"Mehr Viehwirtschaft statt Kommunismus"

Serrano-Schinken. Bild: Jardoz/CC BY-SA 3.0

Die spanische Rechte im Frontalangriff auf Politiker, die sich gegen schädliche Massentierhaltung wenden

Der Slogan "Freiheit oder Kommunismus" hatte der Rechten im Wahlkampf um die bedeutende spanische Hauptstadtregion schon einen Sieg beschert. Damit hatte Isabel Díaz Ayuso von der Volkspartei (PP) auch am rechten Rand Stimmen eingesammelt, ist populistisch aber auch ins linke Lager eingedrungen.

Sie konnte zwei Ziele erreichen: Sich der angeblich liberalen Ciudadanos (Cs) entledigen, damit ihre Volkspartei (PP) – eine Schwesterpartei der CDU – allein mit Unterstützung der ultrarechten Vox-Partei regieren kann, auf die die PP-Cs-Koalition schon zuvor angewiesen war. Ayuso hat kein Problem, sich selbst und ihre Partei als "Faschisten" zu bezeichnen.

Im angrenzenden Kastilien-Leon will die PP mit vorgezogenen Neuwahlen den Coup am 13. Februar wiederholen. Sie missbraucht in der ländlich geprägten Region dafür die Viehwirtschaft. "Mehr Viehwirtschaft und weniger Kommunismus" heißt der PP-Slogan. Auf Twitter wurde extra dafür ein Hashtag geschaffen.

Gezeigt wird vor allem der Minister für Verbraucherschutz, Alberto Garzón. Der blasse Garzón, Chef der Vereinten Linken (IU), hatte unter anderem in einem Interview mit dem britischen Guardian eine Steilvorlage für den Frontalangriff geliefert.

"Weniger Fleisch essen, um die Klimakrise zu bekämpfen"

"Spanier sollten weniger Fleisch essen, um die Klimakrise zu bekämpfen", überschrieb die Zeitung das Interview. Das ist eine grundsätzlich richtige Aussage, denn Spanien ist Spitzenreiter beim Fleischkonsum – mit fast 100 Kilogramm im Jahr ist mit großem Abstand Spitzenreiter in Europa.

Doch seine Aussagen werden von der Rechten verzerrt und aus dem Zusammenhang gerissen. Vor allem hatte sich Garzón auf die Schweinemast in immer größeren Massentierhaltungsbetrieben – sogenannter "macrogranjas" – bezogen.

Spanische Landwirtschaft und Schinken

Er hatte die "extensive Landwirtschaft", die es in weiten Teilen Spaniens noch gibt, als "nachhaltige ökologische" Alternative verteidigt, die hochwertiges Fleisch liefert, zum Beispiel für schmackhafte hochwertige Schinken wie "jamon de bellota" (z.B. Jabugo). Serrano-Schinken sagt zum Beispiel nichts über die Lebensbedingung der Tiere aus anders als zum Beispiel auch "Jamón Ibérico", bei dem die Tiere ebenfalls frei in beweideten Eichenhainen leben müssen.

Mit Mastschweinen aus riesigen stinkenden Anlagen, wo die Tiere zum Teil unter unsäglichen Bedingungen gehalten werden, ist es unmöglich, einen vernünftigen fettarmen Schinken zu produzieren. Doch die Fleischfabriken breiten sich weiter auf dem Land in Spanien aus, was auch enorme Umweltprobleme mit sich bringt. Sie gefährden oder verseuchen das Grundwasser und mit viel Methan geben sie zudem ein Klimagas frei, das etwa 80-mal so stark wie CO2 wirkt.

Es war aber taktisch falsch, dass Garzón die Frage wenig vorbereitet erneut, zudem im Vorwahlkampf, aufgeworfen hat. Er war von Regierungschef Pedro Sánchez schon einmal abgestraft worden, als er, von dem sonst praktisch nichts mitbekommt, die Frage im vergangenen Sommer schon einmal aufgeworfen und für viel Aufregung gesorgt hatte. Garzón hatte eine Kampagne mit dem Motto gestartet: "Weniger Fleisch, mehr Leben".

Taktisch falsch

Er hatte erklärt, dass die Reduzierung des Fleischkonsums nicht nur für die Gesundheit der Menschen gut sei, sondern auch zur Erhaltung des Planeten wichtig wäre. Das war nicht gut angebracht in einer Phase, in der die Spanierinnen und Spanier wegen der harten Coronakrise den Gürtel immer enger schnallen mussten, weil sie arbeitslos waren oder in Kurzarbeit steckten. Das klang etwa so, als wolle man ihnen jetzt auch noch das Fleisch vom Teller nehmen, das sie sich einige ohnehin manchmal kaum noch leisten konnten.

Sánchez: Aficionado von T-Bone-Steaks

Regierungschef Sánchez trat seinem Minister damals mit den Worten vors Schienbein. "Wo man mir einen kurz gebratenes T-Bone-Steak anbietet..., das ist unschlagbar." Anstatt sich im Verbraucherschutz Fragen zu widmen, wo im Land vieles im Argen liegt und also viel für breite Bevölkerungsschichten zu verbessern wäre, rennt Garzón in einer Frage weiter in eine Sackgasse, die ohnehin nur bedingt in sein Ressort gehört. Er hat damit der Koalitionsregierung eine neue Krise beschert.

Die rechte Opposition fordert seinen Kopf. Jedes PP-Mitglied tritt derzeit auf einer Weide vor Kühen auf, wobei es doch vor allem um Schweine ging. Einige machen eine unfreiwillig ziemlich lächerliche Figur. Doch viele in der Viehwirtschaft sind sauer auf Garzón, weil sie sein Anliegen nicht verstanden haben, auch gar nicht verstehen konnten.

Eigentlich will er kleinere Betriebe vor qualitativ schlechtes Billigfleisch aus der extremen Massentierhaltung schützen, mit denen viele nicht konkurrieren können. Es reicht aber nicht, Artikel in der befreundeten Online-Zeitung eldiario.es zu schreiben oder Interviews im Guardian zu geben, um Landwirte zu überzeugen, die diese Blätter nicht lesen. Dazu braucht es eine längere Überzeugungsarbeit an der Basis. Die wird kaum gemacht.

Sozialdemokraten fürchten "Flächenbrand"

Die Sozialdemokraten (PSOE) von Sánchez gehen zu Garzón auf Distanz, der nur nicht geschasst wird, um zu vermeiden, dass schwelende Krisen sich zum Flächenbrand ausweiten, was das Ende der Regierung wäre. Sie erklären, Garzón habe mit "unglücklichen" Äußerungen nur seine "Privatmeinung" geäußert, nicht die der Regierung. Das ist Humbug, wie die Vize-Ministerpräsidentin Yolanda Díaz erklärte.

Die Parteifreundin von Garzón sprang ihm bei und machte deutlich, dass "Garzón nur das erläutert hat, was die Regierung und die EU vertreten". Schließlich ist der Klimaschutz ein zentraler Teil der Koalitionsvereinbarungen. "Es wäre absurd, wenn er gehen müsste, weil er sich an die Regierungsvereinbarung gehalten hat.".

Das Problem ist aber, dass sich die PSOE praktisch an keine Vereinbarung hält, auch nicht in der Frage der Arbeitsmarktreform, für die die Regierung bisher keine Mehrheit hat. Es war ein schwerer Fehler der Arbeitsministerin Díaz, diese Reform als "historisch" verkaufen zu wollen, da nur etwa fünf Prozent der vorangegangenen Reform tatsächlich verändert wurden. Versprochen hatte man aber, sie komplett zu schleifen.

Auch die PP weiß, dass weder diese Reform noch das Vorhaben von Garzón etwas mit Kommunismus zu tun haben, ja nicht einmal etwas mit Sozialdemokratie, wenn deren ultraliberale Reform nun zu 95 Prozent bestätigt wird. Sie wurde zudem mit den Arbeitgebern ausgehandelt. Das gilt aber auch für eine Erhöhung des Mindestlohns um lächerliche 15 Euro im Monat, die von der offiziellen Rekordinflation von fast sieben Prozent längst aufgefressen wird.

So tun die "Kommunisten" eben nicht das, was die renommierte Verhaltensforscherin und Tierfreundin Jane Goodall gerade spanischen Fernsehen zur Frage Tier- und Klimaschutz an Weisheit von sich gegeben hat.

"Wir können daran nichts ändern, bevor nicht die Armut beseitigt ist, denn ein armer Mensch hat keine Wahl, muss einfach das billigste kaufen, um überleben zu können und das ist das große Problem."