Will Hessen den Wechsel?
Seite 3: Der Tag der Freiheit und tickende Uhren
- Will Hessen den Wechsel?
- CDU: Flirt mit den Grünen und Warnung vor dem Linksblock
- Der Tag der Freiheit und tickende Uhren
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Dem Noch-Koalitionspartner bereiten die freundlichen Grußworte des Ministerpräsidenten an die grüne Noch-Opposition erhebliche Kopfschmerzen, die sich bereits in öffentlichen Streitereien entluden. So gerieten Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) und Wirtschaftsminister Florian Rentsch (FDP) wegen des maroden Kohlekraftwerks Staudinger aneinander. Puttrich wollte die Schadstoffschleuder abschalten - Rentsch plädierte dafür, sie als Notfallreserve zu erhalten.
Die FDP führt mit ihrem "Gegenentwurf zu rot-grüner Besteuerungs- und Gängelungsorgie" einen klaren Lagerwahlkampf und bringt Begriffe wie "Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit" gezielt gegen die Energiewende in Stellung.
Das liberale Programm ist fast 200 Seiten lang, wird bei den Wählerinnen und Wählern aber kaum zum Bestseller avancieren. Das Team um den Landesvorsitzenden und Justizminister Jörg-Uwe Hahn, der am 22. September den "Tag der Freiheit" feiern will, spekuliert deshalb auf zahlreiche Zweitstimmen aus den Reihen der Unions-Wähler, die mit dem vergleichsweise konzilianten Kurs ihres Ministerpräsidenten wenig anfangen können. Die jüngsten Umfragen deuten darauf hin, dass die Rechnung aufgehen könnte.
"Wir sind gekommen um zu bleiben", heißt es trotzig auf der mit einer "Reichtums-Uhr" dekorierten Seite der hessischen Landtagsfraktion der Linkspartei und Janine Wissler, die Chefin der Linken, will noch mehr. Sie plädiert nicht nur für einen Regierungs-, sondern auch für einen Politikwechsel. Mit der Linkspartei als Koalitionspartner.
Um den Wiedereinzug in den Hessischen Landtag zu erreichen, präsentierten sich die Linken in den letzten Monaten als Kümmerer vor Ort - das Terminal 3 am Frankfurter Flughafen war ebenso Thema wie der Schutz von Werra und Weser, der Einsatz von Leiharbeitern in hessischen Ministerien oder die "Millionengräber" der European Business School und des Flughafen Kassel-Calden. An der 5-Fünf-Prozent-Hürde könnte sich nun nicht nur das Schicksal der Linken entscheiden, die bei den letzten Urnengängen im Westen der Republik empfindliche Rückschläge einstecken mussten. Die Machtverteilung im Wiesbadener Landtag und die Bildung einer neuen Regierung hängen möglicherweise ebenfalls vom Erfolg oder Scheitern der Genossen ab.
Anti-Euro, Anti-Fluglärm, Anti-Wahl-O-Mat
Wer den Wahlzettel nicht nur nach den aussichtsreichen Fünf absucht, findet hier außerdem Freie Wähler, NPD und Republikaner, Piraten und die Bürgerrechtsbewegung Solidarität, die Aktive Demokratie und die Allianz Graue Panther, die Alternative für Deutschland nebst der Autofahrer- und Volksinteressenpartei, die sperrige Kreation "Lärmfolter-Umwelt-Politik-ehrlich", die Ökologisch-Demokratische Partei, selbstredend auch die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI) und schließlich die Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten Internationale.
18 Listen und 563 Bewerberinnen und Bewerber stehen am 22. September zur Wahl - doch mit Überraschungen ist derzeit nicht zu rechnen. Weder von Seiten der "Alternative für Deutschland", deren Anti-Euro-Rhetorik möglicherweise im Sommerloch verschwunden ist, noch von den Piraten, die an Strafanzeigen gegen die Bundeskanzlerin basteln und sich mit der hessischen Landeszentrale für politische Bildung über die Bezeichnung "Wahl-O-Mat" streiten.
Ob der neue "Pirat-O-Mat", der "kein.wahlomat" sein kann und darf, oder die NSA-Affäre, die sich immerhin als dankbares Piratenthema anbieten würde, fünf Prozent der Wähler animieren, für die politischen Shootingstars des Jahres 2012 zu stimmen, ist zweifelhaft. Der Eindruck, dass die Piraten vor allem mit sich selbst beschäftigt sind, verfestigte sich auch in Hessen - zum Beispiel bei der Wahl der Landesliste.
Die Auszählung der Stimmzettel dauerte mehrere Stunden, da das Wahlverfahren zweistufig ausgelegt war. Für jeden Bewerber konnten eine Ja-Stimme und null bis fünf Gewichtungsstimmen vergeben werden. Alle Kandidaten, für deren Name auf mehr als 50 Prozent der Stimmzettel "Ja" angekreuzt war, kamen auf die Landesliste. Die endgültige Reihenfolge wurde dann aus der Summe der Gewichtungsstimmen ermittelt. Hierbei ergaben sich Unterschiede von bis zu sieben Positionen.
Piratenpartei Hessen