Wissende und virtuelle Kriegerinnen und Krieger
Seite 3: Die Wissenden verdienen Misstrauen!
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Die News-Ticker müssen redaktionell irgendwie betreut werden. Die Redaktionen sollten aber deutlich machen, in welch großem Ausmaß sie kostenfreie Angebote mit letztlich ungeklärter Herkunft oder abonnierte Dienste verarbeiten.
Womöglich erfassen am Ende eines Tages die in einer Nachrichtensendung ausgewählten Mosaiksteine nur denkbar wenig vom wirklichen Kriegsgeschehen. Disclaimer sind nützlich in Kriegszeiten. Sie fördern Transparenz – auch Demut und kritisches Bewusstsein.
Ohne Frieden ist alles nichts …? In den Talkrunden fehlen die nonkonformen Friedensforscher:innen und am Ende auch das Friedensministerium, das nach 1945 nie eingerichtet worden ist. Geschichte stutzt man dieser Tage oft auf das Format eines Handydisplays zurecht.
Auf allen Kanälen werden nervöse Meinungssalven ins Dunkel der Nacht abgeschossen. Sogar an Mobilmachungen für den Dritten Weltkrieg fehlt es nicht.
Selbstgewisse Expertisen wachsen wie Pilze aus dem Boden. Wenn man eine psychologische Ferndiagnose zur Persönlichkeit des russischen Präsidenten parat hat, braucht man sich keine Gedanken mehr zu machen über Militärdoktrinen mit geostrategischen und ökonomischen Zielvorgaben (hüben wie drüben) oder über Kulturkampf-Phänomene, die auch osteuropäische EU-Mitgliedsländer betreffen.
Ohne irgendwelche Kosten oder Nachteile kann man jetzt aus noch sicherer Entfernung mannigfach unter Beweis stellen, dass man auf der richtigen Seite steht (z.B. Aufrufe zu "Tyrannenmord" oder "Exekution des Oberteufels", Beifall für todesbereite blutjunge Kämpfer, Forderung nach Waffenlieferungen für einen jahrelangen Befreiungskampf).
Weniger öffentlichkeitswirksam sind dagegen Überlegungen zur Frage, welcher Weg vielleicht noch dazu führen kann, dass die Waffen nicht in ferner Zukunft, sondern jetzt schweigen.
Der Autor selbst gehört nicht zu den Wissenden und misstraut auch allen, die sich allzu leichtfertig als solche ausgeben. Als Pazifist verfolgt er – neben der Entwicklung der konkreten humanitären Hilfeleistungen (Güter und Flüchtlingsaufnahme), Nachrichten zum aktiven zivilen Widerstand in der Ukraine, der Solidarität mit allen Kriegsdienstverweigerern und Berichten über Akteure des russisch-ukrainischen Brückenbaus – mit größtem Interesse alle Überlegungen, durch drastische ökonomische Maßnahmen, die uns allen womöglich sehr wehtun, ein baldiges Ende des russischen Angriffskrieges herbeizuführen. Aber welche Expertise sollte ich als "Laie" hier ohne weitergehendes Studieren geben?
Standorte hingegen sind möglich: Nie wieder darf eine deutsche Regierung Maßnahmen ergreifen, die in einem ehemals der UdSSR angehörenden Land – auch in Russland – Hunger und Elend bewirken. Im Licht der Geschichte darf auch keine deutsche Regierung eine Politik begünstigen, die in Russland zu einem blutigen Bürgerkrieg mit ungezählten Toten führt oder gar einen neuen Weltenbrand entzündet.
Der Autor ist examinierter Krankenpfleger, Theologe und Publizist.