Wurde eine Demokratin zur Islamistin gemacht?
Seite 2: ZMD kritisiert "rufmordähnliche Kampagne"
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Beim Zentralrat der Muslime sieht man die Kritik an ihrer Generalsekretärin naturgemäß mit anderen Augen und spricht von "haltlosen Vorwürfen und Mutmaßungen" sowie einer "rufmordähnlichen Kampagne, die politisch motiviert und ehrverletzend" sei. Ziel der Kritiker sei "die Stimme von Frau Soykan und die des ZMD insgesamt mundtot zu machen.". In einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung heißt es:
In der Berufung von Frau Soykan sahen viele Muslime in unserem Land ein Zeichen der Wertschätzung als Frau und als Muslima, der durch unseren Staat - in dem Fall das Außenamt - eine Anerkennung und Würdigung findet, ganz zu schweigen der Anerkennung großer Verdienste von Frau Soykan selber. Dass eine Schmutzkampagne diesem integrativen, dem inneren Frieden dienenden und auf Stärkung unserer demokratischen Strukturen ausgelegten Ansinnen vorerst ein Ende bereitet, macht uns sehr betroffen.
Zentralrat der Muslime
Ähnlich äußert sich auch Dawood Nazirizadeh, der als Vorstandsmitglied der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) mit Nurhan Soykan zusammengearbeitet hat. Gegenüber Telepolis erklärt Nazirizadeh:
Ich habe gemeinsam mit Nurhan Soykan Projekte zur Prävention von Extremismus und Antisemitismus entwickelt und umgesetzt. Das gerade sie in Verruf gerät, ist für mich schwer zu verdauen. Sie steht zwischen zwei Welten. Von den einen wird ihr vorgeworfen, sich nicht genug zu distanzieren, von den anderen, dass sie sich als liberale Muslimin dem Staat anbiedert. Sie hat sich mit ihrer konstruktiven Arbeit bewährt und daher hat das Ministerium auch die richtige als Beraterin ausgewählt.
Dawood Nazirizadeh
Bundestagsabgeordneter beklagt "doppelte Maßstäbe"
Auch innerhalb des Liberalen Islamischen Bundes, dessen Vorstand die Berufung Soykans zum Auswärtigen Amts scharf kritisiert hat, finden sich Stimmen, die die Sache differenzierter sehen. Die Kritik an Rassismus und Antisemitismus in Islamverbänden sei begründet, doch sei das Problem dort nicht größer als in der sonstigen Bevölkerung, sagt LIB-Mitbegründer Arne List.
Gegenüber Telepolis verteidigt er Soykan: Diese sei "alles andere als radikal oder sektiererisch, sondern ihrer Rolle als Repräsentantin des Islams in Deutschland bewusst." Die Vorwürfe seien "im Wesentlichen haltlos und stammen aus jahrealten Google-Treffern." List sagt, er respektiere zwar den Vorstandsbeschluss des LIB, er selbst hätte aber anders entschieden:
Wenn man will, dass der ZMD wegen seiner rechten Mitgliedsverbände überall rausfliegt, betreibt man seine Zerschlagung und die automatische Radikalisierung seiner Teile und der zugehörigen muslimischen Bevölkerungsteile.
LIB-Mitbegründer Arne List
Kritik an der Debatte um Nurhan Soykan äußert auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh. Im Tagesspiegel beklagt er "doppelte Maßstäbe" und eine "Kultur des Verdachts" gegenüber Muslimen. "Manchem Kritiker geht es nicht um diese Beraterin des Auswärtigen Amtes, sondern um eine grundsätzliche Abrechnung", erklärte Lindh. "Nurhan Soykan wird von den Kritikern in die Nähe von Genozid-Leugnern, Islamisten und Antisemiten gerückt, aber ich kenne bisher keine Äußerung von ihr, die ein solches hartes Urteil rechtfertigt", so Lindh weiter.
Wie und ob es mit der Abteilung "Religion und Außenpolitik" im Auswärtigen Amt nun weitergeht und wer neben dem freikirchlichen Pastor Peter Jörgensen und dem Rabbinerschüler Max Feldhake die muslimische Rolle im Team übernimmt, ist bisher ebenso unklar wie die Zukunft staatlicher islamischer Interessenvertretung in Deutschland im Allgemeinen.
Ziel sei das Projekt "so auszugestalten, dass es breite Unterstützung von denjenigen in Politik und Gesellschaft erhält, die wir für diese Arbeit brauchen", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Bis dahin lasse man die Arbeit an dem Projekt ruhen.