Wohlfühl-Geplänkel am Brandenburger See

Die Aufregung macht das belanglose RBB-Sommerinterview mit Andreas Kalbitz wichtiger als es ist, dabei wäre das Format grundsätzlich infrage zu stellen. Kommentar

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Es war eines der seichten Politikergespräche, die unter dem Label "Sommer-Interview" vermarktet werden. Schon das gesamte Ambiente mit einem Brandenburger See im Hintergrund macht deutlich, dass hier niemandem wehgetan würde. Hier wird Wohlfühl-Programm geboten. Es hat niemanden gestört, dass auf diese Weise seit Jahren ein öffentlich-rechtliches Programm auf Kuschelkurs mit den Parteien geht.

Doch das RBB-Sommerinterview mit Andreas Kalbitz, dem nach seinem vorerst gerichtlich gestoppten Parteiausschluss gerade wieder ins Amt gewählten Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitzenden, bewegt seit Tagen die Gemüter.

Selbst der RRB-Chef Christoph Singlnstein musste noch einmal Stellung nehmen, warum er Kalbitz ein Forum geboten hat. Dabei hat er zunächst einmal darauf hingewiesen, dass Kalbitz die gleichen Interview-Bedingungen hatte wie alle Fraktionsvorsitzenden im Brandenburger Parlament.

Medial hatte dieses Gespräch den Effekt, dass weiter über dieses kurze Interview diskutiert wurde. Doch ein Tagesspiegel-Artikel macht noch einmal das problematische Demokratieverständnis auch der Kritiker deutlich.

"Der Rechtextremist Kalbitz wurde nicht gestellt"

Der RBB musste sich für das Interview heftige Kritik gefallen lassen. Denn der Rechtsextremist Kalbitz wurde nicht gestellt. Stattdessen war es ein harmloses Geplänkel, das Gespräch plätscherte genauso seicht dahin, wie das Wasser im Hintergrund - so wie öfters bei diesen Sommerinterviews (auch ohne AfD), mit denen der RBB, aber auch ARD und ZDF seit Jahren regelmäßig ihre Zuschauer versorgen, wenn im parlamentarischen Tagesbetrieb nicht so viel los ist.

Tagesspiegel

Der letzte Befund müsste doch eigentlich Gegenstand der Kritik sein. Da werden Zuschauer mit Wohlfühlmusik in einer Wohlfühllandschaft am See versorgt und dann wird ein belangloses Geplänkel über Politik darübergelegt. Streit ist tabu, es sollen sich ja alle wohlfühlen. Und einige Liberale wollen sich nicht mit Menschen wie Kalbitz wohlfühlen, was man verstehen kann.

Doch, wenn dann statt argumentiert nur moralisiert und explizit gefordert wird, dass jemandem, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, kein Forum geboten werden soll, weiß man sofort, dass es vielen Kritikern nur um das gute Deutschlandbild geht, das nicht gebräunt werden soll. Man träumt von einem Interview am See mit allen sogenannten demokratischen Parteien, die man auch gar nicht hart befragt, wie sie es verantworten können, dass täglich Migranten auf dem Weg in die EU ums Leben kommen.

Man will sie auch nicht fragen, wie die Politiker mit den Grundrechten in Zeiten von Corona umgehen. Das würde ja das Gespräch am See stören. Doch dann dürfen bei dem Geplänkel plötzlich Politiker mitspielen, die nicht eingeladen waren. Zu dumm nur, dass Kalbitz nun mal Fraktionsvorsitzender der größten Oppositionspartei in Brandenburg ist. Das bisherige Interviewformat lässt nun gar nicht zu, dass der Sender selbst willkürlich entscheiden kann, wen er einlädt und wen nicht.

Diese formale Regelung ist zu unterstützen. Alle Fraktionsvorsitzende haben die gleichen Bedingungen und keine wird bevorzugt oder benachteiligt. Denn der RBB wie auch jeder andere Sender ist nicht das ausführende Organ des Verfassungsschutzes. Es ist schon erschreckend, dass mit der Beobachtung des Verfassungsschutzes auch Medien und Politiker argumentieren, von denen man schon mal die Forderung der Auflösung oder zumindest Zurückdrängung dieser repressiven Staatsapparate gehört hat.

Die Forderung kann von Linken nur dann glaubwürdig vertreten werden, wenn sie eben nicht in dem Augenblick suspendiert wird, wenn der VS scheinbar gute Dienste im Kampf gegen rechts leistet. Wie will denn die Linke, ob in Parteiform oder außerparlamentarisch, glaubwürdig rechten Forderungen nach politischer Ausgrenzung von Personen entgegentreten, wenn sie sich selber bei auf genau diesen Geheimdienstapparat berufen und damit sogar noch argumentieren, dass mit solche Beobachtungsobjekten keine Interviews gemacht werden sollen?

Wie normal sind Rechte in Deutschland?

Dann kommt auch der Einwand, dass mit solchen Interviews Rechte normalisiert werden. Damit wird suggeriert, dass Kalbitz und Co. irgendwie unnormal sind. Dabei sind solche Normalisierungsdiskurse immer schon problematisch.

Rechten, ob in der AfD oder in fast allen anderen Parteien, kann man doch nun ganz bestimmt nicht absprechen: dass sie Teil der deutschen Normalität sind. Die Goldenen Zitronen haben schon vor einigen Jahren solche Debatten gekonnt gekontert. In ihrem Song "Flimmern" heißt es:

Und dann war wieder alles normal real
Verrückte Kühe, Hunde, Lastwagenfahrer
Im toten Winkel marschierend vor dem Fernsehsessel
Der eingeborenen Bevölkerung

Und dann fragt man sich dann noch:
Wer soll eigentlich wo raus? Raus aus wo oder rein wohin?
Rein und raus, raus wohin? Wer soll eigentlich wo raus und rein wohin?
Was solln die Nazis raus aus Dütschland?
Was hätte das für ein Sinn?
Die Nazis können doch net naus, denn hier jehörn se hin.

Goldene Zitronen, Flimmern

So gehört auch die AfD zu Deutschland und wer befürchtet, dass ein 7-minütiges Geplänkel am See Rechte in Deutschland normalisiert, muss sich doch fragen lassen, ob er die letzten Jahrzehnte verschlafen hat.

Die Diskussion hat nur dazu geführt, dass über das belanglose Kalbitz-Interview jetzt viele reden. Über die anderen Sommer-Interviews hingegen spricht niemand. Diese deutsche Normalität ist in der Tat ein Problem. Doch zu ihr gehören neben Kalbitz und Co. auch viele seiner Kritiker.