Wieder neuer Inflationsrekord im Euroraum
Seite 2: Die Löhne und die Verbraucher
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Schließlich wird allseits längst Lohnzurückhaltung gepredigt, um eine Lohn-Preis-Spirale zu vermeiden. Die halten viele Beobachter für gefährlich. Das ist aber ein Mythos, der sich standhaft hält.
Wie wir dargestellt haben, hat zwar in den 1970er-Jahren der Ölpreisschock die Inflation angetrieben. Steigende Löhne haben der wirtschaftlichen Lage aber nicht nachhaltig geschadet, sondern die Wirtschaft über eine nicht gesunkene Kaufkraft sogar stabilisiert.
Tatsächlich muss nämlich auch Destatis längst eingestehen, dass die Reallöhne im ersten Quartal um mindestens 1,8 Prozent zurückgegangen sind.
Da auch hier wieder die Inflationsberechnung nach dem stark verzerrten VPI angewendet wurde, ist der reale Reallohnverlust noch höher. Die Inflation wird von Destatis in dem Dreimonatszeitraum nämlich nur mit 5,8 Prozent beziffert, während der der Nominallohnindex im 1. Quartal 2022 nach ersten und vorläufigen Ergebnissen der neuen Verdiensterhebung um 4,0 Prozent höher als im Vorjahresquartal gelegen habe.
Daraus ergebe sich ein preisbereinigter Verdienstrückgang von 1,8 Prozent. "Die Inflation zehrte somit den Nominallohnanstieg im 1. Quartal 2022 mehr als auf", stellt angesichts der Zahlen aber auch Destatis fest. Real ist, wie gesagt, die Lage noch schlechter.
Das zeigt sich auch an einer anderen Größe. "Einzelhandelsumsatz im April 2022 um 5,4 Prozent niedriger als im Vormonat", ist der Titel einer weiteren Destatis-Mitteilung in dieser Woche. "Damit erreichte der reale Umsatz den tiefsten Stand seit Februar 2021", resümieren die Statistiker.
Können die Reallohnverluste nicht über Lohnsteigerungen ausgeglichen werden, dann kommt es eben nicht zur Stabilisierung der Konjunktur, da ohnehin an allen Ecken und Enden den Menschen Kaufkraft geraubt wird.
Die Bundesregierung hofft, dass zum Beispiel über den Tankrabatt, der am vergangenen Mittwoch in Kraft getreten ist, die Inflation gedrückt werden kann. Das war zunächst auch in Spanien nach der Einführung der Fall, wo ein Rabatt von 20 Cent gewährt wird.
Lag die Inflationsrate im März schon bei 9,8 Prozent, ging sie im April tatsächlich auf 8,3 Prozent zurück, doch sie steigt nun wieder. Im Mai waren es schon wieder 8,5 Prozent. Ohnehin sieht es in Deutschland so aus, als würden die Tankstellen den Rabatt gar nicht vollständig an die Verbraucher weitergeben.
Zwar waren am 1. Juni die Spritpreise gesunken, aber nicht um den möglichen Wert. "Damit die Steuersenkung vollständig an die Verbraucher weitergegeben wird, müsste Super E10 um weitere acht Cent und Diesel um rund fünf Cent günstiger werden", erklärte der ADAC.
Doch statt weiter zu sinken, gingen die Spritpreise gleich am zweiten Tag wieder hoch, wie Christian Laberer vom ADAC kritisierte. Dem Verkehrsklub zufolge kostete zum Beispiel der Liter Super E10 am Donnerstag um 14.20 Uhr bundesweit im Durchschnitt 1,89 Euro – 3,2 Cent mehr als noch 24 Stunden davor. Diesel kostete 1,94 Euro und somit 2,8 Cent mehr.
"Es scheint so, dass ein großer Teil der für die Verbraucher gedachten Entlastung im Moment bei der Mineralölindustrie landet", schlussfolgert der ADAC-Experte.
Gesetzliche Vorgaben fehlen
Wieder einmal, muss man sagen. Denn es ist seit Langem klar, wie Telepolis schon im März aufgezeigt hatte, dass sich derart hohe Spritpreise nur über Gier und Spekulation erklären lassen. Die Rekordgewinne bei den Mineralölkonzernen bestätigen das inzwischen längst. Der ADAC meint, dass ein Liter Super E10 nun bei 1,60 Cent liegen müsste, wovon man noch immer 30 Cent entfern sei. Der Experte befürchtet, dass die Preise hoch bleiben.
Denn, das hat der Präsident des Bundeskartellamtes im Interview erklärt, es fehlen gesetzliche Vorgaben. Andreas Mundt sagte im Deutschlandfunk: "Die Konzerne sind nicht verpflichtet, von Gesetzeswegen den Tankrabatt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben."
Ist das nur Pfusch? Klar ist, dass mit dieser ohnehin absurden Gießkannen-Maßnahme, die keinerlei ökologische Steuerungswirkung hat, zudem Vielfahrer begünstigt, vermutlich nicht einmal zu einer stärkeren Bremsung der Inflation führen dürfte.
"Damit der Tankrabatt auch auf der Tankquittung ankommt, darf das Bundeskartellamt nicht länger nur von der Seitenlinie zusehen, sondern muss endlich in das Profit-Spiel der Mineralölriesen eingreifen", fordert deshalb der finanzpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Christian Görke.
Auch er verweist darauf, dass neben Italien und Griechenland auch Großbritannien und Ungarn inzwischen eine Übergewinnsteuer eingeführt haben. Darüber werden die Extraprofite der Konzerne mit 25 Prozent besteuert. Das klingt zwar gut, aber 75 Prozent der Extragewinne bleiben trotz allem inflationstreibend bei den Mineralölkonzernen hängen.