Will Hessen den Wechsel?

Seite 2: CDU: Flirt mit den Grünen und Warnung vor dem Linksblock

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Wer in früheren Zeiten eine Facebook-Seite mit dem Aufruf "Koch muss weg" gestartet hätte, wäre schnell auf viele Tausend Freunde gekommen. Die Initiative "Bouffier muss weg" hat nicht einmal 150.

Volker Bouffier. Bild: Alexander Kurz. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Offenbar ist es dem Rechtsanwalt und Notar in weiten Teilen gelungen, in Hessen und seinem erzkonservativen CDU-Landesverband einen freundlicheren Stil und Umgangston einzuführen, ohne dabei das programmatische Tafelsilber der Union zu zerschlagen. Der frühere Innenminister, der lange Jahre als Double des "schwarzen Sheriffs" galt, plaudert mit Linken und Grünen über die Energiewende, mit Bürgerinitiativen über die Lärmbelästigung am Frankfurter Flughafen und plädiert ansonsten dafür, einfach mal locker zu bleiben.

Das "Wahl"- oder "Regierungs"programm heißt nun "Zukunfts"programm und wurde - ähnlich wie bei der SPD - über ein Online-Forum gestaltet, an dem auch Nicht-Mitglieder teilnehmen durften. Auf seiner Website hat Bouffier sogar sein Herz für die Ärmsten der Armen entdeckt und vervollständigt den Satz "Wenn ich könnte, wie ich wollte …" so politisch korrekt, wie es für den Regierungschef einer schwarz-grünen Koalition angemessen wäre.

… würde ich dafür sorgen, dass es gerechter zuginge in der Welt und insbesondere das Elend der Kinder in der Dritten Welt aufhört.

Volker Bouffier

In den zentralen Sachfragen unterscheidet sich Bouffier allerdings kaum von dem zu Bilfinger abgewanderten Roland Koch - und in manchen Teilen nicht einmal von den tiefschwarzen hessischen CDU-Ikonen Alfred Dregger und Manfred Kanther. Auch das Zukunftsprogramm polemisiert deftig gegen die "Zwangseinheitsschule", den "schnellen Ausbauaktionismus" im Rahmen der Energiewende, die "Rundumbetreuung durch den Staat" oder den "parteipolitisch motivierten Verrat hessischer Interessen" beim Länderfinanzausgleich.

Der CDU-Rechtsausleger Christean Wagner wird nicht müde, vor einem "rot-rot-grünen Linksblock" zu warnen, während der Parlamentarische Geschäftsführer Holger Bellino das Schreckensszenario einer "Zusammenarbeit mit Kommunisten" zeichnet. Die "linke Ecke" ist auch Thema einer Plakatserie, die - wegen des großen Erfolgs Mitte der 1970er Jahre - neu aufgelegt wurde.

Christean Wagner. Bild: Martin Rulsch. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Gleichwohl will und muss Bouffier unbedingt vermeiden, dass Stimmenverluste Richtung FDP - wie jüngst in Niedersachsen - am Ende zum Regierungswechsel führen. Wenn es für CDU und FDP nicht reicht, wäre dem Ministerpräsidenten eine schwarz-grüne offenbar lieber als eine Große Koalition:

Die SPD will immer nur Einheitslösungen. Eine Einheitszwangsversicherung, die sie Bürgerversicherung nennen, Einheitsregelungen für den Wohnungsmarkt und Einheitsschulen. Auch beim Thema Gymnasium ist die SPD unbeweglich. Wir als CDU und FDP lassen den Gymnasien die Wahl, ob sie neun Schuljahre anbieten oder acht Jahre. Da haben die Grünen zugestimmt. Das zeigt: In einer so wichtigen Frage wie der Bildungspolitik haben sich die Grünen fortentwickelt und aus meiner Sicht eine bedeutend intelligentere und bürgerfreundlichere Position als die Sozialdemokraten.

Volker Bouffier am 14. Juli 2013