Wo kommt die Steinkohle her, die in deutschen Kraftwerken verfeuert wird?
Zu den wichtigsten Lieferanten zählt inzwischen Kolumbien, wo der Abbau rücksichtslos billig ist
Nicht nur beim Gas, auch bei der Kraftwerkssteinkohle ist Deutschland - aufgrund der für 2018 geplanten Schließung der letzten Zechen - inzwischen von wenigen Lieferanten abhängig. Woher welcher deutsche Stromerzeuger seine Kraftwerkssteinkohle bezieht, ist ein gut gehütetes Geheimnis.
Führender Steinkohlelieferant für Deutschland war im Jahre 2013 Russland mit 12,5 Millionen Tonnen zum Preis von 992 Millionen Euro, an zweiter Stelle kamen die USA mit 12 Millionen Tonnen für 980 Millionen Euro und auf der dritten Position lag Kolumbien mit10 Millionen Tonnen zum Preis von 638 Millionen Euro. Polen war mit 3,4 Millionen Tonnen für 252 Millionen Euro der wichtigste Lieferant aus der EU. Gegenüber dem Vorjahr war der Import um 15,2 % gestiegen, wobei der Preis pro Tonne binnen Jahresfrist um 22,3 % von 105 Euro im Jahr 2012 auf 82 Euro im Jahr 2013 sank.
Wurden die Steinkohlekraftwerke früher in der Nähe der Kohlebergwerke errichtet, so finden sich die neueren Standorte häufig in der Nähe von schiffbaren Wasserstraßen. So kann beispielsweise das neue Steinkohlekraftwerk Wilhelmshaven direkt mit dem Schiff beliefert werden. (Einen Überblick über die zahlreichen noch bestehenden Steinkohlekraftwerke findet sich auf der Seite Kohlekraftwerke.de.)
Eine Ursache für den Preisverfall bei der Steinkohle ist die Tatsache, dass die USA im derzeitigen im Erdgas-Fracking-Boom, den Eigenverbrauch von Steinkohle deutlich reduzieren und den Weltmarkt mit der im eigene Land nun nicht mehr benötigten Steinkohle fluten, als gebe es kein morgen. In den USA wird die Steinkohle, anders als in Deutschland üblich, zumeist im Tagebau gewonnen, nachdem die überlagernden Gesteinsschichten weggesprengt wurden (Mountaintop Removal). Der Widerstand gegen diese brachiale Form des Steinkohleabbaus dürfte in Zukunft eher noch steigen, da jetzt nicht mehr der heimische Energiebedarf im Vordergrund steht, sondern der Export der Kohle.
In welchem Umfang die Steinkohle aus den USA in Zukunft noch zur Verfügung stehen wird, ist derzeit schwer abzuschätzen. Ob und wann die von den USA angeschobene und von der EU mitgetragene Sanktionsspirale gegen Russland auch den Handel mit Steinkohle trifft, ist ebenso wenig abschätzbar. Anders als beim Gas mit den fest verlegten Pipelines erfolgt die Anlieferung der Kohle per Schiff und Zug, so dass hier bei der bestehenden Infrastruktur die Lieferwege schneller gewechselt werden können als beim Erdgas.
Vor diesem Hintergrund kommt den Steinkohlelieferungen aus Kolumbien eine steigende Bedeutung zu. Da lohnt es sich durchaus einmal, die Gewinnung in dem südamerikanischen Land etwas näher zu betrachten: 87 % des kolumbianischen Steinkohleexports werden von drei Unternehmen abgebaut. Die sind El Cerrejón mit den Eigentümern Anglo American, BHP Billiton und Glencore Xstrata International plc, Drummond, ein US-Familienunternehmen und die Prodeco-Gruppe, eine weitere Tocher der Schweizer Glencore Xstrata International plc.
Was auf den Seiten der Bergbauunternehmen als umweltgerecht gelobt wird, zeigt sich in der Realität als ziemlich rücksichtslose Ausbeutung der kolumbianischen Bodenschätze auf gigantisch großen Flächen. So umfasst der Steinkohle-Tagebau El Cerrejón eine Fläche von 69.000 Hektar. Um die Kosten für den Abbau niedrig zu halten, wurde die indigene Bevölkerung in den Abbaugebieten teilweise entschädigungslos vertrieben. Wer Widerstand leistete, verlor häufig sein Leben.
Der Firma Drummond wird nachgesagt, in Kolumbien Paramilitärs finanziert zu haben, die Hunderte von Morden verübt haben sollen. Die niederländische Organisation PAX, eine Partnerschaft von IKV (Interchurch Peace Council) und Pax Christi wirft dem Drummond-Konzern konkret vor, dass Paramilitärs zwischen 1996 und 2006 3100 Menschen ermordet haben und 55.000 Bauern von ihrem Land vertrieben wurden und keine Entschädigung erhalten haben. Die Gewerkschaften sollen massiv eingeschüchtert und geschwächt worden sein.
Nachdem sich die Vorwürfe von Bürgerrechtsbewegungen und Umweltschützern auch gegen die deutschen Kohleverstromer richteten, starteten Dong Energy, EdF, Enel, E.ON, Fortum, GdF Suez, RWE, Vattenfall und andere im Jahre 2006 die Initiative Better Coal, die "einen international akzeptierten Standard für einen sozial- und umweltbewussten Steinkohlenbergbau ("Better Coal"-Code) schaffen" will. Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen sowie Organisationen wie "Brot für die Welt" oder "Misereor" sprechen im Zusammenhang mit Better Coal von Greenwashing oder Whitewashing.
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