Spanien will Spritpreise am Freitag um 20 Cent senken

Archivbild: Ralf Streck

Tankstellen haben Preise aber schon um bis zu 30 Cent erhöht. Über eine unpraktikable, typische Flickschusterei bei Treibstoff- und Strompreisen, die Oligopole verschont. Kommentar

Der geballte Unmut im Land, der sich auch im Streik der selbstständigen LKW-Fahrer deutlich zeigt, setzt die sozialdemokratische Regierung unter Handlungsdruck.

Es ist der Regierung mit ihren Mitteln - Spaltung und Diffamierung - bisher nicht gelungen, die selbstständigen Fahrer, die schon seit mehr als zwei Wochen streiken, zur Aufgabe zu bringen. Dass man Hilfen nur mit großen Transportunternehmer-Verbänden ausgedealt hat, die gar nicht im Streik waren, hat die Wut vieler "Autonomos" – wie die prekären Selbständigen in Spanien heißen, weiter angefacht.

Nun haben die Sozialdemokraten (PSOE), die zu strukturellen Veränderungen nicht fähig oder bereit sind, ein neues Hilfspaket im Umfang von 16 Milliarden Euro aufgelegt. Damit sollen unter anderem die Spritpreise ab Freitag an den Tankstellen um 20 Cent über den "Kriegs-Reaktionsplan" befristet bis zum 30. Juni purzeln.

15 Cent davon soll der Staat tragen, fünf Cent die Mineralölfirmen. So haben es sich die "Spezialdemokraten" ausgedacht, wie sie immer öfter genannt werden. Faktisch soll nun für alle umgesetzt werden, was zuvor LKW-Fahrern angeboten wurde.

Das ist aber nicht nur die berühmte Gießkanne, alle gleich trifft, egal, wie viel Geld der eine oder die andere in der Tasche haben. Sozial ist das nicht. Die Maßnahme ist praktisch nicht wirklich sinnvoll umsetzbar.

Überraschen uns jetzt wirklich Meldungen, dass schon bei einigen Tankstellen-Ketten die Spritpreise nach der Ankündigung um 15 bis 30 (!) Cent erhöht wurden? Ob beim Verbraucher oder bei LKW-Fahrern real eine Erleichterung ankommt, wird sich noch zeigen müssen.

Geld vorstrecken: Existenzängste kleiner Tankstellenbetreiber

Klar ist nur, dass viel Spezialdemokratie drin ist, wenn Spezialdemokratie draufsteht. Kleine Tankstellenbetreiber fürchten jetzt um ihre Existenz. Sie sollen die 20 Cent für jeden Liter vorstrecken, der an ihrer Tankstelle getankt wird. Irgendwann und irgendwie sollen sie das Geld vom Staat zurückerhalten. Wie das geschehen soll, hat die Regierung von Pedro Sánchez bisher nicht verraten.

Tankstellenbetreiber, die zum Teil auch nur "Autonomos" sind, fordern, dass ihnen das Geld für die Subvention vorgestreckt wird, da sie die nötigen Rücklagen nicht haben. Es gehe um monatlich 40.000 Euro. Wer die Bürokratie in Spanien kennt, weiß, wie schnell der Staat zwar beim Kassieren ist, aber bei der Rückzahlung meist viel Zeit verstreichen lässt – und der versteht die Angst.

Zwar schreien die neoliberalen Rechten im Land stets nach Steuersenkungen, auch jetzt wieder. In dem Fall kann man das aber nachvollziehen, wenn der Staat für Spritpreissenkungen sorgen will. Eine temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer vom Höchstsatz (21 Prozent) auf den verminderten Satz (10 Prozent) hätte auch mehr als 15 Cent gebracht, ohne ausufernden Verwaltungsaufwand und Pleite-Gefahr.

Doch die Sozialdemokarten haben, wie beim Sozialgeld oder den Corona-Hilfen, bewiesen, dass sie ihrem Ruf, große Bürokratiemonster erschaffen zu können, stets gerecht werden können.

Linke Unterstützer der Regierung wollen ihre Stimmen für diese Hilfen geben, anders als bei der lächerlichen Arbeitsmarktreform. Aber sie fordern endlich strukturelle Reformen.

Milliardengewinne der Oligopole

Denn die Regierung geht weiter nicht an Milliardengewinne heran, die auf die Oligopole als "zufällige Gewinne", als sogenannte "Windfall-Profits" herabregnen. Es handelt sich bei der Festlegung des Strompreises sowohl in Deutschland wie in Spanien und in der ganzen EU um keine "Konstruktionsfehler", sondern das geschieht bewusst, wie an dieser Stelle gerade gezeigt: Strompreise: Vom Himmel fallende Milliardengewinne.

Die Strompreis-Festlegung ist in Spanien besonders absurd. Gepaart mit einem absurden Tarifmodell, auch von Spezialdemokraten eingeführt, regnen noch mehr Milliarden auf das Oligopol herab. Ausgerechnet einfache Verbraucher werden besonders hart getroffen, da die exorbitanten Strompreise über die flächig eingeführten Smart-Meter tagesaktuell auf die Verbraucher abgewälzt werden können.

Risiken hat das Oligopol praktisch keine. Die spanische Regierung hat sich, als sie nur versuchte, einen Teil dieser Windfall-Profits abzuschöpfen, schlicht erpressen lassen.

Ein Sieg für Sánchez?

Sánchez hat, was eine angebliche Deckelung des Strompreises angeht, angeblich in Brüssel gerade einen Sieg erreicht, wie man zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) erklärt bekommt.

Dabei hat er real bisher rein gar nichts erreicht. Er musste seine Forderung, den Strompreis in der EU auf 180 Euro pro Megawattstunde zu deckeln, im Vorfeld sogar zurückziehen. Erreicht hat Sánchez nur, dass die EU einen Plan prüfen will, die Ermittlung des Strompreises zum Teil vom Erdgaspreis auf der Iberischen Halbinsel zu entkoppeln. Wie diese Tage beschrieben, ist es absurd, dass der gesamte Strom in Spanien sich nach der teuersten Erzeugungsart (derzeit Erdgas) richtet.

Reale Veränderungen?

Wie wenig Bereitschaft die Sozialdemokraten haben, real etwas zu verändern, zeigt sich schon am neuen Streit mit dem linken Juniorpartner. Die Podemos-Chefin Ione Belarra hatte vorgeschlagen, den Großmarktpreis pro Megawattstunde Gas auf 30 Euro zu beschränken. Die ultra-neoliberale Wirtschaftsministerin, die auch bisher praktisch alle progressiven Vorstöße ausbremsen konnte, fuhr Belarra sofort über den Mund.

Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die als Eurogruppenchefin aus guten Gründen abgelehnt wurde, spricht schon jetzt von "Entschädigungen", die dem Oligopol bezahlt werden müssten, statt sich zu fragen, wie man der Spekulation begegnet und die Windfall-Profits abgreifen kann, um endlich die Rechnung für die Verbraucher zu senken.

Über eine Verstaatlichung der Energieversorgung wollten die Sozialdemokraten bei den Koalitionsverhandlungen nicht einmal reden.

Der Vorstoß des linken Koalitionspartners, einen staatlichen Energieversorger zu schaffen, der als Konkurrent zum Strom-Oligopol auftritt, wurde von der gesamten neoliberalen Rechten – bis hin zu den Vox-Ultras – abgeschmettert.

Dabei sollte das nicht über Verstaatlichung gehen, sondern auslaufende Konzessionen für Wasserkraft sollten dafür genutzt werden. Zwar spricht Podemos bisweilen vom "Mafia-Oligopol", doch hat sich die Linkskoalition derart in eine Sackgasse manövriert, dass sie aus Angst davor, dass bei Neuwahlen eine rechte-ultrarechte Regierung kommen könnte wie in Madrid oder Kastilien-León, letztlich alle Kröten schluckt.