Wirksam gegen Krebszellen
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Ein pflanzliches Medikament wirkt seit Jahrtausenden gegen Malaria - und wohl auch gegen einige Krebsarten. Artemisinin, eine Substanz aus Einjährigem Beifuß, wird international erforscht
Vom Glauben an Wundermittel sollte man Abstand nehmen - das gilt auch für Substanzen aus der Apotheke. In der Medizin ist nichts und niemand vollkommen, und sogar Arzneien, die bei den meisten Menschen hervorragend anschlagen, können bei anderen tödliche Nebenwirkungen haben - oder schlicht gar keinen Effekt. Andererseits gibt es Substanzen mit überraschender Wirkung. Darunter sind pflanzliche Stoffe, die für ihre Eignung als Krebsmedikament erforscht und auch schon therapeutisch eingesetzt werden.
Die halbsynthetische Substanz Artesunate, auch Artesunat genannt, ist solch ein Wirkstoff. Ihr natürliches Vorbild Artemisinin stammt aus dem Einjährigen Beifuß mit dem lateinischen Namen Artemisia annua, nicht mit Artemisia vulgaris, dem Gewürz, zu verwechseln. Der Naturstoff verblüfft, weil er nicht nur sicher gegen Malaria hilft, sondern in einigen Fällen auch gegen Krebs.
In Afrika etwa ist die Behandlung mit Artesunate-Tabletten bei Malaria bereits die preiswerte Standardtherapie. Für die Entdeckung der biochemischen Wirkungsweise von Artemisinin gegen Malaria erhielt die chinesische Pharmakologin Tu Youyou 2015 auch den Nobelpreis für Medizin. Aber die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) nutzt diese Wirkung schon seit Jahrtausenden, wenn auch ohne Kenntnisse der Molekularstrukturen. Der Heilerfolg war nämlich unübersehbar.
Seit einigen Jahren nützt die Substanz nun auch ganz anderen Patienten, nämlich solchen, die von schnell wachsendem Krebs betroffen sind. Und auch hier gibt es verblüffende Heilerfolge. Um die Behandlung mit der nebenwirkungsarmen, zudem relativ preiswert herzustellenden Substanz müssen Patient:innen derweil noch oft kämpfen.
Deutsche Krankenkassen zahlen die Therapie nicht
Die deutschen Krankenkassen zahlen diese Therapie grundsätzlich nicht, auch viele Schulmediziner:innen lehnen die Behandlung ab, zumal sie sich oft nicht auskennen. Und es fehlt eine Lobby, die sich dafür stark machen würde, Artesunate in den Regelkatalog der Krebsbehandlung aufzunehmen. Mutmaßlicher Grund: Die großen Pharmakonzerne, die hier gefragt wären, verdienen mit weitaus teureren Krebsmitteln wesentlich mehr.
Für Prof. Thomas Efferth vom Institut für Pharmazeutische und Biomedizinische Wissenschaften (IPBW) in Mainz ist das ein Problem. Er forschte schon vor rund 15 Jahren - damals am Heidelberger Krebsforschungszentrum - über die Wirksamkeit von Artesunate gegen Krebs.
Efferths Laborversuche sowie Tierversuche an Mäusen in den USA sowie auch Kooperationen mit klinischen Studien zeitigen deutliche Ergebnisse: Artesunate kann schnell wachsende Tumorzellen zerstören. Diese Wirkung wird durch die zusätzliche Verabreichung von Eisen verstärkt. Wie ein Marker wirkt das in den krank wuchernden Zellen angereicherte Eisen für die Artesunate-Substanz.
Und dann spielt sich in den Krebszellen ein "Knalleffekt" ab, den die beteiligten Wissenschaftler so beschreiben: Artesunate sprengt die Krebszellen von innen, bringt den Krebs so zum Stillstand oder sogar zum Verschwinden.
Der Wirkmechanismus beruht auf komplexen molekularen Sauerstoffverbindungen, so genannten Endoperoxidbrücken. Sie brechen auf, wenn das Molekül an eine Zelle andockt. Aggressive Sauerstoffteilchen werden dann frei und attackieren die Krebszelle. Übrig bleibende, bindungsbereite Molekülreste suchen sich neue Partner und finden sie zum Beispiel in Eiweißen.
Die so entstehenden Proteinprodukte zersetzen den Tumor, lösen ihn im besten Falle ganz auf, Zelle für Zelle. In anderen Fällen bringt Artesunate zwar keine völlige Genesung, verhindert aber das weitere Wachstum des Tumors und die weitere Ausbreitung des Krebs. Auch das gilt in der Onkologie, der Krebsbehandlung, bereits als großer Erfolg.
Die Schulmedizin will dennoch davon noch nicht viel wissen. Nur einzelne Ärzt:innen trauen sich vor, bieten ihren Patient:innen die Behandlung auf private Kosten und auch auf eigenes Risiko an. Die Ärztin Prof. Dr. Elke Schwesig-Seebach von der Münchner Praxis "Duale Medizin" arbeitet schon seit 2014 mit Artesunate.
Bei ihr landen zumeist jene Patient:innen, für die es woanders kaum noch Hoffnung gibt: "Wir erleben insofern eine Negativauswahl, als viele Patienten austherapiert sind und als letzte Chance zu uns kommen."