Arbeitsmarktreform: Spanische Regierung am Abgrund

Tausende haben immer wieder gegen diese Arbeitsmarkreform und den Wortbruch im ganzen Land demonstriert wie hier in Donostia-San Sebastián. Bild: Ralf Streck

Abstimmungsfehler verhindert Absturz der Reform; Sozialdemokraten brechen mit linken Unterstützern und vollziehen einen Rechtsschwenk

Jetzt ist der Bruch mit den Parteien vollzogen, die die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Spanien unter Pedro Sánchez vor zwei Jahren an die Macht gebracht haben. Um sein Dekret zur Arbeitsmarktreform im Parlament bestätigen zu können, mussten die Sozialdemokraten (PSOE) von Ministerpräsident Sánchez und die Linkskoalition "Unidas Podemos" (UP) um Stimmen bis tief ins rechte Lager buhlen. Denn die bisherigen linken Unterstützer aus dem Baskenland, Katalonien und Galicien hatten ein klares Nein angekündigt.

Das sagt schon viel aus über eine Reform, die mit Arbeitgebern ausgehandelt wurde und die nach der Abstimmung von ihnen beklatscht wurde, da die vorhergehende Reform im Wesen unangetastet blieb, wie sie unumwunden zugeben. 95 Prozent der vorigen Reform bleiben ihrer Ansicht nach erhalten.

Versprochen hatten PSOE und UP den Wählern aber kein "Reförmchen" der vorausgegangenen ultra-neoliberalen Reform, vielmehr wollten sie diese Reform streichen. Das hatten beide Parteien in den letzten beiden Jahren auch Unterstützern immer wieder schriftlich zugesichert, um ihre Stimmen für andere Vorhaben zu bekommen.

Es handelt sich nun also ganz klar um einen Wortbruch. Der beschädigt die Glaubwürdigkeit der Linkskoalition UP erheblich, zumal das Reförmchen, das die UP-Arbeitsministerin Yolanda Díaz ausgehandelt hatte, die ihr Ergebnis auch noch als "historisch" bezeichnet, recht ärmlich ausfiel.

Regierung: Keine Mehrheit mehr im Parlament

Bei der Abstimmung zeigte sich, dass diese Regierung über keine Mehrheit im Parlament mehr verfügt. Das Reförmchen ist nur deshalb mit 175 zu 174 angenommen worden, da sich offenbar ein Parlamentarier der rechten Volkspartei (PP) geirrt und falsch abgestimmt hat. Es ist aber auch ein Armutszeugnis, dass die deutsche Presse vom Spiegel bis zur Deutschen Welle sich in ihren Berichten an dem Irrtum aufhängen.

Tatsächlich wird der Vorgang ein gerichtliches Nachspiel haben. Die rechte PP behauptet, der Parlamentarier habe richtig abgestimmt, nur ein Computerfehler habe zu einem falschen Endergebnis geführt. Etwas merkwürdig war das tatsächlich, da auch die Parlamentspräsidentin Meritxell Batet zunächst verkündet hatte, die Reform sei abgelehnt worden.

Sie musste sich korrigieren. Sie ließ nach ihrer Korrektur aber nicht zu, dass auch der PP-Abgeordneten seine Stimme korrigieren konnte, sie also mit dem von ihm beabsichtigten "Nein" gewertet werde. Die PP will auch deshalb vor das Verfassungsgericht ziehen, da Batet diese Entscheidung ihrer Einschätzung nach auch nicht allein hätte treffen dürfen, sondern in Abstimmung mit den Mitgliedern des Parlamentspräsidiums.

Doch wir wollen uns hier nicht weiter Vorgängen widmen, die eher nebensächlich sind. Worüber in deutschen Medien nämlich nicht berichtet wird, ist, dass sich in dem die Regierung einen Rechtsschwenk vollzogen hat. Die Zustimmung, die es eigentlich nicht gab, kam nur mit Stimmen der rechten Ciudadanos (Cs) zustande und mit Stimmen der noch rechteren Regionalpartei UPN aus Navarra.

Was dieser Vorgang politisch bedeutet, ist nichts anderes als der Bruch vor allem mit linken Unterstützern, wenngleich auch die christdemokratische Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) den Sozialdemokraten von der Stange gegangen ist. Katalanischen, baskischen und galicischen Parteien ist angesichts dauernder Madrider Wortbrüche definitiv der Kragen geplatzt. So z.B wurde auch das sogenannte "Maulkorbgesetz" zur Beschränkung der Meinungsfreiheit nicht wie versprochen gestrichen, sondern nur etwas kleiner, wie auch Amnesty International befand.

Dass es auch den versprochenen Dialog zur Lösung des Konflikts mit Katalonien wie erwartet nicht gibt, dafür aber die Repression anhält, ist ein weiterer Streitpunkt, mit dem diese Regierung Glaubwürdigkeit verspielte, wie auch in sozialen Fragen und bei den exorbitanten Strompreisen.

Die rechte PP, deren ehemaliger Parteichef die Arbeitsmarktreform über seine Faes-Stiftung ebenso beklatscht wie die Großbanken, nimmt die "Linksregierung" immer stärker in die Zange und nutzt dafür auch die Arbeitsmarktreform. Dabei hätte die PP eigentlich mit Ja stimmen müssen. Dass der Kündigungsschutz 2011 praktisch abgeschafft wurde, blieb genauso unangetastet, wie die stark gesenkten Abfindungen, die weiter auch kein Kündigungshindernis darstellen. Auch regional bessere Tarifverträge werden weiter über national schlechtere ausgehebelt.

Die Wahlen in der wichtigen Hauptstadtregion Madrid hätten für die Sánchez Sozialdemokraten und Podemos eigentlich eine Warnung sein müssen. Anders als in Portugal, wo der Sozialist Costa gerade eine absolute Mehrheit erzielte, hat Madrid schon gezeigt, was passiert, wenn eine "Linksregierung" keine linke Politik macht.

Die rechte Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso sahnte ab und regiert nun mit Unterstützung der ultrarechten Vox. Das wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit beim nächsten Test am kommenden Sonntag bei den vorgezogenen Neuwahlen in Kastilien-Leon wiederholen. Der Rechtsschwenk von Sánchez war genau der Schritt in die falsche Richtung.

Costa hat die Wahlen in Portugal nur gewonnen, weil er von linken Unterstützern zu linker Politik gezwungen wurde. Mit denen konnte er im Wahlkampf punkten, wie auch Mitglieder seiner Partei im Gespräch mit Telepolis geäußert haben.