalb von fünf Tagen sei das "Ankündigungsvideo mit dem Aufruf zum Gebetstag in den Sozialen Medien über 20.000-mal angeklickt worden. Hunderte von E-Mails mit Rückfragen habe man beantwortet".
Weitere Gebetstage fanden Ende Februar und Ende März statt. Beim zweiten Gebetstag wurde zum "Dank für Gebetserhöhrung" aufgerufen: "Gemeinsam wollen wir unserem Gott und Vater danken, denn Er hört das Bitten Seiner Kinder.
Die Pläne zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland geraten, so scheint es, immer mehr in die Kritik; das Vorhaben, in Baden-Württemberg eine 3-G-Regelung für Gottesdienste einzuführen, wird zunächst nicht umgesetzt; und die einrichtungsbezogene Impfpflicht soll zumindest in Bayern und Sachsen vorerst ausgesetzt werden."
Im Aufruf zum dritten Gebetstag am 27. März 2022 hieß es:
Dankbar sind wir, dass in der letzten Woche die allgemeine Impfpflicht nicht beschlossen werden konnte, obwohl der Kanzler das geplant hatte. Die kritischen Stimmen werden zahlreicher, wie auch die jüngste Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag zeigte. In Sachsen wurde Ministerpräsident Kretschmer von der eigenen Fraktion ausgebremst. So lasst uns trotz aller Spannungen getrost weiterbeten.
Nach der Abstimmung im Bundestag eine Erklärung des ACCH:
Am Donnerstag, den 7. April 2022, hat der Deutsche Bundestag die Anträge auf Einführung einer allgemeinen Impfpflicht abgelehnt. Der ACCH hatte seit Januar 2022 zu drei Gebetstagen aufgerufen, bei denen wir gemeinsam mit tausenden von Christen in Deutschland und weit darüber hinaus für Gottes Eingreifen in dieser Sache gebetet hatten. Außerdem hatte der ACCH Ende Februar ein Schreiben an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags sowie die Regierungschefs der Länder geschickt, in dem wir erläuterten, warum sich viele Christen aus Glaubens- und Gewissensgründen einer Impfpflicht nicht unterordnen könnten.
Nun haben wir Grund, voller Freude und Dankbarkeit den HERRN, unseren Gott, zu preisen. Denn Er hat die Stimme unseres Flehens gehört und nicht zugelassen hat [sic], dass der Staat so tiefgreifend über unsere Körper bestimmt.
Diese Erklärung erwähnt ein Schreiben an zahlreiche Politiker. Unterzeichnet hätten 150 Evangelikale, darunter Hartmut Steeb, und Pfarrer Winrich Scheffbuch (beide Stuttgart).
Das sind bekannte Namen in der evangelikalen Szene mit zahlreichen Ämtern. Ämterhäufung ist unter Evangelikalen typisch. Bauer (58) zitiert Ulrich Betz, früheren Leiter der FeG Hamburg, "der deutsche Evangelikalismus werde im Wesentlichen von Personen getragen, weniger von Organisationen".
Und Guske (74) zählt eine Reihe evangelikaler Vereine und regelmäßiger evangelikaler Veranstaltungen auf, bei denen "immer die gleichen führenden Personen der evangelikalen Bewegung" auftauchten, darunter der genannte Hartmut Steeb. Der war früher Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz.
Das ist ein Netzwerk von Evangelikalen, gegründet im Jahr 1846, ein Dachverband für Evangelikale und international aktiv. Die Deutsche Evangelische Allianz hält zu ca. 370 überregionalen Werken und Verbänden Kontakt.
Es ist eine Art "Sammelbecken der Evangelikalen" (Bauer 642). Hartmut Steeb ist also nicht irgendwer. Er wurde auch Mitinitiator eines Aufrufs "Christenstehenauf", die möchten, dass in der Debatte um eine Impfpflicht im Kampf gegen die Coronapandemie Geimpfte und Ungeimpfte nicht gegeneinander ausgespielt werden. Zudem plädieren sie dafür, in der Debatte Runde Tische in Kirchengemeinden einzurichten – ähnlich wie zu Zeiten nach der Friedlichen Revolution 1989 in der DDR."
Idea gibt den ACCH wieder: "Man habe sich mit dem (ersten) Gebetstag vor allem an die 'bibeltreue Szene' im deutschsprachigen Raum gewandt. Mit dem Schreiben dann wandte man sich an die höchsten Politiker.
Es fällt auf, dass viele führende Evangelikale auch versteckt eine Impfpflicht kritisieren. So berichtet idea über einen öffentlichen Auftritt von Christoph Raedel, Dozent an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen – eine fundamentalistische Kaderschmiede: Die Coronakrise erinnere die Gesellschaft daran, dass Gott der Herr über alles sei.
"Außerdem segne Gott durch die Krise auch, indem er zeige, wie wichtig Beziehungen seien. Wahrhaftige Begegnung und Berührung seien digital nicht ersetzbar. Für die Gesellschaft könne Segen aus der Krise entstehen, 'wenn wir wahrnehmen, dass der Herr uns durch sie lehrt, dass wir mitten im Leben vom Tod umfangen sind'. Eine Gesellschaft, die 'kein gesundes Verhältnis zum Tod hat', sei todkrank. In diesem Punkt hätte er sich auch ein 'deutlicheres Wort der Kirchen' gewünscht, so Raedel."
Ich habe mich auf deutsche Quellen gestützt. Vermutlich geht es in den USA ähnlich zu. Und von da habe ich Zahlen. Idea berichtete am 12. Februar dieses Jahres über eine US-Umfrage:
Die Impfquote ist bei weißen Evangelikalen in den Vereinigten Staaten am niedrigsten. Zu dem Ergebnis kommt das "Pew Research Center" (Washington) in einer repräsentativen Studie. Demnach haben bisher 62 Prozent der erwachsenen weißen Evangelikalen mindestens eine Dosis eines Corona-Vakzins erhalten. Bei den weißen "Mainline"-Protestanten liegt der Wert dagegen bei 77 Prozent, bei Katholiken sogar bei 85 Prozent und damit höher als bei Konfessionslosen (80 Prozent).
Das legt einen Zusammenhang nahe. Es gab auch seit Beginn der Pandemie immer wieder Berichte über große freikirchliche Gottesdienste in den USA ebenso wie Europa, die zu Infektionsclustern wurden.
Und so schrieb das Gesundheitsamt des Lahn-Dill-Kreises Mitte Dezember 2021 110 Glaubensgemeinschaften an und fragte nach der Art ihrer Veranstaltungen. Diese Frage kam auf, weil sich 154 Personen im Zusammenhang mit Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften mit dem Coronavirus angesteckt hatten und eine Person gestorben war. Das Ganze machte viel Wirbel in freikirchlichen Kreisen und führte zu einer Aussprache im Kreistag.
Am Schluss schrieb idea dass der
Sozialdezernent des Kreises, Stephan Aurand (SPD), (...) bei einer Aussprache im Kreistag (sagte): 'Viele Freikirchen haben gute und wichtige Arbeit geleistet. Es stand uns fern, Freikirchen in ein falsches Licht zu stellen.' (...) Gegen die Diskriminierung von Freikirchen hatte sich der CDU-Kreistagsabgeordnete Daniel Steinraths (Lahnau) in einem Schreiben an den Kreis gewandt. In der Aussprache erklärte er nun, dass viele Religionsgemeinschaften nach Recht und Ordnung gehandelt hätten. Der Brief des Kreises habe sie 'vor den Kopf gestoßen'. Aurand pflichtete Steinraths einerseits bei, meinte aber zugleich, dass das Schreiben im Ton freundlich gehalten gewesen sei. Steinraths sagte IDEA, dass die CDU es erreicht habe, dass der Kreis nicht länger 'alle Freikirchen über einen Kamm' schere. Wünschenswert wäre es jedoch gewesen, wenn die Kreisverwaltung von Anfang an missverständliches Handeln vermieden hätte.
Ein starkes Beispiel für politisches Engagement von Freikirchen in Sache Corona.
Mitte Februar dieses Jahres geriet Michael Diener in die evangelikalen Schlagzeilen. Diener war von 2009 bis 2020 Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, der Organisation von Evangelikalen in der Landeskirche, auch eine sehr wichtige Dachorganisation von Evangelikalen.
Auch Diener ist nicht irgendwer, allerdings bekam er oft Gegenwind, etwa wenn er Homosexuelle nicht verurteilte. Laut idea erklärte er gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd), unter Pietisten und Evangelikalen
gebe es überdurchschnittlich viele Menschen, die einer Impfung gegen das Coronavirus skeptisch bis rigide ablehnend gegenüberstünden. Die Impfgegner seien zwar auch unter den theologisch konservativen Christen eine Minderheit, doch ihr Anteil sei höher als im evangelischen Durchschnitt.
Auf Nachfrage des Medienmagazins 'PRO' (Wetzlar) sagte das EKD-Ratsmitglied, er stütze sich bei seiner Einschätzung auf eigene Beobachtungen zu Gebieten mit regionaler Frömmigkeitsprägung – darunter das Erzgebirge, das Siegerland und Teile Württembergs –, Gespräche mit Verantwortlichen, eigenen Begegnungen und Erfahrungen in den Sozialen Medien.
Zunächst widersprach der Siegerländer Gemeinschaftsverband, dann der sächsische, und idea berichtete lang und breit. Es ist unfreiwillig komisch: Idea schreibt nämlich, dass
Diener (...) ferner laut epd die Ansicht vertreten [hatte], dass unter Pietisten und Evangelikalen 'ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Staat' herrsche. Hinzu komme bei manchen eine ausgeprägte Wissenschaftsskepsis. Wer die Evolutionstheorie ablehne, an den Kreationismus glaube und die Jungfrauengeburt als reale Tatsache ansehe, habe öfter auch mal grundlegend Probleme mit wissenschaftlichen Fakten, an denen die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ausgerichtet seien.
Dann gibt idea den Präses des Siegerländer Gemeinschaftsverbandes wieder: Es
könne von einem generellen Misstrauen gegenüber dem Staat keine Rede sein. Gemäß biblischen Aussagen, dass Christen der Obrigkeit untertan sein sollen, hielten sich Pietisten an die staatlichen Vorgaben zur Impfung und an die Corona-Regeln. Sie würden sich nur dann staatlichen Anordnungen verweigern, wenn diese dem Willen Gottes widersprächen.
Pietisten seien auch nicht wissenschaftsfeindlich. Sie hätten nur ein Problem damit, wenn sich die Wissenschaft von biblischen Grundaussagen entferne. So halte der Gemeinschaftsverband daran fest, dass die Jungfrauengeburt durch den Heiligen Geist geschehen sei.