Wie wir im Westen unseren Optimismus verloren haben
Seite 3: Naturwissenschaft und Technik helfen nicht
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Was folgt daraus? Für die großen Probleme der Menschheit, wie etwa Pandemien, aber auch für den Klimawandel, können uns die Naturwissenschaften und die damit verbundenen technischen Entwicklungen keine sicheren Lösungsperspektiven bieten.
Die Welt, in der wir agieren müssen, ist kein Labor, in dem man kontrolliert experimentieren und messen kann. Das erzeugt eine Unsicherheit, die umso größer ist, da wir nichts Besseres haben als die naturwissenschaftlichen Methoden.
Beispiel Klimawandel: aus naturwissenschaftlicher Sicht ist der physikalische Prozess, der dazu führt, dass sich die Atmosphäre erwärmt, wenn der CO2-Anteil zunimmt, seit einem Jahrhundert gut verstanden. Je mehr Komponenten aber berücksichtigt werden müssen, um die Konsequenzen und Auswirkungen dieses Effekts zu verstehen und vorherzusagen, desto unsicherer wird die Sache.
Wolkenbindungsprozesse in der Atmosphäre, überhaupt der Wasserkreislauf, das Verhalten von Gletschern und Eisschilden, die auf Gestein gleiten, die Vegetationszonen, nicht zuletzt die Entscheidungen der Menschen – vieles von dem kann nicht exakt gemessen werden, es braucht Annahmen und Schätzungen, und einiges ist auch verborgen und unverstanden.
Um aber politische Entscheidungen treffen zu können, die Einschnitte in das Leben aller Menschen und in die Grundlagen der Gesellschaft bedeuten, um riesige Finanzmittel und Ressourcen in gewaltigen Umfang zu aktivieren, vor allem aber, um Lösungen und Wege zu finden, die für die Leute akzeptabel sind, welche damit zurechtkommen sollen, bräuchte es aber doch Sicherheit, oder etwa nicht?
Da diese Sicherheit nicht gegeben werden kann, gibt es auch keinen Optimismus mehr, dass die Politik in absehbarer Zeit, rechtzeitig, Lösungen und Maßnahmen auf den Weg bringen kann, die das Problem lösen, bevor es zu ernsten Konsequenzen kommt. Das gilt für kommende Pandemien genauso wie für den Klimawandel und kriegerische Konflikte, es gilt genauso für viele andere gesellschaftliche Herausforderungen, etwa in der Bildungspolitik, beim Fachkräftemangel oder bei der Überalterung der Gesellschaft.
Was tun. Man kann, wenn man ehrlich ist, der Politik an dieser Situation nicht einmal die Schuld geben, man kann nicht auf bessere oder klügere Politiker und Berater aus Wissenschaft und Technik hoffen.
Der erste Schritt ist, sich das erst einmal einzugestehen. Das Problem ist der Optimismus selbst, deshalb ist der Postoptimismus ein notwendiges Durchgangsstadium. Das muss nicht im Pessimismus enden, sondern eher in der Zuversicht, dass der Mensch ein einfallsreiches, widerständiges und im Grunde auch gelassenes Wesen ist, das in schwierigen Bedingungen immer Wege findet, durchzuhalten und ein gutes Leben zu leben.
Mit so einer Zuversicht lassen sich auch die zukünftigen schwierigen Zeiten meistern. Die Wissenschaften mit ihren Einsichten in einige Zusammenhänge unserer Welt, die Techniker mit ihrem Einfallsreichtum und ihrem Talent, werden dabei hilfreich sein, wenn wir sie nicht überfordern.