Wie wir im Westen unseren Optimismus verloren haben

Seite 2: Korrelation ist etwas wenig

Noch einmal Hayek: der große Fehler, den die Wissenschaft, die gern so exakt wie die Naturwissenschaften sein will, macht, ist, nur das für real und relevant zu halten, was messbar ist. Man versucht, Gesetzmäßigkeiten aus Korrelationen abzuleiten und meint, damit die wichtigsten Ursache-Wirkungs-Beziehungen gefunden zu haben.

Damit verleiht man dem eigenen Tun den Anschein von Wissenschaftlichkeit, wird aber in Wahrheit unwissenschaftlich, denn Wissenschaft muss die angemessenen Methoden nutzen, um die Zusammenhänge zu beschreiben, statt einfach Methoden zu übernehmen, die etwa in der Physik hervorragend funktionieren.

Hayeks Überlegungen zu seiner eigenen Disziplin lassen sich auf viele andere übertragen, aber aus heutiger Sicht muss man sagen, dass er dem optimistischen Denken dennoch stark verhaftet war. Das ist wenig überraschend, denn die Probleme, die auch ihn womöglich zum Postoptimisten nicht nur hinsichtlich der Ökonomie, sondern der Möglichkeiten der Wissenschaften überhaupt gemacht hätten, deuteten sich gerade erst an.

Hayek meinte noch, dass sich die Naturwissenschaften auf einem Feld bewegen würden, in denen die Probleme der Ökonomie nicht auftreten könnten. In den Naturwissenschaften wäre alles messbar, und aus den Korrelationen zwischen diesen messbaren Größen könnten durch Theorien die kausalen Gesetze abgeleitet werden, die das ganze Geschehen der Natur steuern.

Er sah nicht, dass das natürlich nur für die Welt des Labors und für eine Welt, die durch Technik quasi zum Labor gemacht wird, gilt.

Im Labor lässt sich weitgehend alles ausschalten, was nicht messbar ist. Und in der technisierten Umgebung unserer Gebäude und Straßen funktioniert das auch noch halbwegs.

Sobald aber die unkontrollierbare Außenwelt nicht mehr draußen gehalten werden kann, sondern mit ihrer ganzen Vielfalt und Unberechenbarkeit auf die Prozesse einwirkt, passiert den Naturwissenschaften genau das Gleiche wie der Ökonomie.

Herausforderungen dieser Art deuteten sich aber in den 1970ern erst an, die Umweltverschmutzung und das Waldsterben waren die ersten Phänomene, an die eigentlich mit naturwissenschaftlichen Konzepten beschreibbar waren, über die man aber doch kein zureichendes Wissen erlangen konnte. Noch heute ist z.B. unklar, inwiefern das Waldsterben ein natürliches Phänomen war, inwiefern der so genannte "saure Regen" dazu beigetragen hat und warum das Waldsterben dann zurückgegangen ist. Genau besehen ist noch nicht einmal klar, ob es wirklich nachgelassen hat.

Nicht alles kann gemessen werden, was relevant wäre, bei manchen Prozessen weiß man gar nicht, ob es sie nicht auch schon früher gab, man kann die aktuelle Situation nicht mit dem Zustand davor vergleichen, weil man darüber keine vergleichbaren Messungen hat. Das gilt fürs Waldsterben wie für die Pandemie. Keine Infektionskrankheit wurde zuvor so genau vermessen wie Covid-19, bei der dennoch die genauen Zahlen immer unbekannt bleiben werden.