Wo bleibt die Verkehrswende?

Morgendlicher Berufsverkehr auf der BAB A8 beim Kreuz Stuttgart, 2022. Bild: qwesy qwesy, CC BY 3.0

In wenigen Tagen endet das Neun-Euro-Ticket. Konzepte für die Zeit danach sind unklar. Warum die Verkehrswende das Stiefkind der Energiewende ist. Ein Kommentar.

Hat das Neun-Euro-Ticket die Verkehrswende vorangebracht und damit die Energiewende? Klar ist, dass es keine Energiewende geben kann ohne Verkehrswende. Mehr als 25 Prozent der Treibhausgase entstehen hierzulande über die Mobilität.

Im sozialen Bereich hat das Neun-Euro-Ticket sein Ziel wohl erreicht. Viele Menschen, hauptsächlich sozial Schwächere, konnten billiger reisen.

Doch was ist mit dem Klima, wenn sich noch mehr Menschen auf den Weg machen?

Wer in den letzten Monaten mit der Bahn unterwegs war, weiß, dass die Züge im Juni, Juli und August voller waren als zuvor, aber auch noch mehr Verspätung hatten als sonst oder oft ganz ausfielen. Einmal hatte mein ICE viereinhalb Stunden Verspätung.

So stelle ich mir eine intelligente, zukunftsweisende Verkehrswende nicht vor. Also den öffentlichen Verkehr rasch ausbauen? Schön wäre es.

Die wichtige Rheintal-Strecke, die ich oft nutze, Hauptverkehrsachse zwischen der Nordsee und der Schweiz, wird seit 30 Jahren ausgebaut. Aber noch heute gibt es Teilstrecken, die sich ICEs, Regionalverkehr und Güterzüge teilen müssen. Und keine Besserung in absehbarer Zeit in Sicht. Deshalb war und ist die Verkehrswende das Stiefkind der Energiewende. Dafür gibt es politische und parteipolitische Gründe.

Die drei letzten Verkehrsminister stellte die CSU. Sie waren in Wirklichkeit Autominister. Den derzeitigen Verkehrsminister stellt die FDP. Deren Vorsitzender ist, wie man weiß, ein Porsche-Fahrer und Porsche-Unterstützer. Also sind die Freien Demokraten noch immer der Meinung "Freie Fahrt für freie Bürger".

Klimazerstörung oder Verkehrstote müssen halt leider in Kauf genommen werden.

Immerhin hatte die letzte Große Koalition dafür gesorgt, dass die großen Bereiche der Energiewende, Bauen, Verkehr und Energiewirtschaft eigens definierte Energie-Einsparziele erreichen müssen. Verfehlt eines der zuständigen Ministerien sein Ziel, muss es ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen, um sie wenigstens im Nachhinein zu erreichen.

Sorgenkind der Energiewende ist der Verkehr

Seit Jahrzehnten ist der Verkehr das große Sorgenkind bei der Energiewende. Während im Strombereich derzeit immerhin die Hälfte schon erneuerbar gewonnen wird und damit Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden, sind im Verkehrsbereich die Treibhausgase seit 1990 sogar leicht gestiegen.

Unlängst hat der Expertenrat für Klimafragen dem FDP-Verkehrsminister Volker Wissing ein ganz schlechtes Zeugnis für seine Zukunftsziele ausgestellt, eine glatte sechs.

Nach den Plänen der Bundesregierung soll der Verkehr bis 2030 48 Prozent CO₂ einsparen. Doch dafür reichen die Pläne des Verkehrsministers bei Weitem nicht.

Allein seine Aussagen der letzten Wochen nach einer Aufzählung des Spiegel:

- Nein zum Tempolimit;

- Nein zum vollständigen und schnellen Aus für Verbrenner auf EU-Ebene;

- Nein zu Abschaffung oder Reform des Dienstwagenprivilegs;

- Nein zur Verlängerung des Neun-Euro-Tickets.

Ein Armutszeugnis für die FDP

Mit dieser FDP-Politik wird Deutschland seine Klimaschutzziele niemals erreichen. Für die Fridays-for-Future-Bewegung kommentiert Luisa Neubauer die Lage so: "Wir sprechen nicht mehr von schlechtem Klimaschutz. Wir sprechen von Arbeitsverweigerung."

In der Tat: Der stärkste aller Instinkte, der Selbsterhaltungstrieb, scheint nicht mehr zu funktionieren. Denn die Energiewende ist die Überlebensfrage der Menschheit.

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