"Wir werden es natürlich wieder tun"
Der Prozess gegen die Katalanen wurde beendet, der Konflikt wird mit dem zu erwartenden Urteil nur weiter angeheizt -Ein Kommentar
Vier Monate hat der Prozess gegen 12 katalanische Politiker und Aktivisten der Zivilgesellschaft gedauert. An 52 Prozesstagen wurden 422 Zeugen vernommen und tausende Akten gewälzt. Doch es war längst klar, schon bevor die Angeklagten ihr Schlusswort sprachen, dass es sich um einen politischen Prozess handelt. Und schon das Verhalten des Gerichts in diesen vier Monaten hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass mit einer Verurteilung zu rechnen ist. Denn eine wirkliche Klärung der Vorgänge wurde gar nicht erst versucht.
Bewiesen wurde in dem Verfahren jedenfalls kein bewaffneter Aufstand, der in Spanien "Rebellion" heißt. Der orientiert sich an einem Staatsstreich wie dem Putschversuch am 23. Februar 1981, als die paramilitärische Guardia Civil mit Kriegswaffen das Parlament stürmte und sogar Panzer auf Straßen auffuhren. Dass der Staatsanwalt Javier Zaragoza im Verfahren sogar von einem "Putsch" in seinem Plädoyer gesprochen hat, überzeugt natürlich niemanden, der nicht mit ideologischen Scheuklappen an die Vorgänge herangeht.
"Die Staatsanwaltschaft konnte keine Rebellion beweisen, weil es keine Rebellion gab", stellte der Professor für Verfassungsrecht Diego López Garrido fest. Der spanische Sozialdemokrat muss es wissen. Er hat einst den Rebellionsparagraphen mit dem Blick auf die Vorgänge 1981 verfasst. Artikel 472 wurde hier in einer völligen Banalisierung angewandt, wie 120 Kollegen von Garrido schon vor Beginn des Verfahrens festgestellt hatten.
Es gab keine "gewaltsame öffentliche Erhebung", deshalb erklärt Garrido, dass es für die Vorwürfe auch keine "fundierte Rechtsgrundlage" gibt. Dass Zaragoza sogar vom "Putsch" gesprochen hat, kritisierte er besonders, da der Begriff nicht einmal im Strafrecht vorkommt: "Es ist mehr ein politischer als ein juristischer Begriff." Der Staatsanwalt habe zudem selbst eingeräumt, dass es die nötige Gewalt für eine Rebellion nicht gab, wies der Verfassungsexperte auf dessen Widersprüche hin.
Der ebenfalls unverdächtige emeritierte Richter des Obersten Gerichtshofs, an dem vier Monate der absurde Prozess lief, hält den Vergleich mit einem Putsch für "eine unverzeihliche Fehlleistung ohne die geringste Rationalität". José Antonio Martín Pallín fragt, ob es ein "Putsch oder Knalleffekt" war. Auch er verweist darauf, dass es diesen Begriff im Strafrecht nicht gibt und "eine eingehende Analyse der Frage entfällt, um sie in ihre wahre politische und rechtliche Dimension einzufügen."
Schon zuvor konnten unabhängige deutsche Richter in Schleswig im Auslieferungsverfahren gegen den ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont weder eine Rebellion finden, noch die nötige Gewalt für einen Aufruhr. Und so sahen es auch die 120 Jura-Professoren, die von einer Banalisierung dieser schweren Vorwürfe sprachen. Und Pallín kam angesichts der Beobachtung der Vorgänge im Prozess zu dem Ergebnis, dass man den Angeklagten bestenfalls Ungehorsam vorwerfen könne.
Gewalt der Unabhängigkeitsbewegung konnte vor und während des Referendums, das vom Verfassungsgericht ausgesetzt worden war, praktisch nicht gezeigt werden. Auch für die angebliche Veruntreuung von Steuergeldern zur Durchführung des Referendums fehlte jeder Beweis. Es wurden weder Rechnungen vorgelegt, noch Geldflüsse dokumentiert. Trotz allem hält man auch an diesem Vorwurf fest, an dem auch die deutschen Richter schon erhebliche Zweifel angemeldet hatten, die allerdings nicht genauer prüfen durften, weil es sich dabei um eine Katalogstraftat handelte.
Dass es Ungehorsam gab, haben einige der Angeklagten oder deren Verteidiger eingeräumt. Und ziviler Ungehorsam, so argumentiert der ehemalige Richter Pallín mit Blick auf den deutschen Philosophen Jürgen Habermas, würde in jedem demokratische Staat als "normale Komponente des politischen Lebens" begriffen, die sogar "notwendig" sei. Verfolgt ein Staat das wie ein gewöhnliches Delikt, begebe er sich auf die "abschüssige Bahn des legalistischen Autoritarismus". So witzelt der Richter auch, dass es sich wohl um den ersten öffentlich angekündigten Putsch handelte, der die längste Zeitdauer aufwies, bei dem das Militär nicht einschritt und auch keine Notfallpläne geschmiedet wurden.
Anklage wegen Aufruhr und Veruntreuung?
Obwohl Beweise für die Vorwürfe durch Abwesenheit glänzten, darf im Herbst mit einer Verurteilung gerechnet werden, da das Gericht nicht einmal versuchte, den Wahrheitsgehalt von Anklagezeugen zu prüfen. Wie internationale Beobachter festgestellt hatten, wurden Verteidigerrechte beschnitten, weil Anklagezeugen nicht mit Videoaufnahmen konfrontiert werden durften. Die zeigten meist das Gegenteil dessen, was Polizisten und Guardia Civil von den Vorgängen ausgesagt hatten, oder wie die mit brutaler Gewalt gegen friedliche Wähler vorgingen. Besonders peinlich für die Staatsanwaltschaft war, als Videos am Ende ohne Kontext zu den Aussagen nacheinander gezeigt wurden, wobei die Ankläger oft nicht einmal sagen konnten, wann und wo sie aufgenommen wurden. Zum Teil, so klärte die Verteidigung sie auf, stammten sie von einem Generalstreik im November und sollten angebliche Gewalt vor und beim Referendum am 1. Oktober beweisen.
Wahrscheinlich ist, dass es zu keiner Verurteilung wegen Rebellion kommt, die an Absurdität kaum zu überbieten wäre. Daran halten nur die rechtsextremen Nebenkläger VOX, die bis zu 74 Jahre Haft fordern, und das Ministerium für Staatsanwaltschaft fest, das bis zu 25 Jahre fordert. Den Staatsanwälten warf sogar die große spanische Tageszeitung El País eine "unerklärliche Lächerlichkeit" und "Pfusch" als Arbeitsmethode vor.
Die Tatsache, dass der juristische Dienst die notwendige Gewalt für Rebellion nicht sieht, im Plädoyer aber auf Aufruhr und Veruntreuung gedrängt hat, zeigt die Kompromisslinie an. Hier dürfte sich die Kammer finden, die angesichts angekündigter Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Ansicht der Verteidiger auf Einstimmigkeit aus sei. Für die Anwältin des Staates Rosa Seoane ist nicht bewiesen, dass "Gewalt ein strukturelles Element des Plans der Angeschuldigten war".
Zur notwendigen Konsequenz, dass es deshalb auch keinen Aufruhr geben kann, wie 120 Jura-Professoren schon im Vorfeld festgestellt hatten, kommt sie aber nicht. Sie hält an Strafforderungen von bis zu 12 Jahren fest. Da schon so viele Fakten geschaffen, sogar gewählte Parlamentarier wieder unter Rechtsbeugung aus dem Parlament mit Tricks ausgeschlossen und ihre Immunität ausgehebelt wurden, muss eine Verurteilung in dieser Größenordnung her, um nicht vollständig das Gesicht zu verlieren. Schließlich widersetzt man sich sogar UNO-Experten, die die Freilassung der politischen katalanischen Gefangenen forderten, weil "willkürlich" inhaftiert wurden. Die Vorverurteilung wird über die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft deutlich, die es nur in absoluten Ausnahmefällen geben darf.
Jordi Cuixart: "Vom Urteil hängt die Qualität der spanischen Demokratie ab"
Die Angeklagten haben sich am Dienstag wie der ehemalige Vizeregierungschef für unschuldig erklärt. Sie strichen die Friedfertigkeit der Bewegung genauso heraus, wie ihre dauernden Aufforderungen zur absoluten Gewaltlosigkeit. Oriol Junqueras fordert deshalb, den Versuch zu beenden, das Problem mit der Justiz lösen zu wollen, und verlangt die "Rückkehr zur Politik und zum Dialog". "Abstimmen lassen und vom Regionalparlament aus die Republik zu verteidigen, kann kein Vergehen sein", erklärte der inhaftierte Chef der Republikanischen Linken (ERC). Seine Partei hat kürzlich die Wahlen in Katalonien gewonnen, dabei erhielt die Unabhängigkeitsbewegung erstmals auf mehr als 50% der Stimmen.
Der ehemalige Minister Josep Rull sprach von der "Negation der Realität" im Prozess. "Sie können es noch öfter sagen, noch lauter, doch sie können die Leute nicht überzeugen, die am 1. Oktober das Referendum erlebt haben, dass es dabei Gewalt gab." Es sei ein großer Ausdruck des politischen Widerspruchs gewesen. "Es war ein großer Akt des Ungehorsams", sagte er und fügte an: "Niemals war eine Wahlurne ein Instrument für einen Staatsstreich." Er sitze nur auf der Anklagebank, weil er an seinen Vorstellungen festhält. "Nach uns werden andere kommen und es gibt nicht genug Gefängnisse, um den Willen der Bevölkerung einzusperren." Für den ehemaligen Außenminister Raül Romeva sitzen deshalb nicht "nur zwölf Personen auf der Anklagebank", sondern mehr als zwei Millionen, die am Referendum abgestimmt haben.
Besonders deutlich wurde der Aktivist und Chef der Kulturorganisation Òmnium Cultural: "Alles, was ich getan habe, würde ich wieder tun, ich bereue nichts", sagte Jordi Cuixart, der mit Jordi Sánchez seit mehr als 600 Tagen am längsten sitzt. Er erklärte, dass vom Urteil die "Qualität der spanischen Demokratie" abhänge. Es sei eine moralische Verpflichtung, für die Grundrechte einzutreten. Nicht der zivile Ungehorsam sei ein Problem, sondern der Gehorsam, der es zulasse, dass 600.000 Familien in Spanien aus ihren Wohnungen geworfen wurden, dass Menschen vor den Küsten ertrinken und die Ozeane sich in Plastikmeere verwandeln. "Wenn die Polizeigewalt bei Referendum am 1. Oktober nicht mit den Katalanen fertig wurde, warum glaubt man dann, dass die Katalanen aufhören, für ihr Selbstbestimmungsrecht zu kämpfen?", fragte er.
Der katalanische Regierungschef nahm die Worte von Cuixart auf, während im ganzen Land am Mittwoch wieder auf die Straßen gingen. "Wir werden es natürlich wieder tun", sagte Quim Torra im Parlament. Angesichts der zu erwarteten Verurteilungen plädierte er an ein einheitliches Vorgehen, um die Unabhängigkeit durchzusetzen. Man müsse das "Unmögliche möglich machen", sagte er. "Der spanische Staat will die demokratische Sehnsucht nach Freiheit eines ganzen Volkes verurteilen und seines fundamentalen Rechts nach Selbstbestimmung, über die Zukunft frei zu entscheiden." Das Urteil werde eine Botschaft an mehr als zwei Millionen Katalanen sein, die den Mut und die Verantwortung hatten, um am Referendum teilzunehmen. Die Antwort darauf könne nur die Bestätigung ihres unveräußerlichen Rechts sein.