Wo Ich war, soll Robotik werden

Seite 2: Menschheit in der Rückkopplungsschleife

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Die Transformers selbst sind Maschinen, die ein organisches Eigenleben wie auch eine Psyche und einen moralischen Charakter haben, in gewissem Sinn digitale Doppelgänger der Menschen: Cyber-Menschen. Sie können Öl bluten, Gefühle haben, ihre Seele aushauchen.

Die eigentliche Geschichte der "Transformers"-Filme geht nämlich über die des Bündnisses der zwei Welten hinaus, und ist noch viel zeitgemäßer: Die Verschmelzung von Mensch und Maschine, die einer Transformierung von allem ohne Grenzen.

Michael Bay scheint ein unbewusster Kybernetiker zu sein, ein Jünger jener seltsamen, enorm progressiven Wissenschaft, die der US-Mathematiker Norbert Wiener (1894-1964), später Vorbild des "Dr. Seltsam" in Stanley Kubricks Kalter Kriegs-Farce, in den Jahren des Zweiten Weltkriegs entwickelte, ursprünglich, um Probleme der Feuerleitsysteme und der Zielerfassung der Luftabwehr lösen zu können. Ohne Erfolg.

Doch in wenigen Jahren bündelten sich Wieners Gedanken über Steuerungsprozesse, Rückkoppelungsschleifen und Kontrolle zu einer "allgemeinen Maschinentheorie" (Wiener), einer revolutionären, interdisziplinären Grundlagenwissenschaft. Die Kybernetik formulierte gemeinsame Gesetze für Maschinen wie für lebende Organismen. Diese Gemeinsamkeit war das Entscheidende.

Bild: © Paramount Pictures

Sie zeigt sich auch im unerwarteten Bündnis der drei Kulturen: Universität, US-Militär, Hippies (inklusive Scientology-Gründer L. Ron Hubbard: "Der Geist als tunebare Maschine"). Die Geburt der "Kalifornischen Ideologe", deren Visionen dann zum Teil wenigstens das Internet verwirklichte - denn Computer lassen sich zunehmend als künstliche neuronale Netzwerke beschreiben, in denen künstliche Nervenzellen rechnen, und deren weltweite Vernetzung als sozialer Super-Organismus.

In seiner großartigen Studie über die Geschichte der Kybernetik und ihre Folgen ("Maschinendämmerung") hat Thomas Rid belegt, dass die Visionen dieser Technik wie die Ängste vor ihr, keineswegs "übertrieben" waren, sondern von der Realität längst überboten wurden.

Erst gerade hat sich der Deutsche Ethikrat mit der "Verantwortung für autonome Systeme" befasst: Wer uist eigentlich verantwortlich, wenn Pflegeroboter ihre Patienten abschalten, selbstfahrende Rasenmäher durchdrehen, und smart homes dummes Zeug machen? Kann man den Transformers den Prozess machen? Und werden Mensch und Computer "jetzt rechtlich gleich" gestellt, wie der kybernetisch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt neulich orakelte? Was dann natürlich gleich die nächste Frage aufwerfen müsste: Gibt es auch selbstfahrende Minister, könnte der Minister vielleicht durch einen Cyberminister ersetzt werden? Dobrindt wahrscheinlich schon.

Das eigentliche moralische Dilemma liegt aber nicht in der Frage der Verantwortung und theoretischen Handlungsfreiheit des Menschen - im Zweifel ist juristisch der Programmierer für Fehlfunktionen der Maschine verantwortlich - sondern die praktische Autonomie: Verlernen wir Menschen es in Zeiten von Ernährungsprogramm, Schrittzähler und Navi womöglich irgendwann, der Maschine zu widersprechen? Zumal diese ja bald "intelligenter" ist, als wir?

In "Transformers", da liegt Haken wie Chance des Szenarios, sind die Maschinen bereits nicht mehr von Menschenhand programmiert, sondern autopoetisch - auch wenn Zeugung und Geburt der Maschinen hier amerikanisch-puritanisch ausgeblendet bleiben.

Elefant im Porzellanladen

Wie immer bei Michael Bay, erst recht den "Transformers", ist das Gesamtergebnis ein sehr lauter, und ein sehr sehr langer Film. Und gerade weil der Film zwischendurch eine gewisse Liebe zur Vergangenheit und zu alten Objekten erkennen lässt, stimmt es traurig, dass Michael Bay doch wieder beweist, dass er als Regisseur am liebsten den Elefant im Porzellanladen gibt, und alles, wirklich alles, kaputtschlägt.

Thomas Rid: "Maschinendämmerung. Eine kurze Geschichte der Kybernetik", Propyläen Verlag, Berlin 2016, 494 Seiten, 22,99 Euro.

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