LKW-Streik: Versorgungslage in Spanien spitzt sich zu
Billigtankstellen ohne Sprit und geschlossene Supermärkte - selbstständige Fahrer streiken seit neun Tagen. Verbände drohen mit Ultimatum. Die sozialdemokratische Regierung steht unter Druck
Die Versorgungslage in Spanien spitzt sich nach mehr als einer Woche LKW-Streik immer weiter zu.
Zum Teil haben Billig-Tankstellen keinen Sprit mehr. Supermärkte werden wegen fehlenden Produkten zum Teil geschlossen. Auch andere Produkte werden knapp oder sind zum Teil nicht mehr erhältlich, weil viele selbstständige LKW-Fahrer streiken.
So fahren zum Beispiel auch viele Fischer wegen hoher Treibstoffpreise derzeit nicht aus. Zum einen ist die Fischerei kaum noch rentabel, zum anderen fürchten sie, ihre Fangquoten aufzubrauchen, aber dann auf dem Fisch sitzenzubleiben, da keine LKW ihn abtransportieren. Deshalb bleibt zum Beispiel die baskische Küstenfischereiflotte weiter in den Häfen.
Schon seit einer Woche fahren die "Arrantzales" nicht mehr aus. Täglich werde man nun eine Entscheidung treffen, erklärt Miren Garmendia, die Generalsekretärin der Fischervereinigung Itsas Etxea in Donostia-San Sebastián. Man hofft auf ein Einlenken der Regierung, damit die endlich etwas tut, um die explodierten Treibstoffpreise zu senken.
Die Lage für den Sozialdemokraten Pedro Sánchez, der eigentlich erst am 29. März eine Entscheidung treffen wollte, wird schwieriger. Bisher konnte er noch so tun, als handele es sich bei den Fahrern nur um eine radikale Minderheit. "Das ist kein Streik, sondern ein Boykott", erklärte etwa die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño vergangene Woche.
Verhandeln ist bekanntlich nicht gerade eine Tugend der Regierung, die sich weigert, mit den Truckern zu sprechen und damit die Lage verschärft.
Ultimatum an Sánchez
Doch jetzt haben auch die großen "regierungstreuen" Verbände, wie die Zeitung El País sie nennt, Sánchez ein Ultimatum gestellt. Entweder es gibt sofort Direktsubventionen für die LKW-Branche oder den Mitgliedsunternehmen werde freigestellt, sich dem Streik anzuschließen. Spätestens dann wird die Versorgungslage im Land dramatisch.
Die Preise für viele Produkte gehen ohnehin schon durch die Decke. Und schon vor dem Ukraine-Krieg, mit dem die Spritpreise vor allem über Spekulation in die Höhe getrieben werden, verzeichnete Spanien im Februar eine offizielle Inflation von 7,4 Prozent.
Die dürfte im März nun zweistellig werden. Gerade für die selbstständigen Fahrer, die längst am Rande der Existenz fahren, blieb kaum noch ein anderer Ausweg, als auf die Barrikaden zu gehen. Denn sie können die heftig gestiegenen Spritpreise nicht weitergeben. Statt Empathie setzte die Regierung auf Verunglimpfung und Repression.
Auch die Produktion bricht immer stärker ein und der Cocktail für die gefährliche Stagflation wird gemixt. Stahlwerke haben die Produktion eingestellt oder zurückgefahren. Der LKW-Streik kommt hier zu extremen Strompreisen hinzu, weshalb Stahlwerke schon zuvor zu Produktionsstopps gegriffen hatten.
Immer mehr Industriebetriebe schließen ihre Pforten. Im Baskenland ruhte die Produktion zum Beispiel am Montag bei Mercedes, da Teile fehlen. So sah das auch bei Volkswagen in Pamplona aus, wo die Produktion diese Tage wieder anlaufen soll.
Ungemütliche Lage für die Sozialdemokraten
Es braut sich eine ungemütliche Lage für die Sozialdemokraten zusammen, wie auch eine große Demonstration am Sonntag gezeigt hat, zu der die ultrarechte Vox-Partei aufgerufen hatte, die immer stärker normalisiert wird. Etwa 100.000 Landwirte, Viehzüchter und Jäger strömten aus dem gesamten Land in der Hauptstadt Madrid zusammen.
Wegen immer höheren Kosten für Treibstoff, Dünger und Futtermittel sei es für viele Betriebe unmöglich, noch rentabel zu arbeiten. Dazu kommt nun, dass wegen des LKW-Streiks die Produkte nicht abtransportiert werden können, sie auf den Äckern verfaulen oder die Milch in die Abwasserkanalisation fließt.
Es handelte sich dabei auch um eine große nationalistische Aufwallung gegen die Regierung, die sich aber tatsächlich weitgehend unfähig zeigt, mit den Problemen umzugehen. Der Vox-Sprecher Santiago Morón zog erneut gegen den Verbraucherschutzminister Alberto Garzón ins Feld, der wenig glücklich agiert. Der real neoliberalen Sánchez-Regierung wirft Vox vor, eine "Tierschutz-Diktatur" errichten zu wollen. "Die sozialkommunistische Regierung betritt nicht die Straße und wendet den Problemen des spanischen Volkes den Rücken zu."
Die Sozialdemokraten haben, angeführt von der ultra-neoliberalen Wirtschaftsministerin Calviño, bisher praktisch alle progressiveren Vorhaben des linken Koalitionspartners Unidas Podemos ausgebremst. Das gilt für die Mietpreisbremse genauso wie für die Arbeitsmarktreform, die letztlich von den Unternehmern und der Rechten beklatscht wurde. Das gilt auch für das Sozialgeld, das statt eines Grundeinkommens eingeführt wurde, das nur wenige Menschen erhalten.
Das lässt sich an weiteren Punkten zeigen. Während nichts daran geändert wurde, dass auf das Strom-Oligopol über ein absurdes Tarifsystem Milliarden vom Himmel regnen, fließt dem Oligopol der Mineralölkonzerne gerade viel Geld zu. Da die Linke in der Regierung sitzt, geht sie tatsächlich nicht oder kaum auf die Straße. Sie überlässt rechten Demagogen in der sozialen Fragen das Feld.
Allerdings wird die Luft für Sánchez in der Linken immer dünner. Seine einseitige Ankündigung, die marokkanische Souveränität über die Westsahara anzuerkennen, treibt nicht nur den größten Gaslieferanten Spaniens auf die Barrikaden, sondern auch den Koalitionspartner.
Dem wurde auch mit Waffenlieferungen an die Ukraine vor den Kopf gestoßen. Linke Unterstützer sind schon wegen der Arbeitsmarktreform von der Stange gegangen.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Koalition zerbricht, will Podemos nicht für die fatale Lage mitverantwortlich gemacht werden, in die das Land immer stärker abgleitet. Bei den letzten Wahlen hat sich schon gezeigt, dass die linken Wähler sie dafür abstrafen.