Wird Russland zum wichtigsten LNG-Lieferanten Europas? USA reduzieren Exporte deutlich

Grafische Darstellung eines LNG-Tankers

USA reduzieren Lieferungen um 70 Prozent. Wird Moskau bald wichtigster Gaslieferant des Westens? Die Antwort könnte die EU-Energiepolitik auf den Kopf stellen.

Russland ist nach wie vor wichtig für die Energieversorgung Europas, insbesondere beim Erdgas, und seine Rolle nimmt derzeit wieder deutlich zu. Dies geht aus aktuellen Auswertungen des Finanzdienstes Bloomberg hervor. Demnach stand Russland im Juli kurz davor, die USA als wichtigsten Lieferanten von verflüssigtem Erdgas (LNG) nach Westeuropa zu überholen.

US-LNG-Exporte: Geschäft statt Solidarität

Die Daten zeigen auch, dass LNG-Lieferungen für die US-Produzenten ein Geschäft und kein Akt der Solidarität sind. Als die Nachfrage in Asien stieg und die LNG-Preise attraktiver wurden, fuhren die Tanker nicht mehr nach Europa. Die LNG-Exporte der USA nach Westeuropa sanken von 5,2 Millionen Tonnen im Januar auf nur noch 1,5 Millionen Tonnen im Juli – ein Rückgang um knapp 70 Prozent.

Globaler Wettbewerb um LNG-Lieferungen verschärft sich

Aber auch in anderen Regionen stieg die Nachfrage nach LNG und erhöhte den Wettbewerbsdruck. So wurde ein Teil der US-Lieferungen nach Ägypten verschifft, das einen deutlichen Aufschlag auf das europäische Preisniveau zahlte. Das Land kämpft wegen extremer Hitze und geringer heimischer Gasförderung mit Stromengpässen und musste deshalb seine LNG-Importe erhöhen.

Ein weiterer Grund für den Rückgang der LNG-Exporte nach Europa war der Hurrikan Beryl. Seinetwegen konnte eine der größten Exportanlagen über zwei Wochen lang keine LNG-Tanker mehr beladen.

Die LNG-Liefermengen aus Russland schwankten bisher deutlich weniger. Im ersten Halbjahr 2024 wurden zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Tonnen pro Monat geliefert. Seit Anfang 2022 bewegten sich die russischen Lieferungen weitgehend in diesem Korridor.

Experten warnen vor Volatilität des LNG-Marktes

Während die Europäische Union über ein vollständiges Verbot von LNG-Importen aus Russland debattiert, warnen Experten. In dem Marktgeschehen der letzten Monate sehen sie den Beweis für die Volatilität des globalen LNG-Marktes.

"Dies deutet darauf hin, dass Europa zwar seine Abhängigkeit von russischem LNG verringern will, diese Abhängigkeit aber im Kontext des globalen LNG-Marktes gesehen werden sollte", erklärt Katja Yafimava vom Oxford Institute for Energy Studies gegenüber Bloomberg. "Er ist immer noch eng, und flexiblere Mengen könnten wegsegeln."

Deutsche Gasspeicher gut gefüllt – Wintersorgen bleiben

Für Deutschland stellt diese Entwicklung derzeit kein akutes Problem dar, da die Gasspeicher gut gefüllt sind. Nach Angaben der Bundesnetzagentur lag der Füllstand Ende Juli bei knapp 90 Prozent. Im Winter könnte der zunehmende Wettbewerb um LNG-Lieferungen jedoch zu steigenden Preisen führen.

Die EU hat bisher kein vollständiges Importverbot für russisches LNG verhängt, sondern lediglich den Weitertransport und Verkauf in Drittländer sanktioniert. Ab Ende März 2025 sollen neue Regeln in Kraft treten, die den Umschlag von russischem LNG in europäischen Häfen verbieten. Einige Experten gehen laut Bloomberg davon aus, dass dies paradoxerweise dazu führen könnte, dass mehr russisches LNG in Europa verbleibt.