"Wir wiederholen die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre"
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- Mehrheitsinteressen setzen sich nicht durch
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Yanis Varoufakis und Oskar Lafontaine warnen gemeinsam vor Krieg und Wirtschaftsdiktatur
Zum Auftakt des Kommunalwahlkampfs in Hannover hatte die Partei "Die Linke" zwei prominente Redner zusammen auf eine Bühne in der Innenstadt gebracht: den früheren griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis und den saarländischen Oppositionsführer Oskar Lafontaine. Sie warnten vor Abschottungstendenzen, vor einer Wirtschaftsdiktatur und vor einem großen Krieg.
Der Kapitalismus habe zwei große Krisen erlebt: Die Weltwirtschaftskrisen ab 1929 und ab 2007, erklärte Varoufakis. Beide Male sei die Wall Street in New York kollabiert. Und in Folge beider Krisen seien die europäischen Staaten aufeinander losgegangen. "Werden wir die Lektion noch lernen?", fragte er. "Wir haben derzeit eine Wiederholung der 1930er Jahre. Eine Krise aus New York kommt nach Europa und fragmentiert uns." Die Europäer müssten sich dagegen stemmen und solidarisch miteinander sein.
Viele Leute würden ihm aber immer wieder sagen: "Die Europäer sind so verschieden. Portugiesen, Deutsche, Ungarn haben wenig gemeinsam." Varoufakis, der ab 2013 als Ökonomie-Professor an der Universität Texas in Austin lehrte, erwidere dann immer: "Verbringen Sie mal ein Jahr in Texas. Dann wissen Sie, wie es sich anfühlt, Europäer zu sein. Dann wissen Sie, wie nah sich Portugiesen, Griechen, Deutsche und Ungarn sind."
EU-Wirtschaftspolitik kann demokratisch nicht geändert werden
Die griechische "Koalition der Radikalen Linken" (Syriza) sei Anfang 2015 nicht gewählt worden, weil alle Griechen Kommunisten geworden seien, sagte Varoufakis. "Nein, wir wurden gewählt, weil Griechenland zusammengebrochen war." Doch der linke Wahlerfolg in Griechenland sei für die EU und ihre Kürzungspolitik irrelevant gewesen. "Wahlen dürfen nicht die Wirtschaftspolitik Griechenlands ändern", habe ihm der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble gesagt. Dieses Denken komme der kommunistischen Partei Chinas schon sehr nahe, kommentierte Varoufakis.
Die EU-Wirtschaftspolitik habe zwar versagt. Doch man könne sie ganz offensichtlich nicht demokratisch ändern. Aus der Krise erwachse immer mehr Autoritarismus und dieser wiederum befeuere die Krise weiter. Diese Negativspirale sei eine große Gefahr für ganz Europa. Das EU-Establishment sei unmenschlich, weil es ineffizient sei, kritisierte der 55-Jährige.
Oligarchenkapitalismus auch in Europa und USA
Weltweit herrsche heute ein Oligarchenkapitalismus, ergänzte Oskar Lafontaine in seiner anschließenden Rede. Dabei sei die westliche Variante klar stärker als der Oligarchenkapitalismus des Ostens. Im Kampf zwischen den USA und Russland gehe es nicht um Demokratie. Der russische Präsident Wladimir Putin sei das Feindbild der USA, weil er anders als sein Vorgänger Boris Jelzin die russischen Rohstoffe nicht den USA überlassen wollte. "Es geht immer nur um Rohstoffe, um Leitungen und Absatzmärkte, nicht um Frauenrechte."
Die Kriege weltweit resultierten letztlich aus wirtschaftlichen Auseinandersetzungen. Der Westen verrate permanent seine angeblichen Werte, so Lafontaine. "Wir plündern die armen Länder aus, wir überschwemmen diese Länder mit unseren subventionierten Landwirtschaftsprodukten, wir fischen die Weltmeere leer und Länder, die sich nicht fügen, werden mit Krieg überzogen."
Es sei erbärmlich, wie die Bundesregierung vor dem "Terrorpaten Erdogan" und vor den USA kusche, kritisierte Lafontaine. Die Kanzlerin sei weder in der Lage, gegen das Abhören durch die "weltweite Stasi" (NSA) noch gegen die von deutschem Boden betriebenen Drohnenmorde der USA aufzustehen. Die EU brauche endlich eine eigenständige Außenpolitik.