Wirkt sich die Temperatur am Wahltag auf das Wahlergebnis aus?

Bild: Acabashi/CC BY-SA-4.0

Ja, wenn auch geringfügig, sagt eine Studie, da sich damit wie auch überhaupt mit gutem und schlechten Wetter die Wahlbeteiligung verändert

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Die Stimmung kann vieles beeinflussen. Wissenschaftler hatten die Idee, einmal zu überprüfen, ob die Temperatur am Wahltag eine Rolle spielen könnte. Sie gingen davon aus, dass das Wetter eine Rolle spielen könnte und haben sich dabei den Einfluss der Temperatur angeschaut.

Hitze führe zu einer erhöhten Erregung und verstärke nach Studien antisoziales Verhalten wie Gewalt, Mord oder Raubüberfälle, könne aber auch zu Revolten und Aufruhr beitragen. Allerdings gibt es auch Studien, nach denen auch umgekehrt prosoziales Verhalten gefördert werden könnte, also dass Menschen eher helfen oder großzügiger Trinkgeld geben, wenn es wärmer ist. Das habe man aber noch wenig untersucht. Die belgischen, amerikanischen und britischen Wissenschaftler gehen davon aus, dass Wählen auch ein prosoziales Verhalten ist und haben untersucht, wie sich die Temperatur auf das Wahlverhalten in den USA auswirkt.

Möglicherweise ist es auch deswegen prosozial, weil für einen rationalen Menschen, der mit dem geringstmöglichen Aufwand den größtmöglichen Nutzen anstrebt, die Teilnahme an der Wahl wenig Sinn macht, da die individuelle Stimme nicht zählt. Trotzdem nehmen viele Menschen, wenn auch zunehmend weniger, an Wahlen teil, was das Wahlparadox genannt wird. Gerne werden die Menschen daher vor Wahlen an ihre Bürgerpflicht erinnert, sich für das Wohl der Gesellschaft durch Teilnehme an der Wahl zu engagieren.

Die Hypothese ist, dass nach der Erregungstransfertheorie zunehmende Wärme die Erregung steigert, was die Aktivität der Menschen steigert - nach einer Studie den Ärger -, am Wahltag könne dies bedeuten, dass die Wahlbeteiligung steigt. Da natürlich die Temperaturen etwa in Kalifornien und Alaska kaum miteinander vergleichbar sind, wurden nur relative Temperaturveränderungen in den Bundesstaaten bei den Präsidentschaftswahlen zwischen 2000 und 2016 ausgewertet. Temperaturen haben aber auch Verbindungen zu anderen Variablen, so ist normalerweise die Armut in den Ländern größer, die ein wärmeres Klima haben. Deswegen wurden nur Veränderungen innerhalb der Bundesstaaten berücksichtigt.

Neben dem Einfluss auf die Wahlbeteiligung untersuchten die Wissenschaftler auch, ob sich die Temperatur auf die Wahlentscheidung niederschlägt. So könnten mit der Temperatur zusammenhängende negative Gefühle wie Ärger bei Hitze etwa auf Kosten der regierenden Partei auswirken, die von positiven Gefühlen profitiere.

"Wärmere Temperatur führt weniger wahrscheinlich zu einem Systemwechsel während der Wahl"

Wenn es wärmer ist am Wahltag, als am Wahltag vier Jahre zuvor, so das Ergebnis, erhöht sich die Wahlbeteiligung. Mit jedem Grad Celsius steigt die Wahlbeteiligung um 0,14 Prozent. Entgegen der eigenen Hypothese zeigte sich aber, dass höhere Temperaturen eher der regierenden Partei zugutekommen und nur in geringerem Maße den Herausforderern: "Wärmere Temperatur führt wenig wahrscheinlich zu einem Systemwechsel während der Wahl, weil der negative indirekte Einfluss der Temperatur für die regierende Partei völlig kompensiert wird durch den stärkeren, positiven direkten Einfluss." Das Ergebnis stimme mit dem bekannten Einfluss von gutem Wetter auf die Wahl überein, also dass die regierende Partei von einem guten Wetter profitiert, während schlechtes Wetter die miese Stimmung erhöht und damit die Herausforderer begünstigt.

Durchschlagen könne der Einfluss der Temperatur aber nur bei sehr knappen Wahlausgängen. Als ein Beispiel führen die Wissenschaftler die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 an. Mit dem Anstieg der Temperatur um 1 Grad Celsius hätte womöglich Al Gore in Florida gewonnen und hätte anstatt Bush Präsident werden können. Zur letzten Wahl äußern sie sich freilich nicht.

In Deutschland sind die Verhältnisse schwieriger als im faktischen Zwei-Parteiensystem der USA. Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatten letztes Jahr eine Studie in der Zeitschrift "Electoral Studies" veröffentlicht, in der sie Ergebnisse der Wahlen in Nordrhein-Westfalen von 1975 bis 2010 im Hinblick auf das Wetter untersuchten. Bei gutem Wetter stieg auch hier die Wahlbeteiligung um einen Prozentpunkt, ein Großteil der zusätzlichen Stimmen ging an die SPD, die in dieser Zeit an der Regierung war. Schlechtes Wetter würde hingegen die CDU begünstigen und die Wahlbeteiligung senken, wenn es sich nicht um ein enges und damit spannendes Rennen handelt, wie eine andere Studie feststellte.

Wer an der Macht ist, könnte versuchen, den Wahlkampf langweilig zu gestalten, wie dies die CDU unter Angela Merkel beherrscht, aber die SPD lässt sich auch nicht lumpen. Aber es spielt neben vielen anderen Faktoren eben auch noch das Wetter herein. Nach der amerikanischen Studie begünstigen höhere Temperaturen die regierenden Parteien, das wären auf Bundesebene sowohl Union und SPD. Wenn aber schlechtes Wetter die Wahlbeteiligung zuungunsten der Regierenden senkt und gutes Wetter den Wunsch nach Veränderung erstarken lässt, dann könnte dies ebenso links wie rechts ausschlagen. Aber da die Effekte klein sind, wird das schöne Wetter oder die Temperatur bei der Bundestagswahl nichts verändern. Dazu kommt die steigende Zahl an Briefwählern, bei denen das Wetter noch eine geringere Rolle spielen dürfte.