Wissenschaft und Religion: Zeit für ein Zwischenfazit
Seite 2: Das Tribunal
Ich würde mich freuen, wenn meine Thesen im Forum aufgegriffen werden, gerne auch kritisch. Die Diskussion sollte man aber bitte im Wesentlichen inhaltlich führen, nicht persönlich.
In jüngerer Zeit gewinne ich immer öfter den Eindruck, dass Leserinnen und Leser das Diskussionsforum als eine Art Tribunal missverstehen, in dem sich Autorinnen und Autoren zu verantworten hätten. Dabei sollte man bedenken, dass für viele hier, abseits der Mainstream-Medien, die Leidenschaft im Vordergrund steht. Man sollte auch einmal überlegen, warum so viele andere Medien ihre Foren inzwischen gänzlich geschlossen oder zumindest stark eingeschränkt haben.
Ich halte nichts davon, als Autor einzelne Diskussionsteilnehmer herauszugreifen und mit dem Finger auf sie zu zeigen. Daher will ich hier anonym drei Beispiele für "das Tribunal" im Diskussionsforum aufzeigen: Einer bezeichnete meinen Artikel, in dem ich schlicht die wissenschaftlichen Daten zur Religiosität unter Naturwissenschaftlern vermittelte, als "den dümmlichsten Artikel seit langem". Schließlich würden in Saudi-Arabien 100% der Wissenschaftler angeben, an Gott zu glauben, da sie sonst zu Peitschenhieben und Gefängnis verurteilt würden. Für einen Artikel wie meinen könne man sich nur "fremdschämen".
Also für die (meines Wissens korrekte) Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse zum Thema schäme ich mich nicht. Ich gebe hier nur einmal zu bedenken, dass Saudi-Arabien gar nicht untersucht wurde. Und selbst im säkularsten Land der Befragung, nämlich in Frankreich, sah nur eine Minderheit von unter 30% der Naturwissenschaftler einen Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion. Der ganze Rest soll Peitschenhiebe gefürchtet haben? Geht's noch?
Wo wir bei den Daten sind: Ein anderer Leser unterstellte mir eine "krasse Miss-Interpretation der Daten!" So seien in Wirklichkeit in Indien nur 6% statt 94% der Naturwissenschaftler religiös. Schön war auch die Frage: "Hat der Autor etwa ein Defizit bezüglich Relationen alias Verhältnisrechnung (5. Klasse, wenn ich nicht irre)?"
Dieser Leser hätte besser fragen sollen, ob hier vielleicht ein Missverständnis vorliegt. Oder wenigstens die "Fehler melden"-Funktion nutzen sollen, die sich unter jedem Artikel findet. Für jemanden, der sein Gegenüber auf das Niveau eines Fünftklässlers reduziert, ist es nämlich ganz schön peinlich, die Studie so misszuverstehen.
Darin steht nämlich mehrmals ausdrücklich, dass es tatsächlich 94 Prozent sind - und nicht 94 von 1606 befragten Wissenschaftlern in Indien. Zudem wären nur 6% auch völlig unplausibel, wenn man weiß, dass in diesem Land mehr oder weniger alles irgendwie religiös ist. Nun gut, der Leser blieb bei seiner Fassung, trotz mehrfachen Widerspruchs im Forum. Wie war das mit dem Fremdschämen? Wer einen Fehler nicht korrigiert, begeht übrigens einen Zweiten.
Als drittes und letztes Beispiel sei der Leser erwähnt, dem meine Kritik an "Neuen Atheisten" wie Sam Harris oder Richard Dawkins nicht gefiel. Bei Harris hatten wir gesehen, dass er seinen eigenen Standpunkt nicht widerspruchsfrei vertreten kann. Bei Dawkins schien es, dass er scheinbar nur einen Atheismus vertritt, um seine Bücher besser zu verkaufen, während er in Wirklichkeit Agnostiker ist.
Daraus leitete ein Leser dann den Vorwurf ab, ich würde ja auch nur auf meine Bücher verweisen, um damit mehr Geld zu verdienen. Wenn man aber Bücher, die vor allem fürs Verkaufen geschrieben sind, nicht von solchen unterscheiden kann, die vor allem aus Leidenschaft geschrieben werden, dann sollte man besser einmal…
Wie dem auch sei: Seit 2011 habe ich kein Buch mehr veröffentlicht, an dessen Verkauf ich Geld verdienen würde. Mir vergeht jetzt schon ein bisschen die Lust an der Sache. Aber gut, man kann sich auch weiterhin auf die Diskussionsperlen fokussieren, die es zum Glück auch noch gibt.
Wie wäre es damit, das Forum einmal nicht als Tribunal, sondern als Ort der Begegnung zu begreifen? Als einen Ort, an dem man offene Fragen klärt und von den Ansichten der Anderen lernt.