Windows reboot / Linux be root
Vom Windows-Aussteiger zum Linux-Einsteiger
Weshalb es sich lohnt, im Sinne der Offenheit, Stabilität und Produktivität den proprietären Microsoft-Pfad zu verlassen und zu Linux zu wechseln. Gründe für einen Umstieg bei Desktop-Rechnern und Laptops erörtert in fünf Kapiteln.
1. Fenster, Desktop und Startleiste
Eine Familie zieht aus ihrer Stadtwohnung in ein Haus am Stadtrand um. Im neuen Haus sind die Zimmer anders geschnitten, die Küche ist größer und hat einen Gas- anstatt eines Elektroherds. Es gibt nun einen Garten mit einem Gartenzaun und Bäumen darum. Statt einer gibt es nun zwei Etagen sowie einen Dachboden und einen Keller. Die Familie findet sich im neuen Haus schnell zurecht und ist froh, dass sie umgezogen ist.
Ein Computernutzer wechselt das Betriebssystem und steigt von Windows auf Linux um. Er hat jetzt ein leistungsfähigeres und zuverlässigeres System, das ebenso über Fenster, einen Desktop und eine Startleiste verfügt, aber etwas anders aussieht. Alle gewohnten Elemente sind noch an der gleichen Stelle auf dem Bildschirm zu finden. Die Namen einiger Programme haben sich geändert, sie werden aber wie gehabt in einem Fenster dargestellt, haben oben einen Balken mit dem Programmtitel und ein Menü mit Menüpunkten wie "Datei" "Bearbeiten" und "Ansicht". Der Computernutzer erleidet sogleich einen Nervenzusammenbruch, läuft in einen Laden und läßt sich für 150 Euro schnell wieder Windows installieren.
Wo genau liegt der Unterschied zwischen der Familie die umzieht und zufrieden damit ist und dem Computernutzer, der einen Nervenzusammenbruch erleidet? Diese Frage und das Unverständnis gegenüber einem solchen Verhalten motivieren den Autor zur Erörterung dieses Themas und der Gründe für seinen Umstieg.
Wie geht der "normale Nutzer" mit dem Computer um? Der Rechner wird eingeschaltet, fährt hoch und der Desktop wird sichtbar. Auf dem Desktop befinden sich meist Icons für Programme und eventuell einige Dateien. Unten befindet sich die Startleiste mit dem Startknopf und dem Startmenü. Gearbeitet wird dann meist mit einem Email- und einem Schreibprogramm, gesurft mit einem der Standard-Browser. USB-Sticks werden angeschlossen und vom Betriebssystem erkannt, Dokumente können betrachtet und editiert werden; im Dateimanager oder von Programm zu Programm lassen sich Dateien per drag&drop kopieren (oder mit den Kürzeln Strg+C und Strg+V bzw. mit Hilfe des Kontextmenüs der rechten Maustaste). All diese Grundfunktionen sind bei Windows und bei den meisten Linux-Distributionen gleich (und bei Apples OSX so ähnlich).
Natürlich bestehen auch einige Unterschiede zwischen den großen Betriebssystemen - in der alltäglichen Bedienung gibt es aber keine grundsätzlichen Unterschiede, die das Verhalten des oben dargestellten Nutzers rechtfertigen würden.1
2. Für jeden Anwendungszweck das richtige System
Informatiker rümpfen häufig über die vergleichende Bewertung von Betriebssystemen die Nase. Für viele von ihnen gibt es für jeden Anwendungszweck das richtige System. Es gebe kein besser und kein schlechter, nur ein anders. Das sind berechtigte Argumente von Liberalen, die eine möglichst große Vielfalt von parallel bestehenden Systemen befürworten. Sie würden die Nutzung von Windows daher niemals "falsch" heißen. Genau genommen ist diese Ansicht in sich nicht logisch, da die Existenz eines Quasi-Monopols - Windows - eben gerade verhindert, dass eine größtmögliche Vielfalt entstehen kann.
Natürlich gibt es für verschiedene Anwendungszwecke unterschiedlich gut geeignete Systeme. dass man sie aber nicht vergleichen könnte, stimmt nicht unbedingt. So ist es legitim, eine Linux-Distribution wie z.B. Debian Stable oder Linux Mint mit Windows 7 direkt zu vergleichen. Schließlich kann der Nutzer mit beiden Systemen etwa die gleichen Aufgaben erledigen. Ob das Betriebssystem nun für einen Bürorechner oder einen Druckerserver verwendet werden soll.
Leider bedarf bestimmte, spezialisierte Software zum Teil des Einsatzes bestimmter Betriebssysteme - für Standardnutzer zu Hause2 oder für professionell arbeitende Unternehmen, die ausschließlich plattformübergreifend funktionierende Software einsetzen, ist Linux aber sehr gut geeignet.
Durch den Einsatz virtueller Maschinen kann zudem jedes beliebige Betriebssystem im Fenster parallel zu Linux laufen, falls dies für Spezialanwendungen unerläßlich ist. Darüber hinaus ermöglicht Wine (eine Art Windows-Emulator) die nahtlose, unkomplizierte Nutzung sehr vieler Windows-Programme unter Linux.
Viele Einschränkungen für den Einsatz von Linux sind in den letzten Jahren hinfällig geworden. Die Aussage etwa, Linux sei für aktuelle Computerspiele ungeeignet, muß revidiert werden. Zum einen da einige aktuelle Spiele für Linux verfügbar sind und zum anderen, da graphisch aufwändige Spiele inzwischen unabhängig vom Betriebssystem über das Internet gestreamt werden können.
3. Gründe für einen Umstieg
3.1 Struktur- und Sicherheitsprobleme
Vom Zeitpunkt der Installation an wird Windows von Tag zu Tag der Nutzung langsamer. Wer nur drei Programme verwendet und nie irgend etwas updatet, wird das Problem zwar nicht haben, aber durchschnittliche Nutzer und erst recht Intensivnutzer leiden besonders unter dem Geschwindigkeitsverlust. Jedes Programm das installiert wird macht das System langsamer. Wird das Programm wieder deinstalliert, wird Windows noch langsamer. Zudem installieren sich regelmäßig ungefragt zusätzliche Programme mit anderen mit oder Programme "erdreisten" sich, Autostart-Prozesse samt kleiner Autostart-Icons bei jedem Systemstart zu laden. Manchmal werden sogar Werbepopups bei jedem Start angezeigt. Die Vielzahl automatisch startender Programme und Prozesse führt dann dazu, dass die recht flotten Systemstarts zu Anfang der Windows-Installation schon bald zu quälend langwierigen Durststrecken werden. Obendrein wird der Nutzer mit ständig hochkommenden Windows-eigenen Popupnachrichten malträtiert.
Mit der Installation von Programmen müllt auch das Startmenü von Windows im Laufe der Zeit immer mehr zu - mit jedem Programm werden hier Ordner, Unterordner, Hilfe- und Deinstallationsicons unkontrolliert angelegt. Hier Ordnung zu halten, ist praktisch unmöglich. Bei Linux landen installierte Programme automatisch in der richtigen Kategorie im Startmenü. VLC etwa unter 'Multimedia', LibreOffice unter 'Büro' und Kgeography unter 'Bildung'.
Beim Vergleich von Windows- und Linux-Zeitschriften im Kiosk-Regal fällt auf, dass die Themen durchaus unterschiedlich liegen. Bei Windows-Zeitschriften sind sehr häufig Titel wie die Folgenden zu lesen3:
- "Jetzt installieren: Windows Service Pack - endlich sicher und schnell"
- "Auf Knopfdruck: PC wie neu"
- "Windows flottmachen - Entrümpeln, Trojaner rauswerfen, Konfiguration richten"
- "Tiefenscan entlarvt alle PC-Bremsen",
- "10 schnelle Lösungen für Windows-Bugs"
- "PC-Reparatur - Microsoft Fix it löst automatisch alle Windows-Probleme"
- "So beschützen Sie sich vor Roboter-Viren!"
- "Registry als Datenfundgrube"
- "Registry: Clevere Tricks, mit denen Windows mehr Gas gibt"
- "Mehr Leistung: macht Ihr Windows mit nur einem Klick unglaublich schnell"
- "Trickreich: Hebeln Sie die 4-GB-RAM-Grenze aus
- "Warum Windows immer langsamer wird"
Der Hauptgrund für diese Schwerpunktsetzung der Zeitschriften liegt auf der Hand: Bei Windows spielen Geschwindigkeitsverluste und Sicherheitsprobleme eine zentrale Rolle. Der Grund ist, dass Windows auf einer veralteten Grundstruktur fußt, die von Version zu Version um, jedoch nicht neu aufgebaut wird. Der Ausspruch 'Windows reboot - Linux be root' weist auf eines der administrativen Defizite dieser Systemstruktur hin: kann bei Linux in der Regel ein komplettes Systemupdate mit hunderten von Megabyte Umfang ohne Neustart durchgeführt werden, muß bei Windows schon für kleinere Updates oder häufig sogar für neu installierte Programme ein Neustart erfolgen. Bei Linux gilt, dass wenn ein bestimmter Dienst - wie etwa der Drucker-Dienst - in einem Ausnahmefall neu gestartet werden muß, dies mit einem einfachen Befehl geschehen kann (oder Wahlweise mit einem Neustart). Dies dauert dann nur etwa zwei Sekunden. Bei Windows geht das nicht.
Das größte strukturelle Dauerproblem von Windows ist die sogenannte Registry. Es handelt sich hierbei um eine Art Datenbank, in der so ziemlich alle Systemeinstellungen eingetragen sind. Einstellungen von Windows selbst neben Einstellungen jeder x-beliebigen Software, die installiert wird. Jedes Programm und jeder Treiber kann ran und Daten(müll) in die Registry schreiben. Das Resultat ist, dass Windows immer langsamer und mit der Zeit auch instabiler wird. Die Registry ist sozusagen zugleich Gehirn und Achillesferse. Werden unter Windows also häufig Programme installiert, steht früher oder später eine Neuinstallation an. Bei Linux ist das nicht der Fall. Hier werden Programme geordnet über ein Paketmanagement installiert. Schadhafte Programme oder Spyware können sich aufgrund der strikten Kontrollen und des mehrstufigen Qualitätsmanagements eigentlich gar nicht einschleichen. Vorbildlich ist dies vor allem bei Debian und allen darauf basierenden Linux-Distributionen gelöst. Linux wird auch dann nicht langsamer, wenn 5.000 Programme installiert und dann wieder deinstalliert werden. Alle zu installierenden Programme werden aus sicherer Quelle auf einmal automatisch installiert. Ohne nervige Rückfragen, Warnungen oder die lästige Frage nach dem Installationspfad.
Bei Windows muß der Nutzer bzw. der Administrator im Netz auf die Herstellerseite eines jeden zu installierenden Programms gehen oder in der Suchmaschine nach dem Programm suchen und die aktuellen Installationsdateien von mehr oder weniger vertrauenswürdigen Internetseiten herunterladen. Anschließend muß von der lokalen Festplatte aus für jedes einzelne Programm ein Installationsprozeß durchlaufen werden. Auch wenn Programme aktualisiert werden sollen, müssen sie zum Teil jedes Mal neu heruntergeladen und installiert werden.
Besonders deutlich wird der beschriebene Installationswahnsinn nach einer Neuinstallation von Windows. Der anspruchsvolle Nutzer verbringt erst einmal Stunden damit, alle Programme die genutzt werden sollen wieder zu installieren. Wenn proprietäre Software dabei ist, müssen zig Seriennummern eingegeben werden (sofern diese überhaupt noch auffindbar sind).4 Gegebenenfalls müssen viele DVDs und CDs herausgesucht und nacheinander ins Laufwerk gelegt werden.
Dies alles ist ein absolut chaotisches System, das sehr zeitaufwändig und höchst ineffizient ist. Darüber hinaus birgt es erhebliche Risiken, da die installierte Software aus verschiedensten - zum Teil ungeprüften - Quellen stammt.
Bei Linux sieht das Ganze nach der Neuinstallation sehr viel einfacher aus: Zunächst einmal sind von vornherein sehr viele Programme installiert. Die restlichen können über die Paketverwaltung installiert werden, was sehr viel schneller und geordneter abläuft, als bei Windows. Anstatt einer langwierigen Recherche steht eine simple Suche in einem komfortablen Paketverwaltungsprogramm (ähnlich wie bei den "App"-Datenbanken von Smartphones). Die benötigten Programme können alternativ alle auf einmal installiert werden (z.B. mit apt) - und zwar voll automatisch! Es reicht eine einfache Textdatei mit den Namen der Programme. Es werden dann automatisch die jeweils aktuellen Versionen dieser Anwendungen aus sicherer Quelle heruntergeladen und installiert.
Microsoft hat zwar angekündigt, mit der nächsten Windows-Version auch ein Paketmanagement einzuführen (man lernt mal wieder von Linux), allerdings ist kaum anzunehmen, dass dieses Paketmanagement Open-Source-Alternativen zu kommerzieller Microsoft-Software ebenbürtig präsentieren und vollständig ins Sortiment aufnehmen wird. Zudem wird es kein dreistufiges Qualitätsmanagement wie bei debian geben und daher in weit geringerem Maße die Systemstabilität garantiert sein. Weiterhin bleibt es trotz des Paketmanagements ohne Hürden möglich, Software aus unsicheren Quellen einfach per Klick zu installieren. Die strukturellen Grundprobleme werden durch diese Art der Paketverwaltung also nicht gelöst werden.
Neben dem Softwaremanagement werden auch bei der Hardwareerkennung von Windows weitere Unzulänglichkeiten deutlich. Wer schon einmal eine Festplatte mit einer Windows-Installation genommen, diese in einen anderen Rechner mit komplett anderer Hardware geschraubt und zu booten versucht hat, weiß, wie überempfindlich das System auf geänderte Hardware reagiert. Windows wird nicht hochfahren, sondern mit einer kryptischen Fehlermeldung steckenbleiben.
Bei einer beliebigen Linux-Distribution hingegen kann die Festplatte in einen komplett anderen Rechner (gleicher CPU-Architektur) eingesetzt werden und Linux startet ohne Probleme. Dies liegt vor allem daran, dass bei jedem Start die Treiber der vorgefundenen Hardware geladen werden. Die einzige Einschränkung, die bei Linux zu erwähnen ist, ist, dass der Nutzer sich beim Kauf von Hardware über die Kompatibilität zu Linux informieren sollte. Auch wenn inzwischen sogut wie alle Webcams, Wlan-Chips, Scanner u.s.w. ohne spezielle Treiberinstallation erkannt werden, gibt es doch einige Geräte, deren Hersteller eine Kompatibilität zu Linux bewußt oder unbewußt boykottieren.
Was wäre ein Windows-kritischer Artikel ohne die Erwähnung der berühmten "blue screens". Es handelt sich hierbei um Totalabstürze, die einen blauen Bildschirm samt einer kryptischen Fehlermeldung hervorbringen und einen Neustart erzwingen. Derlei Probleme treten bei Windows inzwischen nur selten auf und das System läuft im Großen und Ganzen relativ stabil (sofern es nicht von Viren befallen oder im Laufe der Zeit langsam geworden ist). Tritt dennoch ein schwerer Systemfehler auf, führt dieser auch heute noch zum erwähnten blauen Bildschirm. In einigen solchen Problemfällen, aber auch wenn das System mit der Zeit langsam geworden ist, führt bei Windows kein Weg an einer Neuinstallation vorbei.
Für die Administration und Reparatur kommt erschwerend hinzu, dass Windows grundsätzlich keinerlei informative Fehlermeldungen ausgibt, die konkrete Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Bei Linux bekommt der Nutzer in solchen Fällen meist einen Hinweis darüber, was das Problem ist und kann es somit auch angehen. Zudem ist hier der Umstand erleichternd, dass Linux ohne graphische Oberfläche betrieben werden kann und zweifarbige Dateimanager (ähnlich wie der Norton Commander unter DOS) oder textbasierte Browser zur Verfügung stehen.
Ein weiteres großes Kapitel der Unzulänglichkeit von Windows ist der Themenkomplex Viren und Trojaner. Zum einen ist Windows als am häufigsten eingesetztes Betriebssystem Hauptziel von "Computerkriminalität", darüber hinaus spielen aber auch strukturelle Probleme eine große Rolle. Ist bei Linux keine wesentliche systemverändernde Aktion (wie etwa eine Programminstallation) ohne Administrationsrechte durchführbar, fährt Windows die "Strategie", den Nutzer nicht anstrengen zu wollen - auf kosten der Sicherheit. Hier kann der normale Nutzer in der Regel mit einem Mausklick und OHNE Eingabe des Administrator-Paßworts Administrationsrechte erlangen. Kein Wunder, dass es in den letzten Jahren zu einer Vielzahl von Viren- und Sicherheitsskandalen rund um Windows gekommen ist und aufgrund mangelnder Sicherheitsstruktur Schäden in Milliardenhöhe entstanden. Obwohl Windows in den aktuellen Versionen angeblich relativ sicher sein soll, haben nach wie vor viele Windowsnutzer mit Viren und Trojanern zu kämpfen. Darüber hinaus werden sogenannte Staatstrojaner immer zuerst für Windows-Systeme programmiert und Microsoft steht seit einigen Jahren im Verdacht, zumindest für die US-Geheimdienste diverse Hintertüren in das System einzubauen.
Wer vor allerlei privater und staatlicher Computerkriminalität- und Spionage deutlich sicherer sein will, setzt also auf Linux. Hier ist der Einsatz eines Virenscanners in der Regel nicht einmal notwendig, da das Risiko auf einen der wenigen für Linux programmierten Viren zu treffen, sehr gering ist.
3.2 Konfiguration, Personalisierung, Geschwindigkeit
Ein wichtiger Grund für den Umstieg auf Linux ist insbesondere für den Intensivnutzer die totale Konfigurierbarkeit. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die Möglichkeit, verschiedene graphische Oberflächen zu verwenden. Dies wird durch die Trennung von Kernsystem und graphischer Oberfläche ermöglicht. Der Nutzer ist daher nicht wie bei Windows gezwungen, stets ein recht ressourcenaufwändiges graphisches System laufen zu lassen, sondern kann aus einem breiten Spektrum graphischer Oberflächen wählen. Dieses reicht von sehr schlanken Oberflächen, die auf einem Pentium-II-Rechner mit 200 MB oder weniger Arbeitsspeicher flüssig laufen, bis hin zu sehr umfangreichen mit 3D-Effekten, die die Effekte von Windows und Apples OSX in den Schatten stellen. Das Basissystem darunter ist aber stets das selbe.5 Es ist auch möglich, verschiedene graphische Oberflächen bei ein und der selben Linux-Installation parallel zu nutzen (ohne Neustart umschaltbar: einfach abmelden und an der anderen Oberfläche anmelden).
Umfangreiche graphische Oberflächen wie KDE ermöglichen eine tiefgehende Konfiguration. Ob Icon-Theme, 3D-Desktopeffekte, Feineinstellungen in der Fensterdekoration oder die Anzahl der virtuellen Desktops - alles kann komfortabel bis ins Kleinste eingestellt und personalisiert werden. Bei Windows gibt es (im Gegensatz zu Apple) auch ein Paar Einstellungsmöglichkeiten, die standardmäßig integrierten reichen jedoch bei weitem nicht an die von KDE heran. KDE ist ein von Anfang bis Ende durchdachtes System mit vielen intelligenten Lösungen für ein produktives Arbeiten.
Über die Anpaßbarkeit an der Oberfläche hinaus ist auch der Linux-Quellcode komplett offen zugänglich und veränderbar. Dies ermöglicht das Umprogrammieren des Betriebssystems nach den Wünschen der Person oder Organisation, die es verwendet. Es öffnen sich hier unendlich viele Möglichkeiten des Einsatzes von Linux. Bei Windows ist eine solche Anpaßbarkeit nicht gegeben. Es wird als weitgehend abgeschlossenes Komplettpaket verkauft und Modifikationen am Code sind nicht erlaubt.
3.3 Integrierte Programme und Ausstattung
Der Standard-Dateimanager unter Windows - der Explorer - ist ein gutes Beispiel dafür, wie schlecht die mitgelieferten Windowsprogramme im Vergleich zu freien Open-Source-Lösungen sind:
Der Explorer verfügt über einen vergleichsweise sehr kleinen Funktionsumfang und zeichnet sich vor allem durch Unübersichtlichkeit und altbackenes Layout aus. Der Explorer unter Windows 7 ähnelt dem von Windows 3.1 noch immer auf erschreckende Weise. Neu hinzugekommen sind zwar Funktionen zur Vorschau von Grafiken und Dokumenten; praktische Standards anderer Programme wie geteilte Dateifenster oder ein Suchfilter, mit dessen Hilfe unkompliziert im aktuellen Verzeichnis gesucht werden kann, kennt das Programm aber nicht. Auch die Einbindung der Kommandozeile in das Programmfenster oder eine einfache Suchfunktion, die Dateien auf Datenträgern oder in Verzeichnissen findet, fehlen.6 Darüber hinaus fehlen eine Seiten- oder Menüleiste für häufig verwendete Ordner und ein Addon-Management.
Mit dem Linux-Dateimanager Dolphin kann der Explorer nicht mithalten. Dolphin enthält alle oben genannten Ausstattungsmerkmale, die dem Explorer fehlen. Er ist damit in Bezug auf Funktionsumfang, Übersichtlichkeit, Geschwindigkeit und Produktivität beim Arbeiten um geschätzte zwei Programmgenerationen voraus.7
Der Explorer und Windows insgesamt verwirren den Anwender gezielt durch uneinheitliche und blumige Bezeichnungen der Dateipfade und Laufwerksbuchstaben. Die Begriffe "Arbeitsplatz", "Bibliotheken", "Computer" oder "Mein Computer" sind wild durcheinandergewürfelt und ändern sich zuweilen von Windows-Version zu Windows-Version. Es ist zum Beispiel nicht logisch, dass sich unter "Mein Computer" die Laufwerke und Dateipfade befinden. Wieso heißt dieser Menüpunkt nicht passenderweise "Datenträger"? Und woher soll der Nutzer wissen, dass die "eigenen Dateien" nun auf einmal "Bibliotheken" heißen?
Ein weiteres absurdes Detail beim Windows-Explorer ist, dass der mit ihm zusammenhängende ausgeführte Prozeß viel zu eng mit dem Betriebssystem verknüpft ist. Wenn dieser Prozeß namens explorer.exe abstürzt, stürzt Windows insgesamt ab.8
Neben den Genannten, fallen auch weitere Ausstattungsmerkmale von Windows bescheiden aus. So werden seit Jahren das gleiche spartanische Malprogramm - Paint - die sich nur leicht verändernde, ultra-spartanische Textverarbeitung - Wordpad - der schlechteste Texteditor der Computerwelt - Notepad - sowie ein höchtst beschränktes Partitionierungswerkzeug mitgeliefert. Man fragt sich, weshalb eine so große Firma so schlechte Programme produziert und sich traut, diese beizulegen. Bei Wordpad ist klar, dass man kein zu gutes Produkt liefern will, das als Ersatz für MS Word taugt. Beim Texteditor, dem Malprogramm und dem Partitionierer ist die Strategie Microsofts jedoch unverständlich, da man keine solchen Produkte kommerziell anbietet. Bei Linux wird eine Vielzahl qualitativ hochwertiger System-, Grafik-, Büro- und Multimediaprogramme bereits mitgeliefert. Alle installierten Programme fügen sich harmonisch ins System ein und können ohne suchen mit der Eingabe des Programmnamens ausgeführt werden.
Im Sinne der Steigerung von Umsatz und Gewinn finden sich auch weitere, wesentlichere Beschränkungen bei kostengünstigeren Windowsversionen unterhalb der überteuerten Windows-7-Super-Ultra-Professional-Black-Edition9. Wer die Leistungsreserven eines Standardrechners nutzen möchte, muß also deutlich mehr zahlen, denn bei den meisten günstigen Windows-Varianten ist die maximale Nutzung des Arbeitsspeichers auf 3 Gigabyte begrenzt oder werden die Geschwindigkeitsreserven von 64-Bit-Prozessoren einfach nicht genutzt. Bei Linux gibt es solche Beschränkungen natürlich nicht.
3.4 Programme und Programm-Philosophien
Was viele Nutzer - auch für Neuerungen offene - am Umstieg auf Linux hindert, ist, dass sie bestimmte liebgewonnene Programme nutzen und fürchten, diese unter Linux nicht weiternutzen zu können. Dieses Gefühl dürfte allgemein nachvollziehbar sein. Grundsätzlich gilt aber, dass sogut wie alle Programme durch ebenbürtige oder bessere, meist einfacher zu bedienende, freie und quelloffene Programme unter Linux ersetzt werden können.
Positiv an freier Open-Source-Software ist neben politischen Aspekten, dass sie in der Regel von Menschen aus der Praxis (und nicht von Betriebswirten und PR-Strategen) für einen Anwendungszweck geschaffen wird und ihrem Zweck sehr gut gerecht wird. Die Programmphilosophie hinter den meisten freien, quelloffenen Programmen ist der Purismus und die perfekte Funktion. Schnickschnack wie verwirrende Pseudofunktionen, die vorgaukeln sollen, das Programm sei mehr Wert als tatsächlich der Fall, werden weggelassen.
In der Windows-Welt hingegen trifft man neben einer Vielzahl kleiner, dilettantisch programmierter Anwendungen häufig auf unübersichtliche Programm-"Suiten", die vorgeben, alles zu können. Eines dieser Programm-Moloche ist Nero. Hier wird vieles mitgeliefert: vom Programm zum DVD-Brennen über Applikationen für die Video- und Bildbetrachtung bis hin zu Backupprogrammen. Die einzelnen Programmkomponenten sind jedoch im Vergleich zu spezialisierter Software häufig schlechter (bis auf das eigentliche Brennprogramm). Das Produkt als Ganzes ist teuer, unübersichtlich und frißt sich in das System, die Registry und die Startprozesse hinein.
4. Die politische Dimension
Der verbreiteten Meinung, man müsse die Bewertung der Funktionalität und politischer Aspekte der Computernutzung scharf voneinander trennen, soll hier widersprochen werden.
Oberflächlich betrachtet stimmt es: Das Produkt einer Firma kann sehr gut sein, obwohl die Firmenpolitik die Welt an den Abgrund führt. Wer aber genauer hinschaut, kann erkennen, dass Zusammenhänge zwischen Funktionalität bzw. Ausstattung eines Produktes und übergeordneten, politischen Aspekten bestehen. Hat ein Produkt etwa eine marktbeherrschende Stellung inne, verhindert dies Innovationen; einerseits dadurch, dass andere Produkte vom Markt verdrängt werden und andererseits dadurch, dass auch das Produkt selber weniger innovativ sein kann, da die Entwickler aus sinnvollen Ideen anderer Produkte nicht lernen können.
Der Zusammenhang zwischen Firmenideologie und Produktgestaltung ist besonders gut erkennbar bei Erzeugnissen der Firma Apple. Hier wirken sich Größenwahn und Kontrollwut eines (Ex-)Firmenchefs ganz explizit aus. Apple-Produkte sind durchzogen von Restriktionen und nehmen dem Nutzer weitgehend individuelle Entscheidungsmöglichkeiten.10
Auch bei Microsoft manifestieren sich Firmenpolitik bzw. Weltbeherrschungsanstrengungen in der Software. So versucht man seit Jahren, dem Windowsnutzer einen schlechten, unsicheren Browser aufzuzwingen - mit dem durchsichtigen Ziel, das erfolglose eigene Internet-Geschäft (Hotmail, Bing etc.) voranzutreiben. Die Minderwertigkeit der mitgelieferten Programme kann nur mit einer arroganten Behäbigkeit erklärt werden (und soll wohl auch zur Stärkung der eigene Office-Sparte beitragen). Die mangelhafte Kompatibilität zu offenen Dokumentformaten soll entstehende Konkurrenz im Office-Bereich im Keim ersticken - alles auch zum Nachteil der Nutzer von Microsoft-Produkten.
Besonders schwerwiegend wirken sich marktpolitische Aspekte auf den Kauf neuer Computer aus: so kann sich der Käufer nur selten aussuchen, ob ein Windows-Betriebssystem vorinstalliert ist oder nicht und damit mitbezahlt werden muß. Kein Wunder, denn Microsoft beschäftigt tausende von Lobbyisten und PR-Leute, die mit Computerherstellern, Elektronikketten und Behörden zum Teil illegale Verträge zur Bindung an ihre Produkte abschließen. Auch macht Microsoft viel bunte Werbung und vermag sogar mediale Meinungen geschickt zu manipulieren.11
Auf die Vielzahl von Skandalen und Gerichtsverfahren rund um Microsoft soll hier nicht näher eingegangen werden. Nur erwähnt sein soll, dass sich das Spektrum der Kritik vor allem auf die folgenden Bereiche ausdehnt:
- Microsoft nutzt die eigene marktbeherrschende Stellung aus und verhält sich wettbewerbswidrig. Dies hat bereits zu vielfältigen von EU und USA verhängten Strafgeldern geführt.
- Microsoft ignoriert so weit wie möglich offene Dateiformate, um selbst erfundene, inkompatiblere Standards durchzusetzen. So geschehen zum Beispiel beim Dokumentenformat docx, welches von Microsoft samt einer Spezifikationen auf absurd umfangreichen 6.000 Seiten veröffentlicht wurde. 6.000 Seiten offensichtlich daher, um Konkurrenten oder Open-Source-Projekte wie LibreOffice davon abzuhalten, die Spezifikation korrekt umsetzen zu können (und damit vollständig kompatibel zu Microsoft-Produkten zu sein).
- Microsoft setzt sich mit einem dreisten Patentwahn in Szene, indem Konkurrenten, die das Linux-basierte Mobil-Betriebssystem Android einsetzen, mit Lizenzzahlungsforderungen überzogen werden und die Zahlung von Lizenzgebühren für Trivialpatente eingefordert wird.
Die einzigen, die diese teils dreiste, teils kriminelle Cowboy-Manier von Microsoft nicht zu stören scheint, sind die Anwender von Windows. Ob nun zu Hause oder in Firmen - es wird Version für Version zu überhöhten Preisen ohne Murren gekauft.
Linux stellt in gewisser Weise einen Gegenentwurf zum Konzept und zur Ideologie von Microsoft und ähnlich agierenden Unternehmen dar. Linux, wie auch andere Open-Source-Projekte, wird in einer Community entwickelt, die sich frei zusammengeschlossen hat, um ein gutes System zu programmieren und für die Allgmeinheit kostenlos zur Verfügung zu stellen. Zwar mischen auch zum Teil Großunternehmen in der Entwicklung von Linux und quelloffener Software mit, jedoch ist die allgemeine Richtung positiv zu bewerten, da es sich um eine Demokratisierung der Softwarewelt handelt. Die Entwicklung wird eben nicht in einem geschlossenen System eines gewinnorientierten Unternehmens vorangetrieben, sondern vor allem in einem Umfeld der Kooperation und des Teilens von Wissen. Die Vielzahl bunter Communities rund um quelloffene Sofwareprojekte bringt Leben und Mitbestimmungsmöglichkeiten in die Computerwelt. Diese Kultur hilft nebenbei auch, der Isolation von "Computermenschen" entgegenzuwirken, denn im Rahmen dieser Projekte findet intensive soziale Interaktion statt. Man engagiert sich gemeinsam für positive Ziele und für das Gemeinwohl.
Mit einer solchen "Vergemeinschaftung" tun sich auch hervorragende (kostenlose) Supportmöglichkeiten für die Nutzer auf. Ob man sich nun auf einer Mailing-Liste direkt mit den Entwicklern unterhalten und Ideen einbringen möchte, in einem Forum Hilfe sucht, oder sich in einen Chat für Live-Support einklinkt - im Rahmen fast aller Open-Source-Projekte wird jeder einzelne Nutzer der Software einzigartig unterstützt. Was für einen Wert dies im Vergleich etwa zu Telephon-Hotlines kommerzieller Softwarefirmen hat, muß hier wohl nicht weiter ausgeführt werden.
5. Abschließende Bemerkungen
Die Frage ob der Einsatz von Linux oder Windows im PC-Bereich von Vorteil ist, kann auf der technischen Ebene relativ eindeutig beantwortet werden.
Was die subjektiven Empfindungen von Computernutzern angeht, so ist die Antwort sehr viel komplizierter, da sich Menschen zum Teil mit Händen und Füßen gegen Veränderungen und alternative Strukturen stemmen - seien sie auch noch so geringfügig. Auch spielt zum Teil ein Technologie-Lockin eine Rolle. Dies betrifft etwa Unternehmen und Organisationen, die aufgrund von Fehlentscheidungen nicht plattformübergreifend funktionierende Programme einsetzen und sich außerstande sehen, das Betriebssystem zu wechseln bzw. unterschiedliche parallel einzusetzen. Darüber hinaus werden Entscheidungen über das eingesetzte Betriebssystem leider selten objektiv getroffen. Wenn der Chef die Icons in Outlook hübscher findet als in Thunderbird oder Kontakt, dann kann die IT-Abteilung noch so kompetent und rational sein - dann werden eben für tausende oder Millionen Euro Jahr für Jahr neue M$-Office- und Windows-Lizenzen für alle Arbeitsplatzrechner des Unternehmens gekauft. Sogar Technologieunternehmen, die elektronische Geräte Produzieren, auf denen Linux läuft, setzen häufig Windows und MS Office auf den Rechnern der Mitarbeiter ein.
Bei der ganzen Diskussion könnte man sich fragen, ob nicht Apples Betriebssystem OSX ein guter Kompromiß und eine echte Alternative zu Windows und Linux sein könnte. Dies ist aus Sicht des Autors nicht der Fall, zumal Apple dem Nutzer mit Kauf der Software auch die eigene überteuerte Hardware aufzwingen möchte.
OSX läuft zwar auf Unix-Basis und ist daher stabil wie Linux, es ist in seiner Funktion aber noch viel eingeschränkter als Windows, ist auch teuer und verfügt über kein Paketmanagement. Darüber hinaus handelt es sich bei Apple-Betriebssystemen um extrem "zugenagelte", kaum personalisierbare und maximal proprietäre Systeme.
Zuguterletzt steht das Unternehmen Apple dem Unternehmen Microsoft in Bezug auf die Niederträchtigkeit im unternehmerischen Handeln um nichts nach. Apple hat sich daneben durch eine Patent-Klagewelle gegen Produkte von Mitbewerbern zu einem sehr unbeliebten Marktteilnehmer gemacht.
Wer offen für positive Veränderungen ist, kann sofort handeln, sich die richtige Linux-Distribution für die eigenen Zwecke kostenlos herunterladen und installieren12. Lediglich wenige Gewohnheiten müssen überwunden werden und die Bereitschaft vorhanden sein, drei veränderte Grundprinzipien von Linux zu akzeptieren: Die anders aufgebaute Verzeichnisstruktur, das Paketmanagement und die Paßworteingabe für administrative Tätigkeiten.
Es gehört für den Normalnutzer nicht viel dazu, diese Grundprinzipien zu verstehen. Ist dies geschehen, wird der Nutzer mit Linux viel Freude haben und sich nur in den seltensten Fällen nach Windows zurücksehnen. Dies gilt um so mehr für "Intensivnutzer", die Serveranwendungen, Scripte und wissenschaftliche Programme einsetzen und oder das System stets genauestens konfigurieren und personalisieren wollen. Hierfür ist Linux mit Abstand das am besten geeignete Betriebssystem - insbesondere in Kombination mit der Oberfläche KDE.13