Winter im Ukraine-Krieg: Die unaufhaltsame russische Vorwärtsbewegung
Seite 2: Strategische Luftkampagne: Russlands unerbittlicher Angriff
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Die Angriffe der russischen Streitkräfte auf vorwiegend militärische Einrichtungen in der Ukraine gehen unvermindert weiter. Noch in den frühen Morgenstunden des 13. Januars wurde das Land mit 37 Raketen angegriffen – und nur 8 konnten abgeschossen werden. Das sind offizielle Zahlen des ukrainischen Verteidigungsministeriums.
Üblicherweise kommuniziert das Ministerium Abschussraten von über 80 Prozent. Allerdings seien zusätzlich 20 Raketen durch Maßnahmen der Elektronischen Kriegsführung neutralisiert worden.
Am 8. Januar gab das ukrainische Verteidigungsministerium bekannt, von 51 russischen Raketen nur 35 Prozent abgeschossen zu haben. Das kann bedeuten, dass der Ukraine die westlichen Raketen ausgehen, oder dass es die russischen Streitkräfte mit ihren Angriffen geschafft haben, die ukrainischen Luftabwehrkapazitäten zu schwächen.
Sollte sich letzterer Schluss als Trend in der Wirklichkeit herausstellen, wäre das eine Katastrophe für die Ukraine. Denn das könnte eine militärische Kettenreaktion nach sich ziehen, an deren Ende der Sieg Russlands stehen würde.
Laut Oberst Ants Kiviselg, Kommandeur des Nachrichtendienstes der estnischen Verteidigungskräfte, seien die jüngsten Raketenangriffe auch gegen Flughäfen gerichtet, die möglicherweise die bald zu liefernden F-16 Kampfflugzeuge beherbergen könnten. Gegenüber dem Estnischen Rundfunk (ERR) erklärte der Oberst die Angriffe:
Im ganzen Land wurden Häfen, Elektrizitäts- und Eisenbahninfrastrukturen, Militärflugplätze, Waffen- und Munitionsdepots und militärische Ausbildungseinrichtungen sowie Unternehmen der Verteidigungsindustrie, die sich mit der Herstellung und Reparatur von Waffen beschäftigen, getroffen.
Oberst Ants Kiviselg
Die Frage ist, wie lange Russland den Raketenbeschuss in dieser Intensität noch aufrechterhalten kann, da allgemein angenommen wird, dass sich die russische Raketen-Jahresproduktion auf rund 100 Einheiten beläuft, gegenüber 40 vor der Invasion. Augenfällig ist der jetzt regelmäßige Einsatz der Hyperschallrakete vom Typ Kinschal. Diese gilt, als äußerst schwer abzufangen.
Ein weiteres Problem für die ukrainischen Streitkräfte stellen die russischen Freifallbomben vom Typ FAB dar, die durch den UMPK-Gleitrüstsatz zu präzisionsgelenkten Gleitbomben umgebaut werden. Diese werden aus großen Höhen und noch über russisch kontrollierten Gebieten von Flugzeugen aus zum Einsatz gebracht.
Jetzt wurden erstmals Bilder von deren Herstellung veröffentlicht. Die bis zu anderthalb Tonnen schweren Bomben, von denen Russland eine große Anzahl in seinen Arsenalen zur Verfügung hat, werden vornehmlich gegen Grabensysteme und befestigte Stellungen eingesetzt.
Nachdem wahrscheinlich drei russische Flugzeuge vor drei Wochen im Raum Cherson abgeschossen wurden, stellte die russische Militärführung deren Einsatz im Raum Cherson komplett ein.
Doch nun wurde am 10. Januar wieder ein erster FAB-Angriff auf Cherson bekannt. Das könnte im Zusammenhang stehen mit dem mutmaßlichen Erfolg der russischen Raketenangriffe gegen ukrainische Luftabwehrstellungen.
Die Zukunft der ukrainischen Verteidigung: Eine kritische Betrachtung
Besonders die offenbar prekäre Lage der Luftabwehr lässt nichts Gutes für das Jahr 2024 für die Ukraine vermuten. Sollte sich der Trend fortsetzen, dann würden die ukrainischen Streitkräfte in große Schwierigkeiten geraten.
Die Ukraine hängt bei der Flugabwehr mittlerweile vollständig von Lieferungen westlicher Staaten ab. Allerdings ist eine Besserung der Liefersituation auch durch den neuen Konflikt im Jemen eher unwahrscheinlicher geworden.
Auf dem Boden gibt es wenig Bewegung. Doch lässt sich sagen, dass die ukrainischen Fähigkeiten seit dem letzten Sommer deutlich nachgelassen haben. Zu groß waren die Verluste vor allem bei der gescheiterten Frühlingsoffensive, zu unbedeutend sind die neuen Lieferungen von Material seitens der Nato-Staaten.
Betrachtet man die geringe Menge an Material, die Russland für offensive Aktionen zur Verfügung gestellt hat, muss man den Eindruck gewinnen, dass es Russland nicht um schnelle oder weitreichende Geländegewinne geht, sondern vielmehr ist ein kontinuierliches Zermürben der Ukraine, die Aufrechterhaltung eines steten Drucks, und ein eher langsames Vorrücken zur größtmöglichen Schonung der eigenen Kräfte das Ziel.
Die Ukraine wird jetzt auf reine Verteidigung umstellen, bei gelegentlichen Gegenangriffen im Rahmen einer elastischen Verteidigung. Bald könnten sich Frontbegradigungen zeigen, sollten sich die ukrainischen Streitkräfte auf besser zu verteidigende und stärker ausgebaute Verteidigungslinien zurückziehen. 2024 wird – so, wie es derzeit aussieht – kein Jahr werden, in dem die ukrainische Armee größere Angriffsoperation durchführt, dazu scheint sie zu schwach geworden.
Das Entscheidende ist die Frage, ob es der Ukraine gelingen kann, die wahrscheinlich stark geschwächte Luftabwehr wiederherzustellen. Sollte das nicht gelingen, dann könnte der Konflikt bald entschieden sein.
Zu erwarten wäre zwar kein großer Durchbruch, kein territorial überwältigender, raumgreifenden Sieg der russischen Streitkräfte, aber ein langsames und dann immer schnelleres Dahinschwinden der Widerstandsfähigkeit des ukrainischen Militärs.
Die hier zusammengestellten Informationen speisen sich aus folgenden OSINT-Quellen: Weeb Union, Military Summary Channel, Suriyakmap, Deepstatemap, Remilind23, HistoryLegends, simplicius76, Militaryland, Red Fish Bubble 2.1 (geschlossene Gruppe).