Wollt ihr den gerechten Krieg oder eine teure, unspektakuläre Mission?

Ein deutsch-französischer Alternativplan zum Krieg gegen den Irak dürfte wenig Chancen haben und würde die US-Regierung düpieren, die gerade in Sachen "gerechter Krieg" einen Gesandten an den Vatikan gesendet hat

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Noch hat die US-Regierung diplomatisch nicht den endgültigen Sieg erzielt, um alle Länder im Sicherheitsrat, vor allem die Veto-Mächte China, Frankreich und Russland von einer schnellen militärischen Aktion zu überzeugen. Nach und nach fallen zwar die Widerstände. Jordanien lässt nun die Stationierung von US-Einheiten mit Patriot-Raketen zu, das türkische Parlament hat am Donnerstag dem Pentagon erlaubt, eine unbegrenzte Zahl von Technikern zur Vorbereitung der US-Stützpunkte ins Land zu lassen. Diplomatisch will nun die US-Regierung auch beim Papst aktiv werden, um dessen moralische Verurteilung eines Kriegs aus der Welt zu schaffen. Ungemach könnte aber auch von einer neuen deutsch-französischen Initiative als Alternative zu einer militärischen Invasion kommen.

Auf der Sicherheitskonferenz in München sind die Differenzen zwischen der amerikanischen und der deutschen sowie französischen Position noch einmal deutlich geworden. US-Verteidigungsminister Rumsfeld sieht in der Drohung mit militärischer Gewalt und der schnellen Ausführung den einzigen Weg, den Irak zu entwaffnen (und Hussein zu stürzen), die UN-Resolution umzusetzen und den Weltfrieden zu erhalten. Und hier, so die Logik, gibt es keinen dritten Weg.

Endlich allerdings scheinen sich Frankreich und Deutschland, wie der Spiegel zuerst berichtete, aus der Lähmung des bloßen Dagegenseins und Hinauszögerns befreit zu haben. Die von Schröder angekündigte Regierungserklärung zum Irak-Konflikt könnte die Plattform sein, die neue Idee noch rechtzeitig zu lancieren. Der Plan, der einen Krieg vermeiden und damit die US-amerikanischen Absichten unterlaufen soll, sieht aufgrund einer neuen Resolution einen großen und länger andauernden Einsatz von bewaffneten UN-Soldaten im Irak vor, flankiert durch strikte Sanktionen. Die Blauhelme sollen die Arbeit der Inspektoren sichern und eine "Hausdurchsuchung" des gesamten Landes ermöglichen. Die Zahl der Inspektoren würde dazu wesentlich erhöht werden. Unterstützt werden sollte die Suche von Drohnen und anderen Aufklärungsflugzeugen.

Der Irak, so der Gedanke, würde in dieser Zeit zu einer Art UN-Protektorat, Hussein wäre zumindest vorübergehend entmachtet. Er würde dann unter internationaler Beobachtung stehend auch kam die Möglichkeit haben, scharf gegen eine etwaig sich formierende Opposition vorzugehen. Inklusive wäre also die schleichende Regime-Veränderung.

Das könnte erst einmal verlockend klingen. Deutschland und Frankreich wollen offenbar versuchen, diesen Plan auch Russland und China schmackhaft zu machen, die bislang den Invasionsplänen auch zögernd gegenüber gestanden haben. Mitspielen müssten aber vor allem erst einmal die britische und amerikanische Regierung, deren Intention auf einen Regimewechsel mit dem Mittel der UN-Resolution damit ausgehebelt wäre. Überdies sollten die bereits im Golf stationierten Streitkräfte als Drohkulisse weiter im Einsatz bleiben - möglicherweise also über Jahre. Ob Bush diese Art der Demütigung, nun nur noch Teil eines Plans des "alten Europa" sein zu sollen, mitmachen wird, dürfte (abgesehen von der jetzt schon bestehenden Verärgerung über die überraschende Bekanntgabe des Plans durch die Medien) sehr zweifelhaft sein. Überdies würde der Einsatz sich zu einer sehr teuren Mission auswachsen, die keine attraktiven Medienbilder wie der angedachte Blitzkrieg mit schnellem Sieg liefern würde. Und auch der Einfluss der USA auf den Irak und sein Öl wäre sehr viel geringer. Auch weil der deutsch-französische Plan die Strategie der US-Regierung erheblich behindern und ihr noch einmal ein gutes Stück an Rechtfertigung rauben würde, dürfte der Plan keine großen Chancen haben.

Die Frage ist natürlich vor allem, ob Hussein seiner faktischen Entmachtung zustimmen würde. Er könnte sie allerdings vielleicht als gute Möglichkeit betrachten, noch einmal ungeschoren davon zu kommen, wenn ihm und seinen engsten Vertrauten zumindest Amnestie zugesagt wird. Und eine große Frage wäre wohl auch, ob sich denn die Pleite-Länder Deutschland und Frankreich den Einsatz von Tausenden von Soldaten über Jahre hinweg leisten könnten? Die beiden Länder müssten hier wohl den Hauptanteil tragen, um überhaupt ein wenig glaubwürdig zu sein. Die Bundeswehr ist aber jetzt schon eher überfordert, was ihre Einsätze angeht.

Auch wenn der Plan voraussichtlich also wenig Chancen hat, so setzt er die US-Regierung und ihre Allianz von Vasallen moralisch weiter unter Druck. Zumindest theoretisch gäbe es jetzt eine Alternative zum Krieg. Vermutlich aber würde dieser Plan, wenn er denn überhaupt wirklich vorgetragen und beispielsweise von China und Russland unterstützt würde, die transatlantischen Beziehungen nicht besonders stärken. Die Falken in der US-Regierung werden dies als Versuch sehen, ihnen in den Rücken zu fallen und die Supermacht, die sich so lange für den anderen Weg stark gemacht, zu düpieren.

Aber gelungen wäre Deutschland und Frankreich damit jedenfalls ein spektakulärer Mediencoup, mit dem sie sich aus der Paria-Rolle befreien können, in die sie allmählich gerückt worden sind. Und hämischen Kommentaren von Journalisten, die wie Klaus-Dieter Frankenberger in der Sonntagszeitung offenbar schlicht die wohl realpolitisch gemeinte Position einnehmen, dass richtig ist, wo die Macht und die Mehrheit sind, oder es zumindest klug, weil riskant wäre, auf einen eigenen Weg zu verzichten, wären schon einmal der Boden unter den Füßen entzogen.

Update:

Wie vorauszusehen war, ist der Vorschlag zwar bei Russland auf offene Ohren gestoßen, aber von den USA entschieden zurückgewiesen worden. Außenminister Powell kritisierte, dass mehr Inspektoren keine Antwort seien. In der Bush-Regierung spreche man von dem Plan als Teil einer "systematischen Behinderung einer jeden Vorbereitung der USA und anderer Verbündeter durch Paris". Ein mit Rumsfeld auf der Sicherheitskonferenz anwesender Regierungsmitarbeiter soll gesagt haben, eine verstärkte Rolle der UN sei "ridiculous on the surface, diplomatically desperate underneath and damaging all around."

Auf Mission in den Vatikan um den Irak-Krieg "gerecht" zu machen

George Bush ist überzeugter Christ. Seine Wähler kommen auch aus den christlichen Lagern, teilweise, so könnte man sagen, aus der fundamentalistischen Ecke. Das Politikverständnis von Bush, ausgerichtet auf den Auftrag der USA, die Welt vom Bösen durch einen Kreuzzug zu erlösen, hat zudem als Gegner den fundamentalistischen Islamismus gefunden, der sich wiederum in einem Kreuzzug gegen den Westen wähnt. Doch dem britischen-amerikanischen Kreuzzug fehlt bislang die Weihe durch die Kirche.

Der Vatikan hat sich gegen einen Präventivkrieg ausgesprochen und der Papst einen Krieg gegen den Irak als "Niederlage der Menschlichkeit" bezeichnet. In seiner Weihnachtsansprache hatte er gesagt, man müsse "das unheilvolle Flackern eines Konflikts, der mit dem Einsatz aller vermeidbar ist, auslöschen". In einer Erklärung der deutschen Bischöfe wenden sich diese, in Übereinstimung mit dem Papst, vornehmlich gegen einen Präventivkrieg und plädieren für weiteren Druck auf das Regime in Irak, um dieses zum Abrüsten zu zwingen:

"Krieg ist immer ein schwerwiegendes Übel. Er darf darum überhaupt nur im Falle eines Angriffs oder zur Abwehr schlimmster Menschheitsverbrechen, wie eines Völkermords, in Erwägung gezogen werden. Daher erfüllt es uns mit größter Sorge, dass das völkerrechtlich verankerte Verbot des Präventivkrieges in den letzten Monaten zunehmend in Frage gestellt wird. Es geht nicht um einen Präventivkrieg, sondern um Kriegsprävention! Eine Sicherheitsstrategie, die sich zum vorbeugenden Krieg bekennt, steht im Widerspruch zur katholischen Lehre und zum Völkerrecht. "

Für die Kirche steht fest, dass es sich bei dem von der britischen und amerikanischen Regierung geplanten Militärschlag und der mangelnden Beweislage, die der Papst, was er erst wieder beim Treffen mit dem deutschen Außenminister Fischer in Rom betonte, als unzureichend für eine Rechtfertigung hält, nicht um einen "gerechten Krieg" handelt. Der basiere, wie die deutschen Bischöfe erklären, auf Selbstverteidigung, keinesfalls aber auf einer antizipierten Abwendung einer möglichen Gefahr:

"Ein präventiver Krieg ist eine Aggression, und er kann nicht als gerechter Krieg zur Selbstverteidigung definiert werden. Denn das Recht auf Selbstverteidigung setzt einen tatsächlichen oder einen unmittelbar bevorstehenden Angriff voraus, jedoch nicht nur die Möglichkeit eines Angriffs. Der Krieg zur Gefahrenvorbeugung würde das völkerrechtliche Gewaltverbot aushöhlen, politische Instabilität fördern und letztlich das ganze internationale System der Staatengemeinschaft in seinen Grundfesten erschüttern."

Und im Fall des Irak bestehe kein Anlass, von einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr auszugehen. Die US-Regierung würde den von ihr beschlossenen Kriegsgang nicht nur gern mit einer Zustimmung des Sicherheitsrats beginnen, sondern sie würde ihn natürlich auch als gerechten Krieg bezeichnet sehen. Schließlich gibt sie ja auch vor, zur Verteidigung des Guten gegen das Böse anzutreten. Daher soll nun ein Gesandter der Regierung im Vatikan für die Position der Regierung werben und versuchen, die zu erwartende Verurteilung des Papstes und der Kirchen aus dem Weg zu räumen. Katholische Geistliche aus der USA haben die Aktion schon heftig kritisiert. Prekär wurde die Situation wohl vor allem auch, weil der Papst nun auch noch den irakischen Außenminister Aziz, einen Katholiken, empfangen wird.

In die US-Botschaft am Vatikan hat man so den von einem Kritiker des Antikatholizismus zu einem katholischen Fundamentalisten konvertierten Michael Novak geschickt, der dem konservativen Think Tank des American Enterprise Institute angehört. Novak, ein Bush-Fan, ist beispielsweise auch gut darin, den Kapitalismus moralisch zu verteidigen. Morgen wird Novak an einer von James Nicholson, dem US-Botschafter am Vatikan, organisierten Veranstaltung vermutlich die Gründe darlegen, warum auch Katholiken und andere Christen im Irak-Krieg einen "gerechten Krieg" sehen sollten. Viel Chancen dürfte er wohl nicht haben, denn der Erzbischof Renato Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, hatte noch letzte Woche gesagt, dass der Vatikan seine Haltung nicht verändern werden. In Bezug auf den Nahostkonflikt meinte er: "Es gibt einen doppelten Maßstab. Wir haben bereits einen Krieg. Warum stoppt man nicht erst den einen Krieg, bevor man einen zweiten Krieg beginnt?"

Die Argumentation Novaks wird vermutlich dahin gehen, dass in einer Welt, in der "Schurkenstaaten" Massenvernichtungswaffen entwickeln und sie womöglich an Terroristen übergeben, die herkömmliche Begründung für einen gerechten Krieg, also ein bereits erfolgter oder unmittelbar bevorstehender Angriff, nicht mehr viel Sinn mache. Wenn die Bedrohung unmittelbar bevorsteht, könne es schon zu spät sein, sich ausreichend davor schützen zu können.

Novak gehörte zu den über 50 konservativen amerikanischen Intellektuellen, die zu Beginn des letzten Jahres das Manifest What We're Fighting For: A Letter From America unterschrieben haben, das von deutschen Intellektuellen beantwortet wurde, die den gerechten Krieg in Frage stellten. Das Manifest sollte noch den Krieg in Afghanistan als einen "gerechten" und notwendigen gegen das Böse rechtfertigen:

"Wars may not legitimately be fought against dangers that are small, questionable, or of uncertain consequence, or against dangers that might plausibly be mitigated solely through negotiation, appeals to reason, persuasion from third parties, or other nonviolent means. But if the danger to innocent life is real and certain, and especially if the aggressor is motivated by implacable hostility - if the end he seeks is not your willingness to negotiate or comply, but rather your destruction - then a resort to proportionate force is morally justified."

Das würde augenblicklich wohl auch keinen Krieg gegen den Irak rechtfertigen, aber mit dem fortschreitenden Kampf gegen den Internationalen Terrorismus schreitet man halt auch mit dem gerechten Krieg voran - Religion hin oder her.