Wohin verschwindet das Kohlendioxid?
Der Kohlendioxidgehalt der Luft steigt nicht so stark, wie er zu befürchten wäre aber geht dies zukünftig so weiter?
Kohlendioxid in der Luft machte zwischen 200 und 280 ppm (Parts per Million) aus, und das über nahezu 400.000 Jahre. Heute zeigen die Ergebnisse einen Anstieg auf 380 ppm. Ist das ein Ergebnis menschlicher "Leistungen", wie sie im Verlauf vieler industrieller Vorgänge entstehen, bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, oder bei der Brandrodung des Waldes?
Tatsächlich wurden in den letzten Jahrzehnten von dem "in die Luft geblasenen" Kohlendioxid nur die Hälfte in der Atmosphäre verstoffwechselt. Was geschah mit dem Rest? Wurde Kohlendioxid auf der Erde durch die Pflanzen verarbeitet, oder verschwand das Kohlendioxid in den Weltmeeren? Letzteres ist eine neue bedeutsame Erkenntnis, die das "World Ocean Circulation Experiment" (WOCE), die "Joint Global Ocean Flux Study" (JGOFS) und die "National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA)'s Ocean-Atmosphere Carbon Exchange Study" (OACES) erbrachten.
In Science berichten Christopher Sabine samt Mitarbeitern aus den USA, Südkorea, Australien, Kanada, Japan, Spanien und Deutschland über die meereskundliche Bedeutung, die der Kohlendioxid-Ausstoß auf unsere Umwelt nimmt (Christopher L.Sabine und Mitarbeiter: "The ocean sink for anthropogenic CO2"), und Richard Feely über die praktischen Auswirkungen und nicht zuletzt die Konsequenzen für viele Schalentiere (Richard A.Feely und Mitarbeiter: "Impact of anthropogenic CO2 on the CaCO3 system in the oceans").
Das Meer hat seit 200 Jahren 10 Prozent des Kohlendioxids aufgenommen
Die Messungen der Forscher zeigen, dass sich 60 Prozent des Kohlendioxids in den südlichen Meeren angesammelt hat. Der atlantische Ozean im Norden enthält bereits 23 Prozent des Kohlendioxids, obwohl er nur 15 Prozent der Wasserfläche einnimmt. Die Verteilung folgt der Dichte des Wassers: aus den oberflächlichen Schichten fließt es von den peripheren (polaren) Regionen zu den der niedrigen Längengrade und behält seine Orientierung an derselben Wasserdichte. Erst im weiteren Ablauf beginnt die vorsichtige Mischung mit dem Wasser der Umgebung. So ergibt sich der Wert für das Kohlendioxid aus der Zeit, in der das Wasser mit der Luft Kontakt hält, sowie der Pufferung für Seewasser, dem "Revelle-Faktor". Der Revelle-Faktor beschreibt, wie sich der Partialdruck von Kohlendioxid in Abhängigkeit von anorganischem Kohlenstoff im oberflächlichen Wasser (DIC) verhält. Das bedeutet: je niedriger der Revelle-Faktor, umso mehr Kohlendioxid wird gelöst. Folglich sind hohe CO2-Konzentrationen (um 60 mikroMol pro Kg) im subtropischen Atlantik zu finden.
Bezogen auf den globalen Kohlenstoffzyklus errechnet sich für die Zeit von 1800 bis 1994 eine Emission von 244 Petagramm Kohlenstoff (1 Petagramm (Pg) entspricht 10 hoch 15 Gramm Kohlenstoff). In der Atmosphäre werden 165 Petagramm und in der Biosphäre 39 Petagramm gespeichert. "Etwa die Hälfte des von Menschen seit 200 Jahren erzeugten Kohlendioxids wird in den oberen 10 Prozent der Meere gefunden" erklärt Christopher Sabine. Und weiter: "Das sind 118 Milliarden Tonnen oder 118 Petagramm in den letzten 200 Jahren."
Ohne den Meereswasseranteil wäre der atmosphärische Kohlendioxidanteil um 55 ppm höher als tatsächlich gemessen. Und noch etwas zeigen die Untersuchungen: in hundert und mehr Jahren müssen nahezu 90 Prozent des von Menschenhand erzeugten Kohlendioxids vom Meer aufgenommen werden, falls es so weiter geht wie bisher.
Bis jetzt ist nur die Hälfte des Kohlendioxids in die Meere geflossen. Dort können sich noch viele positive und negative Wechselwirkungen einstellen, da bisher weder die Zirkulation, die Besonderheiten der Schichtenbildung, die Exportmechanismen oder die Kalzifizierung hinreichend untersucht wurden.
Kohlendioxid verändert das Mikroklima
Eines ist jedoch schon sicher: der zunehmende Effekt auf verschiedene Tiere. "Weil CO2 ein saures Gas ist, nimmt der pH der Meeresoberfläche ab", erklärt Richard Feely. Viele Muscheln, Korallen und auch einzellige Lebewesen benutzen das Seewasser, um ihre Schalen und andere "harten" Gegenstände zu bilden. Sie verwenden für ihre Strukturen nämlich die Karbonationen aus dem Wasser, und bilden daraus Kalziumkarbonate. Wenn aber das Kohlendioxid ansteigt, geht dieser Effekt verloren.
Der Trend zur verminderten Kalziumkarbonatbildung beginnt üblicherweise in dem kälterem Oberflächenwasser und wirkt sich zunächst in den am weitesten nördlich und südlich gelegenen Meeren aus. Als Folge müssen die Muscheln und weitere schalenbildende Tiere aus den bisher angestammten Meeresabschnitten immer weiter zum Äquator hin wandern.
Gleichwohl sind die Auswirkungen, die der Kohlendioxidanstieg auf das Kalziumkarbonat hat, insgesamt schwerlich abzuschätzen. Denn die verstärkte Kohlendioxid-Aufnahme mit der Ansäuerung des Wassers bewirkt zwar den Verlust an Kalziumkarbonat, macht es aber schwierig, die verminderte Bildung von Kalziumkarbonat-bildenden Organismen exakt zu berechnen.
Es gibt noch viel zu tun
Die Berechnung anhand der Werte für Phosphor, Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff ergibt deshalb nur einen momentanen Überblick zum Kohlendioxid. Das liegt daran, dass der Sauerstoff für die Oxidation aus der Differenz zwischen der beobachteten und der 02-Menge berechnet wird, die wiederum von der Sättigung mit der Atmosphäre und der Wassertemperatur abhängig ist. Die Kalziumkarbonat-Auflösung wird von dem Unterschied des alkalischen Wertes und dem eigentlichen Oberflächenwert berechnet, der sich als Funktion von Salzgehalt, Phosphat- und Sauerstoff-Konzentration beschreiben lässt. Aus alledem können zwar ungefähre Verhältnisse abgeleitet werden, nicht jedoch der wirkliche Zustand der Meere.
Der Grund ist, dass die Berechnungen zwar von einem zunehmend gewachsenen Wissen ausgehen. Gleichwohl enthalten sie viele Fragen, die bisher nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt wurden. Immerhin lassen die bisherigen Untersuchungen keinen Zweifel an dem Plus an Kohlendioxid. Tatsächlich ist es an der Zeit, dass solche Einflüsse ebenfalls berücksichtigt werden und nicht nur der "saure Regen" und die Zunahme des Ozonloches.